Hamburg. Die Aufarbeitung der Steuer-Affäre um die Hamburger Warburg-Bank könnte weitergehen – gegen den Willen von Olaf Scholz und Peter Tschentscher.

Nimmt der parlamentarische Untersuchungsausschuss zu den Cum-Ex-Geschäften vor der Hamburger Bürgerschaftswahl 2025 doch noch eine letzte Wendung? In dieser Woche könnte dieses umstrittene Kapitel eigentlich abgeschlossen sein. Die SPD sieht den damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher und den gleich zweimal vorgeladenen Bundeskanzler und ehemaligen Bürgermeister Olaf Scholz entlastet von den Vorwürfen, politisch Einfluss genommen zu haben auf die Steueraffäre um die Cum-Ex-Geschäfte der Warburg-Bank. Die Opposition vornehmlich aus CDU und Linken hat da eine andere Sicht der Dinge.

Die Leerstellen wegen der legendären Aussprüche von Scholz vor dem Hamburger PUA („Ich kann mich nicht erinnern“) könnten noch gefüllt werden. Eine Schlüsselfigur soll aussagen: Die Linken im Ausschuss wollen den Warburg-Miteigentümer Christian Olearius als Zeugen vorladen. Mit einer Mehrheit könnte das der Ausschuss beschließen.

Olearius war bislang unberührt von der parlamentarischen Aufklärung, weil er bis zur Mitte des Jahres als Angeklagter vor dem Landgericht Bonn stand. Doch dieses Verfahren ist mit einem Einstellungsurteil beendet worden, ohne Freispruch oder Verurteilung. Olearius war gesundheitlich nicht mehr in der Lage, auf Dauer dem Prozess beizuwohnen.

Cum-Ex: Olaf Scholz und die Erinnerungslücken

Der Linken-Obmann im Hamburger Cum-Ex-PUA, David Stoop, sagte dem Abendblatt, Olearius‘ Tagebücher, deren Inhalte zum Teil öffentlich wurden, hätten einen hohen Beweiswert, um die Rolle von Tschentscher und Scholz näher zu beleuchten. „Herr Olearius trägt nicht nur die Verantwortung für den Steuerraub der Warburg Bank, er ist auch ein wichtiger Zeuge zur Aufklärung der politischen Prozesse in der Verwaltung und zur Rolle des damaligen Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz – schließlich belasten die presseöffentlichen Tagebücher von Olearius Scholz schwer.“

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Eine Aussage von Olearius könnte, so Stoop, „vielleicht sogar dem Gedächtnis von Herrn Scholz auf die Sprünge helfen“. Es sei aber nicht klar, ob Olearius aufgrund seines Gesundheitszustandes kommen könne. Dennoch sei eine Aussage im PUA weniger belastend als ein monatelanges Verfahren.

Cum-Ex: Warburg-Banker Christian Olearius und Ex-Staatsanwältin Anne Brorhilker im Clinch

Olearius war nach dem Ende des Prozesses in Bonn gegen die ehemalige Staatsanwältin Anne Brorhilker vorgegangen, der er bei ihren Ermittlungen Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit vorwarf. Sie soll zudem einen „Kronzeugen“ gegen ihn instrumentalisiert haben.

Dieser mutmaßlich in Cum-Ex-Steuerhinterziehungen verwickelte Mann habe als Zeuge vor Gericht mehrfach die Unwahrheit gesagt. Gegen ihn läuft aktuell ein Prozess vor dem Landgericht Bonn, es geht um einen Steuerschaden von 428 Millionen Euro. Eine vermeintliche Kronzeugenregelung hat bei ihm offenbar keine Wirkung entfaltet.

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Die Warburg-Eigentümer Max Warburg und Christian Olearius haben nach eigenen Angaben aus privatem Vermögen 230 Millionen Euro an den Fiskus gezahlt, um einen möglicherweise entstandenen Schaden zu begleichen, „und zwar im Wissen um unsere Unschuld“, wie es hieß. Brorhilker wiederum machte die Hamburger Behörden dafür verantwortlich, zu lange in Sachen Cum-Ex geschlafen zu haben.

In jedem Fall werden die Cum-Ex-Steuerdeals in Hamburg bis zum Jahresende 2024 buchstäblich eine Rolle spielen. Zu Silvester bringt das Deutsche Schauspielhaus erneut „Die gläserne Stadt“ mit Lina Beckmann auf die Bühne, eine „aktualisierte“ Fassung von Nikolai Gogols „Revisor“. Darin spielt nicht nur die Elbphilharmonie eine Rolle, in der die Rolling Stones auftreten sollen, sondern auch dubiose „Mix-Max-Geschäfte“ – eine offene Anspielung auf Hamburger Verhältnisse.