Hamburg. Petition an Kultusminister hat rasch Tausende Unterstützer. Verein fordert einheitliche Regeln. In Hamburg gibt es nur eine handyfreie Schule.
Eine Elterninitiative aus Hamburg tritt dafür ein, dass Handys für Kinder und Jugendliche bis zum Ende der neunten Klasse aus Schulalltag und Unterricht verbannt werden. Ihr Ziel wollen die Mütter und Väter mit einer Petition auf der Plattform change.org durchsetzen, die in kürzester Zeit rund 10.000 Unterstützer fand.
Was die Hamburger Eltern in ihrem Appell an die am Donnerstag und Freitag tagende Kultusministerkonferenz konkret fordern? Die Smartphones der Kinder sollen während des gesamten Schultages in Handygaragen, Handylockern oder verschließbaren Handytaschen weggeschlossen werden. In den USA nenne man das „Away for the day“ und viele Schulen in Deutschland hätten bereits sehr positive Erfahrungen damit gemacht: Volle Konzentration im Unterricht, bessere soziale Interaktion in den Pausen und eine Entlastung der Lehrkräfte, die nicht mehr Handypolizei spielen müssen. „Deutschland hat hier dringenden Handlungsbedarf“, sagt die Hamburgerin Verena Holler.
Hamburger Elterninitiative will Handyverbot an Schulen – bis 14 Jahre
Der gemeinnützige Verein hinter der Petition, über den das Abendblatt bereits berichtete, heißt „Smarter Start ab 14“. Er bringt auf seiner Internet-Plattform bundesweit Eltern zusammen, die ihren Kindern frühestens mit 14 Jahren ein Smartphone kaufen möchten. Den meisten Müttern und Vätern sei nicht wohl dabei, den Nachwuchs immer früher mit einem internetfähigen Handy auszustatten, hatte Verena Holler festgestellt. Der Verein bietet sie Eltern die Möglichkeit, sich zu vernetzen.
Wenn sich nur ein paar Mütter und Väter in einer Klasse oder Jahrgangsstufe einig sind, dann können sie sich dem wachsenden Druck entgegenstellen. Sie registrieren sich mit Namen, Schule und Jahrgangsstufe des Kindes und werden benachrichtigt, wenn sich andere Eltern aus der selben Jahrgangsstufe anmelden. Mittlerweile haben sich deutschlandweit an mehr als 500 Schulen entsprechende Elterngruppen gebildet. In Hamburg sind mehr als 2000 Familien über den Verein vernetzt, um gemeinsam die Handynutzung an ihren Schulen einzudämmen. Holler, die Sprecherin des Vorstands von „Smarter Start ab 14“ ist, sagt: „Die Kindheit ist zu kurz, um sie an ein Smartphone zu verschwenden.“
Handyverbot an Schulen: Gegen Ablenkung, Konzentrationsschwäche, Cybermobbing
In ihrer Petition listen die Eltern die vielen Nachteile intensiver Handy-Nutzung an Schulen auf: Da ist die permanente Ablenkung im Unterricht, Störung des Unterrichts durch ständige Benachrichtigungen, eingeschränkte Konzentration und Gedächtnisleistung, KI-Anwendungen als digitaler „Spickzettel“, Vandalismus durch Challenges, Cyber-Mobbing und weniger soziale Interaktion in den unterrichtsfreien Zeiten. Um sich dem Sog und der Sucht, die von Handys ausgingen, zu widersetzen, „ist ein hohes Maß an Selbstkontrolle und Selbstregulation nötig. Gerade diese fehlt im Kindes- und Jugendalter aber.“ So seien Aufklärung und die Vermittlung von Medienkompetenz zwar essenziell, reichten aber bei Weitem nicht aus.
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Viele Kinder seien suchtgefährdet, wie neue Studien zeigen. „Deshalb geht es nicht nur um bessere Bildung, sondern auch um die mentale und psychische Gesundheit von Kindern“, so Holler, die selbst drei Kinder hat. Die Elterninitiative tritt für eine einheitliche Regelung ein. „Es darf nicht einzelnen Schulen aufgebürdet werden, um einen Konsens zwischen allen Beteiligten zu ringen“, sagt Verena Holler.
Wie Schulen in Hamburg die Nutzung von Handys regeln
In Hamburg aber ist es tatsächlich den einzelnen Schulen überlassen, jeweils eine Regelung zum Umgang mit Handys zu finden. Laut Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) sei die Freiheit, die Schulen bei der Gestaltung des Handyverbots eingeräumt wird, ein „wichtiger Erfolgsfaktor für unser Schulsystem auch im bundesweiten Vergleich“, wie sie dem Abendblatt im Frühjahr gesagt hatte. Als erste Schule in der Hansestadt hat das Christianeum in Othmarschen kürzlich einen Schlussstrich gezogen und sich zur handyfreien Schule erklärt. Seit den Sommerferien greift das Verbot. Am Wilhelm-Gymnasium in Harvestehude dürfen Handys bis zur Mittelstufe einschließlich nur „ausgeschaltet und unsichtbar“ mitgenommen werden. Eine liberale Regelung zur Handynutzung gilt für Schülerinnen und Schüler der Lessing-Stadtteilschule in Hamburg-Wilstorf. Handys sind dort in der Pause erlaubt und im Unterricht nach Aufforderung der Lehrer.
Die Stadtteilschule am Hafen hat sich bereits 2019 für ein dreistufiges Handyverbot entschieden. Schüler der Jahrgänge fünf bis sechs müssen ihre Handys über den gesamten Schultag in sogenannten „Handygaragen“ abgeben, wie auch der Verein sie in ihrer Petition jetzt fordert. Die Jahrgänge sieben bis neun müssen ihre Mobilgeräte ebenfalls in den Garagen abgeben. In den Pausen können die Handys aber genutzt werden. Ab Jahrgang zehn bestehe zwar keine Pflicht mehr, das Handy abzugeben, jedoch sei die Nutzung während des Unterrichts für nicht schulische Zwecke streng untersagt. Bei einem Verstoß werde das Handy eingezogen und erst am Ende des Schultags zurückgegeben.