Hamburg. Mädchen aus Hamburg ist höchstbegabt und eins der schlauesten Kinder Deutschlands. Warum sie deswegen in die USA auswanderte.

  • Pauline leidet unter ihrem „extrem schnellen Kopf“.
  • Mit sieben Jahren sagt das Mädchen aus Hamburg, dass sie nicht mehr leben will.
  • Warum hochbegabte Kinder in der Schule oft leiden.

Die ersten Anzeichen, das ist ihnen heute klar, gab es lange, bevor sie diese gesehen haben. Lange, bevor sie wussten, worauf diese hindeuten können. Dass Pauline mit gerade mal einem Jahr zu sprechen anfing und mit eineinhalb in vollständigen Haupt- und Nebensätzen redete. Dass sie nie mit Puppen, Lego oder Playmobil spielte, stattdessen aber mit drei Jahren schon bis 100 zählen konnte und sich mit vier die Uhr selbst beibrachte. Irgendwie erschien ihnen das alles normal.

Bis zu diesem Tag, an dem nichts mehr normal war.

Als Pauline mit viereinhalb Jahren zu ihren Eltern sagt: „Ich wünschte, ihr hättet einen Jungen bekommen und nicht mich. Dann gäbe es mich nicht, und ich müsste nicht mehr in die Kita gehen.“

Es war das erste Mal, dass Pauline sagte, dass sie nicht mehr leben will. Doch es war nicht das letzte Mal.

Hochbegabte Kinder: Warum Pauline (8) unter ihrem „extrem schnellen Kopf“ leidet

Damals vor vier Jahren, als Pauline schon ihren Schlafanzug angezogen hatte und gerade ins Bett gehen sollte, sagte sie diese Worte, die sich ins Gedächtnis ihrer Eltern gebrannt haben. Es ist bis heute einer der schlimmsten Momente in ihrem Leben und der Wendepunkt. Sie entscheiden sich damals, dass es so nicht weitergehen kann, und nehmen Pauline aus der Kita. Ein paar Monate später lassen sie Paulines Intelligenzquotienten (IQ) testen.

Hier können Eltern ihre Kinder testen lassen.

Paulines IQ ist so hoch, dass wir ihn hier nicht nennen dürfen. Sogar Pauline, die heute acht Jahre alt ist, kennt ihn selbst nicht. Sie weiß nur, dass sie einen „extrem schnellen Kopf“ hat, wie sie es nennt.

Pauline ist höchstbegabt. Laut der bekanntesten Definition gilt ein Mensch als höchstbegabt, wenn sein IQ 145 oder mehr beträgt. Das ist mehr als bei 99,9 % der Bevölkerung. Heute vermutet man, dass auch Albert Einstein, Immanuel Kant und Leonardo da Vinci höchstbegabt waren. Doch ihr IQ konnte damals noch nicht ermittelt werden.

Warum viele Kinder darunter leiden, wenn sie hochbegabt sind

Paulines richtiger Name sowie der ihrer Eltern soll nicht genannt werden. Denn die Familie möchte nicht, dass Pauline von Fremden erkannt oder bei Google gesucht wird. Sie möchte, dass Pauline so normal wie möglich aufwächst. Sofern das nach all dem noch möglich ist.

Nach all dem. Nur drei Worte, doch unendliches Leid, das sich dahinter verbirgt. Leid? Ja! Denn auch wenn man bei dem Begriff eher an Kriege, Katastrophen oder kranke Kinder denkt, geht es in diesem Bericht genau darum. Um das Leiden höchstbegabter Kinder, das für viele von ihnen so groß ist, dass sie nicht weiterwissen.

Pauline ist sieben, als sie sich nachts wieder einnässt und noch einmal einen der schlimmsten Sätze sagt, den es für Eltern nur geben kann: „Ich möchte nicht mehr leben.“ Sie ist damals in der ersten Klasse, hätte aber vermutlich eher in die dritte oder vierte Klasse gehört, sagen ihre Eltern.

