Hamburg. Streit um Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses zu Warburg. Im Kampf gegen Steuersünder soll KI helfen.

Haben sie oder haben sie nicht? Im Herbst 2020 setzte die Hamburgische Bürgerschaft den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) „Cum-Ex Steuergeldaffäre“ ein, um aufzuklären, ob der frühere Bürgermeister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz sowie der heutige Bürgermeister und frühere Finanzsenator Peter Tschentscher (beide SPD) im Jahr 2016 die Entscheidung des Finanzamts beeinflusst haben, rund 47 Millionen Euro an Steuern nicht von der Warburg Bank zurückzufordern.

Doch auch nach drei Jahren, 47 Sitzungen, der Anhörung von gut 50 Zeuginnen und Zeugen und der Sichtung von Hunderttausenden Seiten an Akten gibt es darauf keine klare Antwort. Beziehungsweise: Bevor der PUA am Mittwoch einen mehr als 1000 Seiten starken Zwischenbericht beschließen will, der vor allem Fakten zusammenträgt, aber keine politische Bewertung enthalten wird, gehen die Interpretationen im politischen Raum weit auseinander.

SPD und Grüne: „Es hat keine politische Einflussnahme gegeben“

„Es hat keine politische Einflussnahme gegeben“, hieß es am Montag in einem Fazit von SPD und Grünen. Das hätten alle Zeugen ausgesagt, darunter die acht aus Finanzamt und Finanzbehörde, die im November 2016 diese Entscheidung getroffen hatten. Diese hatten das in ihren Vernehmungen damit begründet, dass seinerzeit nicht klar nachzuweisen gewesen war, das es sich um – inzwischen höchstrichterlich als illegal eingestufte – Cum-Ex-Geschäfte gehandelt habe. Zudem habe man Sorge gehabt, die Warburg Bank durch eine unberechtigte Millionen-Forderung in die Pleite zu treiben und immense Schadenersatzforderungen gegen die Stadt auszulösen.

Trotz des Verzichts auf Rückforderung seien die Ansprüche der Stadt aber nie verjährt, stellten Milan Pein (SPD) und Farid Müller (Grüne) klar. Daher habe die Bank später im Zuge der neuen Rechtssprechung sämtliche Forderungen samt Zinsen beglichen, sodass der Stadt keinerlei finanzieller Schaden entstanden sei.

Linkspartei sieht politische Leitlinie: „Korruption liegt in der Luft“

Ein ganz anderes Bild zeichnete kurz darauf dagegen die Linkspartei. „Korruption liegt in der Luft. Die SPD und der Fall Warburg“, lautet die Überschrift über ihrem Zwischenfazit. Die „Smoking Gun“, also einen Beweis dafür, dass Scholz oder Tschentscher direkt in den Fall eingegriffen haben, habe man zwar nicht gefunden, räumten ihre Abgeordneten Norbert Hackbusch und David Stoop ein. Dafür aber jede Menge „Indizien“ für eine politische „Leitlinie“.

So seien die für Warburg zuständigen Betriebsprüfer im Finanzamt sehr wohl für die Rückforderung gewesen, sie seien aber „kaltgestellt worden“. Ihre Vorgesetzte Daniela P., gegen die die Staatsanwaltschaft Köln wegen Begünstigung ermittelt, habe erst für die Rückforderung plädiert, beim entscheidenden Treffen dann aber dagegen und danach einer Kollegin geschrieben, ihr „teuflischer Plan“ sei aufgegangen.

Auch Rot-Grün kritisiert die Ex-SPD-Politiker Kahrs und Pawelczyk

Nachweislich habe die Bank die früheren SPD-Politiker Johannes Kahrs und Alfons Pawelczyk eingeschaltet, die den Warburg-Gesellschaftern wiederum Termine bei Bürgermeister Scholz besorgt hätten. Kurz darauf sei auf die Forderung verzichtet worden. Beim damals von Kahrs geführten SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte seien später Spenden von 38.000 Euro eingegangen, Pawelczyk sei für seine Lobbyarbeit sogar bezahlt worden. Dass Scholz sich an alle diese Treffen nach eigener Aussage nicht mehr erinnert, kaufe man ihm nicht ab, so Stoop.

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Bemerkenswert: Auch Rot-Grün kritisierte das Verhalten von Kahrs und Paweclczyk, gegen die ebenfalls wegen Begünstigung ermittelt wird: „Beide sind im Namen der Bank aufgetreten. deshalb müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen“, sagte Pein. Auch die Steuerverwaltung habe im Fall Warburg Fehler gemacht, indem sie die behauptete Existenzgefährdung der Bank nicht hinterfragt habe und sie nicht zur Mitwirkung an der Aufklärung gedrängt habe.

Cum-Ex: Künstliche Intelligenz (KI) soll im Kampf gegen Steuertrickser helfen

Damit sich solche Fälle nicht wiederholen, sei unter anderem eine „Task Force“ in der Finanzbehörde gegründet worden und man habe 500.000 Euro zur Verfügung gestellt, um „externe Expertise“ in Anspruch zu nehmen. Außerdem wolle man künftig auch künstliche Intelligenz (KI) im Kampf gegen Steuertrickser nutzen, denn diese könne große Datenmengen, wie sie etwa bei Cum-Ex-Deals anfielen, viel schneller analysieren, so Pein. „Wir wollen Waffengleichheit.“