Mann wollte in der U-Bahn eine Frau schützen und wurde verprügelt. Jetzt sagt er vor Gericht aus.
Wandsbek. Er handelte in bester Absicht. Jens H. stand einer Frau bei, als sie in der U-Bahn belästigt wurde. Doch sein mutiger Einsatz wurde ihm zum Verhängnis: Vier Männer schlugen den 45-Jährigen grün und blau.
Für die brutale Attacke auf den Gärtner müssen sich seit gestern ein 31-Jähriger und ein 24-Jähriger vor dem Amtsgericht Wandsbek verantworten - ein weiterer Angeklagter fehlte beim Prozessauftakt. Gegen den vierten im Bunde war bereits ein Verfahren vor einer Jugendkammer eingeleitet worden.
Am 19. Dezember 2009 ist Jens H. mit der U 1 Richtung Wandsbek unterwegs, plötzlich stürmen vier Männer in den Wagen. Konrad O., ein langer, hagerer Kerl, raucht provokativ eine Zigarette, er nimmt gegenüber einer Frau Platz und belästigt sie prompt mit wirren Sprüchen. Sie sei eine "Hexe", sie habe ihm im vergangenen Jahr "nur Unglück gebracht". Jens H. sitzt daneben. Beobachtet, wie sich die Frau immer ängstlicher in die Ecke drückt. Als sich die Situation zuspitzt, spricht er andere Fahrgäste an. Sie sollen helfen. "Doch leider gab es keine Resonanz", sagt Jens H. Dann fasst er sich ein Herz, tritt auf die Gruppe zu, fragt: "Was soll denn das?"
Jens H. - lange Haare, Rentier-Pullover - leidet seit 30 Jahren unter Depressionen und Angststörungen, zur Beruhigung hat er öfter ein Pfefferspray in der Tasche. Auch an jenem Abend. Nach seiner Ansprache habe sich einer aus der Gruppe abrupt umgedreht, mit angewinkeltem Ellenbogen. Jens H. glaubte, nun wollten sie alle auf ihn losgehen. "Ich hatte unglaubliche Angst", sagt er. Da habe er den vier Männern Pfefferspray ins Gesicht gesprüht.
Als die U 1 Wandsbek Markt hält, flüchtet er die Treppe hoch, doch die vier erwischen ihn oben, schlagen und treten ihn nach Zeugenaussagen brutal zusammen. Erst zwei Männer, die den Vorfall schon in der U-Bahn beobachtet haben, gelingt es, die Gruppe von ihrem Opfer zu trennen. Jens H. erleidet Schürfwunden und Schnittverletzungen, schwerer wiegen die psychischen Folgen: "Seither fahre ich nicht mehr U-Bahn", sagt Jens H. Zudem habe er gerade erst Frührente beantragt.
Die Aufklärung des Falls gestaltet sich schwierig: Schwammige Zeugenaussagen stiften Verwirrung, die als Zeugin geladene Schwester des mutmaßlichen Haupttäters Konrad O. schrammt haarscharf an einer Falschaussage vorbei, die Angeklagten schweigen zu den Vorwürfen.
Die Verteidigung geht davon aus, dass Jens H. eine Mitschuld an der Eskalation trifft. "Das hier ist ein Negativ-Beispiel für Zivilcourage", kritisiert ein Anwalt. Der 45-Jährige habe mit dem Spray-Einsatz unverhältnismäßig reagiert, zumal er nicht einmal körperlich attackiert worden sei. "Ich habe die Situation wohl falsch eingeschätzt", räumt Jens H. ein: "Heute würde ich so nicht mehr handeln. Von wegen Zivilcourage, am Ende wird man ja doch alleingelassen" - das bittere Resümee eines Mannes, der Gutes wollte. Aber möglicherweise das Falsche tat.