Hamburg. Erste Vernehmungen: Untersuchungsausschuss nimmt jetzt die frühere Landesbank unter die Lupe. Zeugenliste ist äußerst prominent besetzt.
Mehr als drei Jahre lang ging der Cum-Ex-Untersuchungsausschuss (PUA) der Bürgerschaft der Frage nach, ob der frühere Bürgermeister Olaf Scholz und sein Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) ihre schützende Hand über illegale Geschäfte der Warburg-Bank gehalten hatten. Das auf 1000 Seiten zusammengetragene Ergebnis war ernüchternd: Außer vielen Indizien, dass es eventuell so gewesen sein könnte, wurde kein Beweis dafür gefunden.
Dennoch wendet sich der Untersuchungsausschuss seit diesem Freitag einem weiteren Komplex zu: Zu den Cum-Ex-Geschäften der früheren HSH Nordbank wurden die ersten Zeugen befragt. Die einstige Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein hatte bereits 2013 eingeräumt, dass auch sie in den Jahren 2008 bis 2011 Geschäfte getätigt hatte, mit denen sie den Fiskus um insgesamt rund 112 Millionen Euro an Kapitalertragsteuern geprellt hatte.
Cum-Ex: HSH Nordbank prellte den Fiskus um 112 Millionen Euro
Immerhin zahlte sie die Summe später zurück: inklusive Zinsen 127 Millionen Euro. Doch war das wirklich alles oder war da noch mehr? Dieser Frage will der PUA nun nachgehen – auch auf Drängen der Anwälte der Warburg-Verantwortlichen, die ihre Mandanten zu Unrecht als alleinige Sündenböcke hingestellt sehen.
Als erster Zeuge sagte ein Mitarbeiter des Finanzamts für Großunternehmen aus, der ab 2013 damit beauftragt war, als Betriebsprüfer bei der HSH die Jahre 2008 bis 2011 zu prüfen. Nach seiner Wahrnehmung habe die Bank „in voller Transparenz und Offenheit“ mit den Behörden kooperiert. Die von der HSH bei einer Anwaltskanzlei in Auftrag gegebene Untersuchung zu den Cum-ex-Geschäften, der „Saturn-Bericht“, sei so detailliert gewesen, dass man keinen Grund für eine tiefergehende Prüfung gesehen habe.
Linkspartei wirft Tschentscher mangelnde Aufklärung vor
„Wir hätten es nicht besser machen können“, sagte der Finanzbeamte. Der Bericht habe ihn „schwer beeindruckt“, denn mit dem Werkzeugkasten der Betriebsprüfer sei so eine Untersuchung nicht möglich gewesen. Allerdings räumte der Zeuge ein, dass auch nur 1,6 Vollzeitstellen für die Prüfung der Bank zur Verfügung gestanden hätten. Auf die Frage des Ausschuss-Vorsitzenden Mathias Petersen (SPD), ob er das als ausreichend empfunden habe, sagte der Zeuge: Bei einer Bank mit einer dreistelligen Milliarden-Bilanzsumme seien 1,6 Stellen „sicher nicht ausreichend“.
Diese Fragen sind wichtig, da die Opposition hinterfragen will, inwiefern der damalige Finanzsenator und heutige Bürgermeister Tschentscher die Aufklärung wirklich vorangetrieben hat. „Als Finanzsenator hatte Peter Tschentscher 2013 eine umfassende Aufarbeitung der HSH-Geschäfte versprochen. Dieses Versprechen wurde nie eingelöst“, findet David Stoop, Obmann der Linkspartei im Untersuchungsausschuss. Es gelte es zu klären, inwieweit dabei politische Einflussnahme eine Rolle gespielt haben könnte.
SPD: Cum-Ex-Geschäfte der HSH Nordbank unter CDU-Senat
Ein Hamburger Staatsanwalt wies am Freitag als zweiter Zeuge zurück, dass auf ihn Druck ausgeübt worden sei. Man habe damals keine Emittlungen gegen die HSH aufgenommen, weil die Bank „aktiv an der Aufklärung mitgearbeitet“ habe und es keinen Anfangsverdacht gegen bestimmte Personen gegeben habe.
Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen wollen ihrerseits hinterfragen, welche Rolle der bis 2010 amtierende CDU-Senat gespielt hat und haben unter anderem die früheren Bürgermeister Ole von Beust und Christoph Ahlhaus sowie den ehemaligen Finanzsenator Wolfgang Peiner und den schleswig-holsteinischen Ex-Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (alle CDU) als Zeugen benannt. „Die HSH Nordbank hat unter Aufsicht der CDU-Senate zwischen 2008 und 2011 Cum-Ex-Geschäfte getätigt“, stellte SPD-Obmann Milan Pein fest. „Wir befragen daher die damals politisch Verantwortlichen.“
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Bei der CDU kommt dieser Schachzug nicht gut an: „SPD und Grüne haben da offensichtlich etwas falsch verstanden“, kritisierte Anke Frieling, Obfrau der CDU-Fraktion. Dass die HSH Nordbank Cum-Ex-Geschäfte getätigt habe, sei ja bekannt. Im Untersuchungsausschuss müss es darum gehen, wie der damalige Senat um Scholz und Tschentscher nach dem Bekanntwerden damit umgegangen sei. Frieling warf der SPD vor, „mit Nebelkerzen von der politischen Verantwortung ihres Spitzenpersonals abzulenken“.