Hamburg. Hamburgs größter Arbeitgeber sortiert seine Krankenhäuser neu. Asklepios-Vorstand Joachim Gemmel im Abendblatt über Politik und Patienten.

  • Der Verkauf der Hamburger Krankenhäuser an Asklepios war umstritten
  • 20 Jahre später ist die Bilanz überraschend gut
  • Wie sich der Umbau der Krankenhaus-Landschaft auf Patienten auswirkt

Der Krankenhauskonzern Asklepios ist mit rund 16.000 Mitarbeitern nicht nur einer der größten Arbeitgeber Hamburgs, sondern hat hier auch seinen Unternehmenssitz. Am Sonnabend feiert Asklepios eine 20-Jahre-Party im Hotel Atlantic – mit viel Prominenz. Nach der Corona-Pandemie erholen sich einige Krankenhäuser, andere fürchten die Reform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach und den Bundesländern. Im Abendblatt-Gespräch sagt Asklepios-Vorstand Joachim Gemmel, worauf sich Patienten und die Medizin-Metropole Hamburg einstellen müssen.

Vor 20 Jahren hat Asklepios 74,9 Prozent des damaligen Landesbetriebs Krankenhäuser übernommen. Wenn Sie diese Entscheidung heute in einem Wort oder einen Satz zusammenfassen sollten, was würden Sie sagen?

Das war zum richtigen Zeitpunkt eine richtige Entscheidung für eine gute Gesundheitsversorgung in Hamburg.

Allerdings gab es damals eine ausgeprägte Stimmung gegen die Privatisierung. Hat sich das aus Ihrer Sicht verändert?

Das war lange vor meiner Zeit. Ich glaube, das war die erste Entscheidung in diese Richtung, also Privatisierung eines kommunalen Klinikverbunds. Zudem war es kein Verfahren im Konsens. Ich denke aber, dass die seinerzeit angeführten Sorgen der Gegner der Privatisierung sich nicht bewahrheitet haben.

Es gab zuvor einen Volksentscheid, in dem sich eine große Mehrheit gegen eine Privatisierung aussprach. Das war aber für den damaligen Senat nicht bindend.

Subjektiv mag es noch den einen oder anderen geben, der den damaligen Entscheidungsprozess nicht gut fand. Objektiv war die Entscheidung richtig. Wenn wir die Uhr 20 Jahre zurückdrehen, sehen wir den Landesbetrieb Krankenhäuser in einer dramatischen Situation. Selbst der damalige Leiter, Professor Heinz Lohmann, hat sich für eine Privatisierung ausgesprochen. Der LBK war in keinem guten Zustand, hatte einen riesigen Investitionsstau vor sich hergeschoben und keine Kraft, diesen Investitionsstau aus eigener Kraft aufzulösen. Der LBK hat im Verkaufsjahr mehr als 100 Millionen Euro Minus gemacht. Und die Verluste hatten sich über die Jahre zuvor schon immer weiter angehäuft.

Asklepios Hamburg: „Wie will ich Mitarbeiter bezahlen, wenn ich kein Geld erwirtschafte?“

Der Vorwurf, der immer mitschwang und schwingt, ist: Man darf mit Gesundheit kein Geld verdienen. Allerdings sagt selbst der Chef von Deutschlands größter Krankenkasse, der Techniker, wir brauchen nicht weniger, wir brauchen mehr Ökonomie im Gesundheitswesen. Hat er recht?

Wir brauchen Wirtschaftlichkeit, Unternehmertum und Gestaltungsspielraum. Wir lassen es doch an anderen Stellen auch zu. Nehmen Sie die niedergelassenen Ärzte, die sind Unternehmer. Wenn die nicht wirtschaftlich und effizient arbeiten würden, gäbe es sie nicht mehr. Dort ist es akzeptiert und im Krankenhaus nicht? Wie will ich Mitarbeiter bezahlen, wie die Versorgung der Patienten sicherstellen, wie medizinisch up to date bleiben, wenn ich kein Geld zum Investieren erwirtschafte?