Ihre Mutter verspricht ihr an diesem Tag, eine passende Schule für sie zu finden – irgendwo. Zu diesem Zeitpunkt weiß sie selbst noch nicht, dass es diese Schule in Deutschland offenbar für ihr Kind nicht gibt, dass sie dafür auswandern müssen. In die USA.

Sie liebt Eis, Hobby Horsing und Taylor Swift. So wie viele Mädchen. Doch Pauline ist nicht wie andere Mädchen. Sie ist schlauer als 99,9 Prozent der Bevölkerung. Warum sie deswegen Probleme hat. © privat | Privat

Paulines Familie wandert nach Kalifornien aus: Mit zwei Koffern und einem braunen Hasen

Seit zwei Monaten lebt die Familie Heinemann, wie wir sie nennen, jetzt in Kalifornien. In einer Airbnb-Unterkunft in der Tri-Valley Area, eine dauerhafte Wohnung haben sie bisher noch nicht gefunden; die Wohnungssuche in Amerika ist gerade schwierig.

Als sie ihr Zuhause in Hamburg verlassen haben, mussten sie 200 Kartons mit persönlichen Gegenständen einlagern. Jeder in der Familie ist mit nur zwei Koffern nach Amerika gekommen. Den Rest wollen sie nachholen. Sie hoffen, dass sie bis Weihnachten eine eigene Wohnung gefunden haben.

Pauline hat einen braunen Hasen aus Deutschland mitgenommen, ihr Lieblingskuscheltier. Das hat sie sogar zweimal. Falls der braune Hase mal verloren geht, damit sie einen Ersatz hat. Diesen Ersatz, den sie „Hasis Schwester“ nennt, nimmt sie jetzt morgens mit in die neue Schule. Er gibt ihr Sicherheit.

Eine Schule in den USA wirbt mit „radikal anderem Bildungsprogramm“

Ihre Schule heißt Big Minds Unschool und beschreibt sich selbst auf der Homepage (in der Übersetzung) als „eine etwas andere Schule. Für eine etwas andere Art von Studenten“ und wirbt mit einem „radikal anderem Bildungsprogramm“. Auf vier Schüler kommt ein Lehrer, an der gesamten Schule gibt es nur 23 Kinder, der Unterricht findet vorwiegend in Projekten statt, deren Themen die Schüler und Schülerinnen selbst vorher festlegen.

Auf dem Stundenplan stehen Themen wie „Schach“, „Finanzen in der realen Welt“, „Essayschreiben“ und „Nachhaltiges Leben“, aber auch „Digitalfotografie“, „Daten, Statistiken und Wahrscheinlichkeit“ oder „Lego-Challenge“.

Sogar Minecraft steht hier auf dem Stundenplan, jeden Morgen von 8.30 bis 10 Uhr in der offenen Ankunftsphase können die Schüler das spielen. Der offizielle Unterricht beginnt erst um 10 Uhr, freitags ist frei.

In Amerika steht sogar Minecraft spielen auf dem Stundenplan der Schule

„Die einzigen Pflichtfächer sind Mathematik und Englisch, die übrigen Lerninhalte bestimmen die Kinder selbst. Die Kinder brauchen kein Korsett, in das man sie zwängt. Wenn man ihnen Raum für eigene Ideen und Kreativität lässt, füllen sie den besser aus als jeder Lehrer“, fasst Paulines Vater Mark Heinemann das Konzept zusammen.

Irgendwann, als er selbst noch Schüler war, hat er mal so ein Theaterstück aufgeführt, „Schule gestern, Schule morgen“, über eine Schule voller Selbstbestimmung. Für ihn war das damals eine Utopie, für Pauline ist es zur Realität geworden.

