Hamburg. Ein Besuch an der Stadtteilschule am Heidberg zeigt, wie digitale Medien den Unterricht bereichern – und wo die Herausforderungen liegen.
In einem Klassenzimmer der Stadtteilschule am Heidberg sitzen rund 20 Schülerinnen und Schüler einer fünften Klasse – alle zwischen 9 und 10 Jahren alt – erwartungsvoll vor ihren Tablets. Immer dienstags ist Klassentag an der Schule in Hamburg-Langenhorn. An diesem Tag gibt es Zeit und Raum für Medienkompetenz, Ausflüge und den Klassenrat, einem Austausch von Lehrkräften und Kindern.
Heute steht KI-Bildgenerierung auf dem Plan. Die Schülerinnen und Schüler sollen nicht nur mit künstlicher Intelligenz (KI) arbeiten, sondern dadurch auch ihre sprachlichen Fähigkeiten schulen. Michael Busch, Koordinator für digitale Medien, und seine Kollegin Lisa Kriebitzsch begleiten die Kinder auf ihrer Reise in die Welt der Bildgeneratoren. Die Herausforderung: Ein bekanntes Kunstwerk wie „Der arme Poet“ von Carl Spitzweg möglichst genau nachzubilden.
Schule Hamburg: KI-Unterricht dient nicht nur digitalen Kompetenzen
„Was seht ihr auf dem Bild?“, fragt Busch in die Runde. Die ersten Hände schnellen in die Luft: „Ein Mensch auf einem Bett“, ruft ein Schüler. Ein anderer: „Ein Regenschirm.“ Busch hakt nach: „Wo genau hängt der Regenschirm?“ Details, die die Schülerinnen und Schüler erkennen, sollen in ganzen Sätzen formuliert und möglichst genau beschrieben werden.
„Und wie nennt man die schrägen Holzstreben an der Decke?“, fragt der Lehrer weiter. Begriffe wie „Holzbalken“ werden so eingeführt und verankert. Solch eine Unterrichtsstunde sei immer auch Sprachtraining: „Wir haben viele Kinder, die Probleme mit der Sprache haben, im Leseverstehen, in der Rechtschreibung und Grammatik.“
Die Kinder formulieren aus dieser Übung gemeinsam einen sogenannten Prompt – eine textliche Eingabe, mit der die KI Bilder erzeugt. Das erste Ergebnis erscheint auf den Bildschirmen. Es ist noch nicht perfekt, aber nah dran. „Was müssen wir ändern, damit es noch besser wird?“, fragt Busch. Gemeinsam experimentieren die Schüler mit Stilen und Details, von Fotorealismus bis Gemälde-Optik.
Unterricht mit iPad: KI-Bildgenerierung kommt bei Kindern gut an
Im zweiten Teil der Unterrichtsstunde arbeiten die Schülerinnen und Schüler nun selbstständig in Teams, versuchen einen Prompt für ein weiteres Bild zu erstellen. „Ich möchte, dass ihr zusammenarbeitet und nicht das erstbeste Ergebnis verwendet“, sagt Busch. Für die Zeit der Aufgabenerklärung müssen die iPads geschlossen bleiben. „Konzentration“, sagt der Medienbeauftragte.
In dieser Übung sollen die Teams mit ihrer Bildbeschreibung möglichst nah an das Original „Die Kartenspieler“ von Paul Cézanne kommen. Die mit KI erstellten Bilder werden vor allen präsentiert, die Kinder verbinden sich selbstständig mit der Präsentationstafel. Anschließend findet eine gemeinsame Besprechung statt, bei der diskutiert wird, welche Details möglicherweise fehlen oder an der falschen Stelle sind.
