Der Hamburger Mediziner Dr. B. kassierte fast 11.000 Euro von Ratiopharm. Das Hamburger Urteil wird bundesweite Bedeutung haben.
Hamburg. In einem bundesweit bedeutsamen Prozess vor dem Landgericht Hamburg wird derzeit gegen einen Arzt und eine Pharmareferentin verhandelt, die sich der Bestechung und Bestechlichkeit schuldig gemacht haben sollen. Dabei geht es um die offenbar kriminelle Praxis der Firma Ratiopharm, bevorzugt ihre Pillen von Ärzten an Patienten verschreiben zu lassen. Das zumindest mutmaßt die Hamburger Staatsanwaltschaft, die in dem Verfahren klären lassen will: Kann man einen niedergelassenen Arzt so bestechen und reicht das für eine Verurteilung?
Dr. B., 60, hatte sieben Schecks von Ratiopharm dankend angenommen: insgesamt 10.641 Euro Extrahonorar. Überreicht hatte sie ihm die mitangeklagte Pharmareferentin R., 41. Dr. B. musste dafür wenig tun: Eine Software auf dem Praxisrechner installieren, die für seine Patienten bei bestimmten Medikamenten immer zuerst die Pillen der Ulmer Firma Ratiopharm auswarf. Dann erstellte er das Rezept. Von Zeit zu Zeit wertete die Ratiopharm-Mitarbeiterin R. die Praxisdaten aus, und der Konzern schrieb den Scheck. Denn Dr. B. war am Ratiopharm-Umsatz seiner Praxis mit 2,5 Prozent beteiligt.
Wer hat einen Schaden von den Ratiopharm-Zahlungen an Dr. B. und drei weitere Hamburger Mediziner in den Jahren 2004 bis 2005? Dr. B. ließ erklären, er sei schließlich kein Beauftragter der Krankenkassen. Denen hat er die Schecks verschwiegen. Nie, sagt er, habe er beim Ausstellen von Rezepten an seine Umsatzbeteiligung bei Ratiopharm gedacht. Und Pharmareferentin R. erklärte: „Die Schecks wurden in Ulm ausgestellt, ich habe sie nur weitergereicht.“ Zahlungen an Ärzte seien damals üblich gewesen. Sie sprach außerdem von Sachgeschenken, Reisen für Ärzte – „auch mit Partnern“ – und Fortbildungen, bei denen die Namenslisten offenbar nicht immer korrekt geführt wurden. Ähnliche Fälle wurden in zahllosen Verfahren bundesweit eingestellt, wie R.s Anwalt Otmar Kury akribisch auflistete.
Aber ganz gleich, wie das Urteil von Richter Stephan Sommer ausfällt – die Hamburger Staatsanwälte würden im Fall einer Niederlage gleich vor den Bundesgerichtshof ziehen. Richter Sommer überraschte zu Prozessbeginn mit einem Urteil des Bundessozialgerichtes, das die mögliche Bestechung von Ärzten in ein neues Licht rücken könnte. Doch in welches, ist unter Juristen umstritten. Der Prozess wurde auf nächsten Donnerstag vertagt.