Es ist eine Schule, wie sie ihre Eltern Susanne und Mark in Hamburg, in Deutschland, vergeblich gesucht haben. „Uns ging es nie darum, dass Pauline auf eine besondere Schule geht. Sondern nur darum, dass eine Schule mit ihrer besonderen Begabung umgehen kann“, sagen die Eltern. „Doch das scheinen die Schulen in Deutschland nicht zu können oder nicht zu wollen.“

Es sind harte Worte. Doch die Eltern wollen nicht anklagen, sondern auf Missstände aufmerksam machen. Sie haben lange damit gehadert, ob sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gehen sollen. „Aber das Thema ist einfach zu wichtig, um länger darüber zu schweigen. Denn zu viele Kinder müssen darunter leiden“, so ihre Intention.

Problem Hochbegabung: Viele Kinder fallen in Deutschland häufig nicht auf

„Es geht nicht, dass hochbegabte Kinder in unserem Schulsystem ständig durch das Raster fallen“, sagt Susanne Heinemann. Sie engagiert sich inzwischen in der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind und weiß, dass Pauline kein Einzelfall ist. Im Gegenteil: So wie ihr geht es den meisten Kindern und Jugendlichen mit einer besonderen Begabung.

Denn auch wenn es an staatlichen Gymnasien und Stadtteilschulen mindestens eine „Fachkraft für Begabtenförderung“ (FBF) gibt, die Konzepte zur Förderung auch von Hochbegabten erarbeiten und weiterzuentwickeln soll – „das reicht in der Regel nicht aus. Die meisten hochbegabten Schüler sind unterfordert, verlieren die Motivation und schotten sich ab.“ So wie der achtjährige Mason, der fast so schlau wie Einstein ist und seit Jahren ebenfalls immer wieder durch das Schulsystem fällt. Seine Familie wollte ebenfalls schon auswandern.

Mit eineinhalb Jahren spricht Pauline in vollständigen Haupt- und Nebensätzen

Auch Pauline war stets unterfordert, hat ihr Potenzial aber immer versteckt. Sie gehört zu den sogenannten internalisierenden Kindern, die ihre Begabung verheimlichen, um in einer sozialen Gruppe nicht aufzufallen. Trotzdem – oder gerade deswegen – „Pauline hat sich in Gruppen immer unwohl gefühlt. Sie wollte nie mit anderen Kindern spielen und hatte extreme Trennungsängste“, erinnert sich ihre Mutter Susanne Heinemann.

Sie ist selbst Psychologin und hat erlebt, wie sich ihre Tochter nach dem Kita-Start „zu einem Schatten ihrer selbst“ entwickelte, wie sie es nennt. „Sie ist nachts plötzlich ständig aufgewacht und hat dann schon geweint, weil sie nicht in die Kita wollte“, sagt Susanne Heinemann.

Als Pauline schließlich kaum noch durchschläft und nur noch weint, nehmen die Eltern sie mit zweieinhalb Jahren aus der Kita. Susanne Heinemann gibt ihren Job auf, um sich um Pauline zu kümmern. Heute sagt die Familie, dass damals ihre Odyssee begonnen hat. Eine Odyssee durch Kitas und Vorschulen, Schulen, Behörden und Beratungsstellen.

Zu Hause ist Pauline wissbegierig und neugierig. Sie will wissen, warum Wasser friert und Eiswürfel schwimmen. Wo der Unterschied zwischen Planeten und Sternen ist und ob die Menschen wirklich typische Eigenschaften entsprechend ihren Sternzeichen haben. Als es während Corona zur Ausgangssperre kommt, stellt sie Dutzende Fragen zum Rechtssystem: Wer darf diese Gesetze machen? Haben die Menschen ein Mitbestimmungsrecht und was ist eine Demokratie? Sie ist damals vier Jahre alt.

Im Kindergarten hat sie nichts davon gefragt. Wenn andere mit Autos und Puppen gespielt haben und Pauline langweilig war, hat sie sich einfach weggeträumt.