Verdient Asklepios in Hamburg Geld?

Ja. Aber wir schütten nicht aus. Die Gewinne bleiben im Unternehmen und werden hier wieder investiert – in Menschen, Gebäude und Technik. Unser Vorteil ist, dass wir nicht nur ein Krankenhaus sind, sondern ein Verbund. Ganz klassisch: Beim Einkauf können wir unsere Größe nutzen. Wir standardisieren zum Beispiel bei Medizinprodukten – aber nicht auf das billigste, sondern auf das, was unsere Ärzte wirklich einsetzen wollen. Das verhandeln wir dann als Standardprodukt für mehr als 160 Häuser bundesweit. Das ist am Ende besser, als wenn man vor Ort alle Produkte einzeln einkauft – und auch deutlich wirtschaftlicher.

Für die Infrastruktur der Krankenhäuser sind in Deutschland aber die Bundesländer verantwortlich. Kommt Hamburg dieser Finanzierungspflicht etwa nicht nach?

Prof. Stephan Willems und Dr. Samer Hakmi, leitende Ärzte im Herzzentrum des AK St. Georg.
Prof. Stephan Willems und Dr. Samer Hakmi, leitende Ärzte im Herzzentrum des AK St. Georg. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Es gibt eine duale Finanzierung: Investitionskosten sollen – laut Gesetz – zu 100 Prozent von den Ländern getragen, die Betriebskosten, also die Versorgung der Patienten, von den Krankenkassen. Das ist die Theorie. Allerdings kommen die Bundesländer dieser 100-Prozent-Verpflichtung nicht im vollen Umfang nach.

Krankenhaus Hamburg: Bundesländer kommen Investitionspflicht nicht nach

Obwohl Hamburg dazu verpflichtet ist? Das heißt, Sie und die anderen nicht öffentlichen Krankenhäuser müssen eigenes Geld in Ihre Kliniken stecken, um über die Runden zu kommen. Wie ist es mit den Behandlungen?

Wir haben ein gutes, partnerschaftliches Verhältnis zur Stadt. Und die Förderquote Hamburgs liegt über dem Bundesdurchschnitt, aber das Krankenhausfinanzierungsgesetz schreibt eigentlich vor, dass die Investitionen vollständig von den Ländern finanziert werden müssen.

Wenn Sie ein neues Zentrum für, sagen wir: Krebsbehandlungen, bauen wollen, das 100 Millionen Euro kostet, und die Stadt sagt, wir zahlen aber nur 80 Millionen, müssen Sie den Rest selbst aufbringen?

Korrekt. Wir haben in den vergangenen 20 Jahren 1,2 Milliarden Euro an Eigenmitteln in die Krankenhäuser investiert. Ohne unsere Übernahme des maroden LBK wäre Harburg nicht neu gebaut worden, hätte es keine Sanierung am AK Wandsbek gegeben, wären Abteilungen wie die Herzchirurgie und Kardiologie in St. Georg nicht modernisiert und ausgebaut worden. Hinzu kommt, dass in München oder Berlin, wo die kommunalen Krankenhäuser im Jahr mehr als 100 Millionen Euro Defizit machen, diese Verluste von den Städten getragen werden müssen. Insofern belasten wir den Hamburger Haushalt nicht.

Investieren Sie nur in Steine oder auch in Köpfe?

Wir beschäftigen zurzeit etwa 5000 Menschen mehr als vor der Privatisierung.

„Asklepios wird nicht verkauft, sondern bleibt ein Familienunternehmen“

Was ist denn dann Ihr Geschäftsmodell, wenn Sie kein Geld aus dem Unternehmen nehmen?

Es geht um langfristig orientierte, nachhaltige Wertsteigerung.