Mediengestützter Unterricht wichtig für „Selbstwirksamkeit“
Nicht alle Ergebnisse entsprechen den Erwartungen der Kinder. „Einige waren frustriert“, berichtet Busch später. Doch genau darin sieht er einen wichtigen Lerneffekt: „Digitale Medien sollten nicht nur konsumiert werden. Der kreative Umgang und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit sind entscheidend.“
„Der kreative Umgang und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit sind entscheidend.“
In nahezu allen Fächern, von Mathe bis Biologie, werden Tablets genutzt – immer mit dem Ziel, Kompetenzen wie Problemlösung, Zusammenarbeit und Medienkritik zu fördern, so Kriebitzsch. „Verbieten wir ChatGPT oder andere Tools, nehmen wir den Schülern die Chance, verantwortungsvoll damit umzugehen“, sagt Busch. Schülerinnen und Schüler müssten lernen, Ergebnisse nicht unreflektiert zu übernehmen. „Oft können Schülerinnen und Schüler einen Rechenweg nicht begründen“, so Kriebitzsch. Das sei ein großes Problem.
Stadtteilschule am Heidberg bietet auch Social-Media-Sprechstunde an
„In unserer digitalen Welt ist es auch für Schüler wichtig, Medienkompetenz zu erlernen“, erklärt die Lehrerin. Darunter fällt, dass sie wissen, wie man sich mit dem Beamer verbindet, wie Dokumente hochgeladen, und wie E-Mails richtig formuliert werden. „Wir thematisieren auch soziale Medien, um Cybermobbing zu vermeiden und Schutz davor zu bieten.“
Beim Wechsel von der Grundschule auf die Stadtteilschule am Heidberg erhalten die Kinder oft von ihren Eltern ein eigenes Smartphone, haben so auch Zugang zum Internet und unterschiedlichen Apps. „Wir können nicht davon ausgehen, dass alle Eltern dabei helfen können“, sagt Busch. Diese Lücke müsse von der Schule, beziehungsweise den Lehrkräften, geschlossen werden. In der Social-Media-Sprechstunde lernen Schülerinnen und Schüler den Umgang mit TikTok und Co. Auf dem Schulgelände selbst herrscht Handyverbot.
Digitalpakt Hamburg: Alle Kinder mit iPad ausgestattet
Janette Reiser, die Schulaufsicht, betont den Mehrwert solcher Stunden: „Die Schüler werden befähigt, KI-Tools zu nutzen und lernen, Inhalte präzise zu beschreiben. Das ist essenziell für ihre Zukunft.“ Auch im Hamburger Bildungsplan ist „Leben und Lernen in der digitalen Welt“ fest verankert. Die Schulbehörde unterstütze Lehrkräfte mit gezielten Fortbildungsprogrammen.
Dank des Digitalpakts ist die Stadtteilschule am Heidberg gut ausgestattet: WLAN in allen Räumen, einheitliche Präsentationstechnik und iPads für jeden Schüler. „Von den Ressourcen sind wir an unserer Schule gut aufgestellt“, so Busch. Dennoch sieht er Verbesserungsbedarf: „Wie nutzen wir KI-Technologie so, dass Lernprozesse gefördert und nicht simuliert werden?“
Schule Hamburg: Ab wann sind Tablets und Co. sinnvoll?
Skandinavische Länder nehmen wohl oft eine Vorreiterrolle ein, wenn es um digital gestalteten Unterricht geht. Doch vor wenigen Jahren machte die schwedische Regierung ihre Entscheidung, Vorschulen verpflichtend mit digitalen Geräten auszustatten, rückgängig. Für Busch verständlich: „In der Grundschule muss der Fokus auf Sprach- und Grundkompetenzen liegen.“ Doch ab der weiterführenden Schule seien digitale Medien unverzichtbar. Ziel sei es, Schüler so auszubilden, dass sie nach der zehnten Klasse „im Leben und im Beruf klarkommen“.
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In Schweden habe man viel sehr schnell gemacht, so Busch, allerdings ohne Lehrpersonal fortzubilden. Die Stadtteilschule im Hamburger Norden, die mittlerweile Teil des Innovationslabors der Robert Bosch Stiftung ist, wählt einen anderen Weg: „Wir qualifizieren Lehrkräfte seit Jahren intern“, sagt Busch, der bereits Bücher zu dem Thema geschrieben hat. Gemeinsam mit dem benachbarten Gymnasium hat Busch eine KI-Werkstatt ins Leben gerufen. Hier entwickeln Lehrer Ideen für den Unterricht mit KI.