„Was ist Demokratie?“, fragt Pauline in der Corona-Zeit. Damals ist sie im Kindergarten

Mehrmals ziehen die Heinemanns innerhalb Hamburgs um, mehrmals hoffen sie auf einen Neustart. Doch sie werden jedes Mal enttäuscht. Sie bemühen sich, Pauline früher einzuschulen, doch keine Schule will sie aufnehmen. Als sie schließlich mit sechs in eine spezielle LemaS-Schule (Leistung macht Schule) für besonders leistungsfähige Schüler und Schülerinnen kommt, glauben sie, dass jetzt alles besser wird. „Dort sagte man zwar sofort, dass es auf der Schule noch nie ein Kind wie Pauline gab, dass man die Reise aber mit uns wagen wolle“, erinnert sich Susanne Heinemann und erzählt von den großen Hoffnungen, die sie sich gemacht hatten.

Doch dann gab es da diesen Schlüsselmoment, wie sie es nennen. Den Moment, als die Kinder bei der Einschulung in der Aula sitzen und der Direktor die Erstklässler fragt, worauf sie sich freuen. Pauline meldet sich und sagt: „Ich freue mich am meisten darauf, dass ich mich jetzt nicht mehr langweilen muss.“

Der Direktor lacht, die Lehrer, die Eltern. Alle, so scheint es Pauline in diesem Moment, lachen über sie. „Damals ist etwas in ihr zerbrochen, das konnte man sofort sehen“, erinnert sich Susanne Heinemann und erzählt, dass Pauline nach drei Wochen nicht mehr in die Schule gehen wollte. In dieser Zeit fängt sie nachts an, sich wieder einzunässen.

Pauline bei ihrer Abreise in die USA. Weil die Familie keine passende Schule fand, zog sie nach Amerika. © privat | Privat

Das Leiden der Hochbegabten: Mit sieben Jahren möchte Pauline nicht mehr leben

Es ist, als ob diese Kinder in einem Kreislauf gefangen sind, aus dem es keinen Ausweg gibt. In dem sich nach jedem Neustart alles wiederholt. Erst die Hoffnung, dann die Enttäuschung. Schließlich die Wut, Verzweiflung und die Hoffnungslosigkeit. Pauline ist sieben, als sie zum zweiten Mal sagt, dass sie nicht mehr leben will. Noch klarer als beim ersten Mal. Damals bekommen ihre Eltern richtig Angst.

Es gibt Gespräche mit den Lehrern, der Schule, dann der BBB, der Beratungsstelle für besondere Begabung. Die Schule äußert den Verdacht, dass Pauline womöglich nicht hochbegabt sein könnte, weil sie im Unterricht keine Leistung zeigt. Die Familie weiß von anderen Eltern, dass das typisch für hochbegabte Kinder ist, dass sich Hochbegabung nicht in Hochleistung zeigt. Es wird ein neuer Test gemacht. Das Ergebnis ist identisch.

Doch es ist zu spät. „Pauline war zu dem Zeitpunkt bereits so traumatisiert, dass sie nicht mehr zur Schule wollte, dass nichts mehr ging“, sagt ihre Mutter. Sie wählt die Worte mit Bedacht, sie weiß, dass die meisten Menschen bei traumatisierten Kindern an Missbrauchsopfer denken oder Kriegsflüchtlinge. Aber sie weiß auch, dass ihr Kind genau das war. Traumatisiert. Sie weiß es als Mutter und als Psychologin.

Eltern schreiben 15 Schulen an. „So ein Kind will niemand haben“

Die Eltern probieren, eine neue Schule für Pauline zu finden und schreiben 15 Schulen an. Nur zwei davon ermöglichen Pauline eine Hospitation. „So ein Kind will niemand haben“, sagt Susanne Heinemann und gibt das wieder, was ihr die Schulen gesagt haben: „Wir wissen nicht, wie man so ein Kind beschulen soll.“

Mit so einem Kind meinen sie Pauline, die in Mathe in Klasse 1 den Stoff von Viertklässlern beherrscht, aber in Deutsch erst altersgemäß lesen und schreiben kann. Lediglich eine Schule will es versuchen, aber nur im geschlossenen Ganztag. Paulines Eltern wissen sofort, dass das zu viel für ihr Kind ist.

