Noch hat Ole von Beust nicht erklärt, wie seine politische Zukunft aussehen wird. Da bringt Sozialsenator Dietrich Wersich sich ins Gespräch.
Hamburg. Alles im politischen Hamburg wartet auf den Sonntag. Dann - am Abend - wird Landeswahlleiter Willi Beiß das vorläufige Ergebnis des Volksentscheids zur Einführung der sechsjährigen Primarschule verkünden. Es könnte aber sein, dass dann schon niemand mehr wirklich an dem Ergebnis interessiert ist. Zuvor, am späten Nachmittag, trifft sich der CDU-Landesvorstand, auf der - die Gerüchte halten sich hartnäckig - Bürgermeister Ole von Beust erklären wird, ob er das Amt hinwirft oder nicht. Sozialsenator Dietrich Wersich hat nun - wenige Tage vor der Sitzung - seinen Hut in den Ring geworfen. In der Tageszeitung "Die WELT" erklärt der Sozialpolitiker auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, Bürgermeister zu werden: "Ich kann mir das grundsätzlich vorstellen, aber die CDU hat mehrere geeignete Kandidaten." Er jedenfalls sehne sich nicht zurück in die Opposition.
Ungewöhnlich offen - bedenkt man vor allem dem Zeitpunkt - äußert Wersich sich in der "WELT" auch zu der Hängepartie, in die von Beust seine Partei durch seine bisheriges Schweigen über seine politische Zukunft gebracht hat. "Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Diskussion tief in die CDU hineingeht", sagte der Sozialsenator, der zunächst mehrere Jahre in der Bürgerschaft als Abgeordneter gearbeitet hat und später Staatsrat in der Gesundheits- und in der Sozialbehörde war. „Die Menschen wollen Klarheit, und der Bürgermeister hat gesagt, er schafft in diesem Jahr auch Klarheit." Viele in der Union wünschten sich, dass von Beust so lange wie möglich regiere, "wissen aber auch, dass es den Wechsel irgendwann geben wird“ sagte Wersich.
Wersich tritt mit der öffentlichen Verkündung seines Anspruchs in Konkurrenz zu Innensenator Christoph Ahlhaus, der bislang als Kronprinz von Beusts galt. Ahlhaus stammt aus Heidelberg und gehört zum konservativen Flügel der CDU. Wersich hingegen, in Hamburg geboren, gilt als liberaler Großstadtpolitiker , der beispielsweise in der Vergangenheit einen Versuch der medizinisch kontrollierten Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige unterstützte. Allerdings werden auch Frank Schira, der Ende Juni zum CDU-Landesvorsitzenden gewählt wurde , Ambitionen auf den Bürgermeistersessel nachgesagt.
Ein Rückzug von Beusts würde die derzeit regierende schwarz-grüne Koalition in Hamburg massiv gefährden. Von Beust gilt für viele Grüne als der Garant dafür, dass die Union die umstrittene Schulreform mitträgt. Außerdem besteht zwischen Spitzenpolitkern der Grünen wie Schulsenatorin Christa Goetsch oder Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk und von Beust ein enges Vertrauensverhältnis. Die Grünen, so heißt es, hätten Probleme mit Ahlhaus als Bürgermeister. Wersich hingegen wäre der einstigen Umweltpartei wohl einfacher und besser zu vermitteln.
Angesichts der Gerüchte um einen möglichen Rückzug von Beusts hatte der ehemalige Bürgermeister der Hansestadt, Henning Voscherau (SPD), am Dienstag für eine rot-grüne Minderheitsregierung plädiert, die von der Linken toleriert wird. „Ich finde, es wäre ein Anlass für das Düsseldorfer Modell in Hamburg Ende August/Anfang September", sagte Voscherau in der Fernsehsendung „Schalthoff live“.
SPD, Grüne und Linke verfügen in der Hamburgischen Bürgerschaft über eine Mehrheit. Bei der Bürgerschaftswahl 2008 errangen die drei Parteien zusammen 50,1 Prozent der Stimmen. Die CDU kam auf 42,6 Prozent, stellt aber auf Grund der Koalition mit den Grünen den Senat und den Bürgermeister. Zuletzt hatte vor allem die CDU in Umfragen Federn lassen müssen und war von den Sozialdemokraten als stärkste politische Kraft in Hamburg abgelöst worden. Besonders problematisch für die CDU-Führungsriege ist, dass weite Teile der eigenen Partei in Hamburg und führende Politiker in der bundesdeutschen CDU die Hamburger Schulreform ablehnen .
Wie schwierig ein möglicher Rücktritt des Bürgermeisters für die Grünen werden könnte, hatte der frühere GAL-Stadtentwicklungssenator Willfried Maier - ebenfalls in der Sendung "Schalthoff live" - deutlich gemacht. „Das wird in der GAL auf ziemlich großes Unverständnis stoßen (...) - bei mir übrigens auch. Ein Rücktritt eines Mannes Mitte 50, der noch eine Mehrheit im Parlament hat, in einem Projekt, das er für richtig zentral erklärt hat, nämlich schwarz-grün in der Stadt möglich zu machen (...), das finde ich nicht richtig", sagte Maier. Er gehe davon aus, dass ein Rücktritt von Beusts "zu Irritationen bei den Grünen" führen werde. "Ich kann mir gut vorstellen, dass dann auch nicht einfach die Abgeordneten und die grünen (erg.) Senatoren zur Tagesordnung übergehen (...). Das wird auf jeden Fall einen Parteitag geben, der darüber entscheidet (...), wie es weiter geht.“
Unterdessen hat der schwarz-grüne Senat in der Wirtschaft der Hansestadt deutlich an Zustimmung eingebüßt. Verglichen mit Oktober 2009, als noch 70 Prozent der Firmen in einer UV Nord-Umfrage mit der Arbeit der Regierung zufrieden waren, sackte der Wert auf aktuell 51 Prozent ab. Das berichtete der Präsident der Vereinigung der Unternehmensverbände (UV Nord), Uli Wachholtz, in Hamburg. Themen wie die HSH-Nordbank-Krise, die Schulreformdebatte oder die nicht vorankommende Elbvertiefung seien nicht geeignet, die Hamburger Wirtschaft von einer klaren politischen Führung zu überzeugen, sagte Wachholtz. An der UV-Nord-Umfrage beteiligten sich 45 Spitzenmanager großer Hamburger Firmen.