Tödlicher Angriff auf Dachdecker: Landgericht senkt Jugendstrafe. 19-Jähriger soll Kursus zur “Verbesserung der sozialen Kompetenz“ absolvieren.
Hamburg. Mit seinem Freund hatte Onur K. im Fußgängertunnel am Harburger Bahnhof aus reiner Rauflust einen Streit angezettelt. Einen Streit, der für ihr Opfer tödlich endete: Erst bettelten die damals 16 und 17 Jahre alten Jugendlichen im Juni 2009 den Dachdecker Thomas J. um 20 Cent an. Dann, als er sich weigerte, schlugen sie auf ihn ein. Ungebremst prallte der 44-Jährige mit dem Hinterkopf auf die Steine und erlag vier Wochen später seinen Verletzungen.
Ein Mann ist tot - und einer der Schläger darf jetzt mit dem Segen der Justiz frei herumlaufen. Gestern hat das Landgericht Onur K., jetzt 19, im Revisionsprozess zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt. Außerdem muss er einen Kursus zur "Verbesserung der sozialen Kompetenz" absolvieren.
"Das Urteil ist ein Skandal", kritisierte Joachim Lenders, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. "Hier ist ein Mensch nicht durch einen Unfall, sondern infolge einer Gewalttat zu Tode gekommen ist. Solche Urteile werden doch nicht im Namen des Volkes, sondern nur noch im Namen von Juristen gesprochen."
+++ Die dicke Strafakte des 20-Cent-Schlägers Berhan I. +++
Im Jugendstrafverfahren komme es für die Strafhöhe primär nicht auf die Schwere der Tat oder Sühne, sondern auf erzieherische Gesichtspunkte an, begründete indes das Gericht seine Entscheidung. So spreche für Onur K., dass er vor der Tat kaum straffällig geworden sei, aufrichtige Reue gezeigt habe und einer regelmäßigen Arbeit nachgehe.
Im Dezember 2010 hatte das Landgericht Onur K. wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt, seinen Mittäter Berhan I. für drei Jahre und zehn Monaten hinter Gitter geschickt. Einen Tötungsvorsatz stellte es bei beiden Tätern nicht fest. Auf die Revision der Verteidigung hin verwies der Bundesgerichtshof im Juni 2011 den Fall von Onur K. jedoch zur Neuverhandlung über die Strafhöhe zurück. Die erste Instanz habe den erzieherischen Grundgedanken aus den Augen verloren und den "Ausnahmecharakter" der Tat verkannt, so die Bundesrichter damals. Mit dem Urteil ist das Landgericht dieser Auffassung nun weitgehend gefolgt.
"Mein Mandant hat seine Strafe erhalten", sagte sein Verteidiger Siegfried Schäfer. Er sei bei der Tat alkoholisiert gewesen, er habe den Mann mitnichten töten wollen. "Vorsätzliche Tathandlung, fahrlässige Tatfolge."
Indes ist den Hinterbliebenen das Urteil kaum vermittelbar. "Es mag Recht gesprochen worden sein - für die Mutter des Opfers ist die erhoffte Signalwirkung des Urteils ausgeblieben", sagte Kristina Erichsen-Kruse, stellvertretende Landesvorsitzende des Weißen Rings.
Nach der Urteilsverkündung brach Vera Janzen, die Mutter des getöteten Dachdeckers, zusammen. "Hier ist ein Mensch totgeprügelt worden", klagte ihr Ehemann an. Die Staatsanwaltschaft prüft, Rechtsmittel einzulegen.