Auch interessant

Schultrauma: Ein Psychiater schreibt Pauline mehrere Monate krank

Die Situation ist so dramatisch, dass die Kinderärztin Pauline für mehrere Wochen krankschreibt und zu einem Psychiater schickt. Die Familie muss mehrere Monate auf den Termin warten. Monate, in denen Pauline nicht zur Schule gehen kann.

Für den Experten steht sofort fest, dass Pauline eine Schultraumatisierung hat. Er gibt keine Empfehlung ab, sondern eine Warnung: „Dieses Kind gehört nicht in eine Schule. Erst muss es die Ängste überwinden“, erinnert sich Susanne Heinemann an die drastischen Worte des Psychiaters. Er schreibt Pauline „bis auf Weiteres“ krank und ordnet einen runden Tisch mit Schule und dem Regionalen Bildungs- und Beratungszentrum (ReBBZ) an.

Pauline kann neun Monate lang nicht zur Schule gehen

Was danach kommt, füllt ganze Aktenordner. Wieder gibt es Gespräche, Protokolle werden geschrieben, Maßnahmen diskutiert, beschlossen und beantragt, aber monatelang nicht genehmigt. Es gibt neue Treffen, neue Gespräche, neue Ideen. Pauline ist zu diesem Zeitpunkt bereits seit neun Monaten zu Hause.

„Zuerst hieß es, dass sie Online-Unterricht bekommen soll, bis sie wieder zur Schule gehen kann, dann hieß es plötzlich, dass die Behörde das für Grundschulkinder nicht genehmige“, erinnert sich Susanne Heinemann. Alles zu erklären, das würde den Rahmen sprengen.

Was für sie am wichtigsten, am schlimmsten war: „Nach jedem Gespräch wurden die beschlossenen Maßnahmen revidiert. Wir haben uns als Eltern an jede Absprache gehalten, aber am Ende wurden unsere Nöte und die Vorschläge des Psychiaters komplett übergangen.“ Und dann sei da diese Mail gekommen, in der man ihnen mitteilte, dass man jetzt einen Amtsarzt einschalten werde – und erst danach über weitere Maßnahmen befinden werde. „Und das, obwohl allen Beteiligten klar war, dass die Schulärzte in aller Regel kein besonderes Wissen im Bereich Höchstbegabung haben“, so die Meinung der Heinemanns.

Dramatisch: Pauline zieht sich immer mehr zurück und isst kaum noch

Wenn man sie fragt, wann ihr Vertrauen in das deutsche Schulsystem zerstört wurde, dann nennt sie diesen Augenblick. Als die Mail kam und ihnen plötzlich klar wurde, dass sich niemand an die beschlossenen Maßnahmen halten will und alles wieder von vorne losgeht. Dass sie wieder Monate auf Termine warten müssen und Paulines Zustand immer schlimmer wird. Sie zieht sich damals immer mehr zurück, isst kaum noch und hat jede Nacht Albträume.

„Da ist uns endgültig klar geworden, dass nicht mehr im Sinne von Pauline gehandelt wird, sondern im Sinne eines Systems, das krampfhaft an einer Schulpflicht festhält und dabei das Wohl der Kinder total außer Acht lässt“, so das Resümee der Eltern. „Wir wollten auf keinen Fall unser Kind wie ein Zirkuspferd durch die Manege führen und von allen begutachten lassen.“

Aus diesem Grund schalten die Heinemanns einen Anwalt ein. Nicht, um etwas einzuklagen. Sondern um zu eruieren, welche Möglichkeiten sie in Deutschland noch haben oder ob eine Auswanderung unausweichlich ist.

