Fahnder nahmen den Mann in einem Wohnheim in der Neustadt fest. Der 49-Jährige wehrte sich mit Reizgas. Haftbefehl wegen mehrerer Delikte.

Hamburg. Nächster Schritt zur Auflösung des Störtebeker-Schädel-Diebstahls: Personenfahnder des Landeskriminalamtes haben in Hamburg einen 49-jährigen Mann verhaftet, der dringend tatverdächtig ist, mit einem 36-jährigen Komplizen den Schädel der Piratenlegende aus dem Museum für Hamburger Geschichte gestohlen zu haben. Gegen den Mann lagen außerdem drei Haftbefehle wegen Diebstahl, Körperverletzung und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz vor, wie die Polizei am Freitag in Hamburg mitteilte.

Die Festnahme in einem Wohnheim in der Neustadt sei bereits am Donnerstagmittag erfolgt. Der 49-Jährige habe dabei heftigen Widerstand geleistet und die Beamten mit Reizgas bedroht. Die Fahnder überwältigten den Mann jedoch und überführten ihn in Untersuchungshaft. Den Aufenthaltsort des Griechen hatten die Ermittler durch Zeugenhinweise ausfindig gemacht. Kriminalbeamte des Zentralen Ermittlungskommissariates Süd übernehmen die weiteren Ermittlungen und werden dem 49-Jährigen rechtliches Gehör anbieten.

In der vergangenen Woche war bereits der erste Tatverdächtige festgenommen worden. Der 36-Jährige sitzt in Untersuchungshaft und schweigt laut Polizeisprecher nach wie vor zu den Vorwürfen.

Der mutmaßliche Schädel Klaus Störtebeker war im Januar 2010 aus dem Geschichtsmuseum gestohlen worden. Im März gab ihn ein Mittelsmann der Polizei zurück. Nach diversen Zeugenvernehmungen konnte die Polizei Anfang Juni einen 36-jährigen Deutschen und den jetzt festgenommenen 49-jährigen Griechen als dringend Tatverdächtige ermitteln.

Nach Polizeiangaben wollten die Männer beim Diebstahl des Schädels vor über einem Jahr eigentlich nur Eintrittsgelder stehlen. Stattdessen entwendeten sie das kulturhistorische Relikt, um den Schädel anschließend zu versetzen.

Der Fall stellte die Polizei lange vor ein Rätsel. Zwischenzeitlich wurde sogar spekuliert, dass der Störtebeker-Schädel von Hells Angels, Fans des FC St. Pauli oder Anhängern der Gothic-Szene gestohlen wurde. Inzwischen wurde der Schädel im Hamburger Polizeipräsidium wieder an die Leitung des Hamburgmuseums übergeben. Ein Mann hatte ihn den Beamten am 17. März überbracht. Er war jedoch nicht der Dieb.

Der geheimnisvolle Schädel und die Rekonstruktion des Piraten-Kopfes sind trotz der Ungewissheit über die Identität die Attraktion des Museums für Hamburgische Geschichte. Der Totenkopf wird nach seiner Rückkehr ins Museum streng bewacht. Schließlich regt der Pirat auch mehr als 600 Jahre nach seiner Hinrichtung noch die Fantasie an.

Der Seeräuber, der der Überlieferung nach gegen die hanseatischen Pfeffersäcke und ihre Schiffe zu Felde zog, soll am 20. Oktober 1401 im Alter von 41 Jahren am Grasbrook im Hafen – zur Hansezeit eine öde Elbinsel und heute ein Teil der schicken HafenCity – geköpft worden sein. Der Hamburger Bürgermeister versprach ihm angeblich, all jene seiner Männer am Leben zu lassen, an denen der Geköpfte noch vorbeilaufen konnte. An elf von ihnen, so besagt die Legende, ging er noch vorüber, bevor er zu Boden fiel. Trotzdem seien auch sie hingerichtet worden.

Der Hamburger Archäologe Ralf Wiechmann reiste mit dem Totenkopf im Gepäck vor einigen Jahren bis nach Kanada, um das Geheimnis des „Störtebeker-Schädels“ zu lüften. Doch eine DNA-Analyse war auch mit Hilfe kanadischer Forensik-Experten nicht möglich. Das Jahrhunderte alte Knochenmaterial war nicht mehr zu entschlüsseln. Die Erbinformationen sollten eigentlich mit der von möglichen Nachkommen des Seeräubers verglichen werden. In Norddeutschland leben nach Schätzung Wiechmanns etwa 200 Menschen mit dem Namen Störtebeker. Aber das Rätsel blieb ungelöst.

„Störtebeker ist eine Legende und wir wissen nicht einmal, ob er wirklich am Grasbrook im Hafen hingerichtet wurde“, sagte Wiechmann damals. Aktenkundig sei nur, dass Störtebekers Weggefährte Gödeke Michels dort geköpft wurde.

Der aufgespießte Schädel mit dem Nagel-Loch war 1878 auf dem Grasbrook – gefunden worden. Vom 14. bis ins 18. Jahrhundert waren dort viele hundert Seeräuber geköpft worden. Um den ein- und auslaufenden Handelsschiffen und ihren Seeleuten zu zeigen, welches Schicksal den Piraten blühte, wurden die abgeschlagenen Seeräuberköpfe mit langen eisernen Nägeln auf einem weithin sichtbaren Holzgestell befestigt.

„Wir sind sicher, dass es sich bei dem Schädel um den Kopf eines Freibeuters handelt, eines etwa 30-jährigen, kräftigen Mannes, der schon einige Blessuren hatte, als er vor etwa 600 Jahren starb. Alles andere ist reine Spekulation“, räumte einst Wiechmann ein. Das Leben Störtebekers und seiner Kumpane, die sich selbst auf plattdeutsch Likedeeler nannten, weil sie die Beute gerecht unter sich aufteilten, bleibt im Dunkeln. Ob der Pirat tatsächlich ein Freund der Armen und ein „Robin Hood der Meere war“, wie erzählt wird, sei völlig offen.

Noch nicht einmal die Bezeichnung „Seeräuber“ ist ganz korrekt. Störtebeker und seine Weggefährten waren eigentlich keine Verbrecher: Historikern zufolge waren sie Söldner zur See, die im Dienste der Mecklenburger Herzöge dänische Schiffe kapern sollten. Als Lohn durften sie dann selbst Beute machen. 1401 besiegte eine Flotte aus Hamburg und Lübeck die Piraten.