Weil sich Pauline immer mehr zurückzog und kaum noch essen oder schlafen konnte, schafft sich die Familie den Therapiehund Queenie an. © privat | Privat

Paulines Eltern wollen in Hamburg eine Schule für Hochbegabte gründen – und scheitern

Parallel dazu prüfen sie die Gründung einer eigenen Schule in Hamburg für höchstbegabte Kinder. Es gibt zwar viele Interessenten, doch schnell steht fest, dass sich die Kosten für die Beschulung höchstbegabter Kinder nicht mit dem Schulgeld decken lassen. Das Problem: Das Hamburgische Schulgesetz gibt Privatschulen beim Schulgeld einen Deckel mit. Mehr als 250 Euro dürfen nicht verlangt werden. Es dürfe keine soziale Selektion, orientiert an den ökonomischen Verhältnissen der Eltern, stattfinden, heißt es von der Schulbehörde. 

Das ist der Punkt, an dem sie sich entschließen, Deutschland zu verlassen. Die Familie hat bereits Kontakt zu Schulen in den USA aufgenommen. „Wir wissen, dass wir in der privilegierten Lage sind und ein Umzug möglich war“, sagen die Eltern offen und ehrlich. Sie wissen, dass nicht jeder ein Visum bekommt, die Kosten für eine Auswanderung tragen und für das Schulgeld aufkommen kann.

Schlaue Kinder: Warum Hochbegabung bei Jungen eher entdeckt wird als bei Mädchen

Aber in dieser Geschichte soll es nicht so viel um sie gehen, sondern um Pauline und das Problem, dass vor allem hochbegabte Mädchen oft nicht gesehen werden. „Auf zwei entdeckte hochbegabte Jungen kommt ein hochbegabtes Mädchen, das entdeckt wird – und das liegt nicht daran, dass Jungs schlauer sind, sondern anders wahrgenommen und häufiger getestet werden“, weiß Susanne Heinemann. „Mädchen kompensieren Langeweile oft mit Wegträumen, Jungs mit Lärm und Stören.“

Das ist auch schon Pauline aufgefallen. Dass es Jungen in der Schule viel einfacher haben, öfter drangenommen und ganz anders wahrgenommen werden. „Ziemlich ungerecht“, findet sie das. Als sie drei Jahre alt war, hat sie ihre Mutter mal gefragt, warum in den meisten Kinderbüchern nur von Ärzten und Astronauten die Rede ist. Kaum aber von Ärztinnen und Astronautinnen. Seitdem gendert sie und besteht darauf, dass das auch ihre Eltern machen.

Mehr zum Thema Hochbegabung

Zu schlau für Deutschland? Hochbegabte Pauline wandert mit acht in die USA aus

Vermutlich ist es auch kein Zufall, dass sie eine Hündin hat und keinen Hund. Queenie, fast so eine Art Freundin. Denn Queenie ist ein Therapiehund, der Pauline im vergangenen Jahr, in der größten Krise, emotionalen Halt geben sollte. „Queenie hört sehr gut und man kann stundenlang mit ihr kuscheln“, sagt Pauline.

Da die Heinemanns noch kein Haus in Amerika haben, ist Queenie aktuell noch in Deutschland. Bei einem Kind, das dieselbe Begabung hat wie Pauline. Doch die Familie hofft, dass sie Queenie so bald wie möglich nachholen können. Pauline vermisst Queenie – und ihre beste Freundin in Deutschland.

Jeden Morgen, noch bevor sie in die Schule geht, spielen die beiden Mädchen online zusammen Minecraft und bauen sich ihre eigene Welt. Eine Welt, in der sie sich ohne Worte verstehen und in der man sie versteht. So wie sie sind. Ohne, dass sie sich verstellen müssen.