Und irgendwann wird Asklepios verkauft …

Nein, Asklepios ist und bleibt ein Familienunternehmen.

Im Februar dieses Jahres ist Asklepios-Gründer Dr. Bernard große Broermann gestorben. Was wird aus seinem Erbe?

Dr. Bernard große Broermann gründete Asklepios. Er starb am 25. Februar 2024 im Alter von 80 Jahren.
Dr. Bernard große Broermann gründete Asklepios. Er starb am 25. Februar 2024 im Alter von 80 Jahren. © HA / Mark Sandten | Ha

An der Unternehmenspolitik ändert sich dadurch nichts. Die Überschüsse werden weiterhin regelmäßig in die Kliniken investiert. Dr. Bernard große Broermann hat sichergestellt, dass die Asklepios Gruppe über sein Ableben hinaus dauerhaft in Familienbesitz verbleibt, als Einheit fortbestehen wird und zu jedem Zeitpunkt entscheidungs- und handlungsfähig ist. Das war ihm ein großes Anliegen und sein Verständnis unternehmerischer Verantwortung.

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), früher UKE-Arzt, hat mal gesagt, er würde die Krankenhäuser heute nicht mehr verkaufen. Nehmen Sie das Ihrem 25,1-Prozent-Anteilseigner und Repräsentanten im Asklepios-Aufsichtsrat übel?

Man kann aus unterschiedlichen Positionen auf den damaligen Verkauf schauen. Wir machen eine moderne Gesundheitsversorgung für etwa jeden zweiten Krankenhauspatienten in Hamburg. Ein Drittel unserer Patienten kommt sogar aus dem Umland und entscheidet sich gezielt für unsere Hamburger Kliniken. Nicht zuletzt zahlen wir Steuern, anstatt Verlustausgleich aus Steuermitteln zu fordern. Wenn wir uns die Fakten ansehen, kann ich seine Sichtweise nicht nachvollziehen.

Asklepios zur Krankenhausreform: „Kein Ziel erreicht“

Das UKE macht dieses Jahr 60 Millionen Euro Defizit. Das gleicht die Stadt aus. Wegen leerer Betten durch Corona, gestiegener Betriebskosten, Gehälter und Inflation sind alle Krankenhäuser stark gebeutelt. Ist Asklepios schon wieder im Plus?

Unsere Leistungszahlen sind wieder auf Vor-Corona-Niveau.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach sagt: Hamburg wird von der Krankenhausreform nicht so stark betroffen sein, weil es ohnehin schon eine große Spezialisierung gibt. Hat er recht?

Wir brauchen eine Reform, aber nicht diese. Ich brauche nicht Herrn Lauterbach, der mir sagt, dass es Sinn macht, bestimmte Eingriffe in spezialisierten Zentren zu konzentrieren. Das tun wir längst. Die Herausforderung ist: Perspektivisch werden wir im Gesundheitssystem insgesamt nicht in der Lage sein, den Versorgungsbedarf mit den verfügbaren Kapazitäten zu erbringen.

Sie meinen: Die Gesellschaft altert, wird kränker – und es gibt weniger Ärzte und Pflegekräfte?

Ja. Die ursprünglichen Ziele der Lauterbach-Reform teile ich zu 100 Prozent: mehr Qualität, weniger Bürokratie, eine sachgerechte Finanzierung und eine Antwort auf den Fachkräftemangel. Schaut man jetzt aber darauf, was durch den Bundesrat gegangen ist, ist keines dieser Ziele erreicht. Es ist sogar schlimmer geworden. Bürokratie ist das größte Ärgernis für jeden Mitarbeiter im Krankenhaus. Würde man sie eindämmen, hätten alle mehr Zeit für die Patienten.

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Wer ist dafür verantwortlich? Die Bundesländer? Lauterbach?

Die Politik in Deutschland neigt dazu, immer alles noch kleinteiliger regeln zu wollen. Wir bieten uns immer gerne an, an guten Lösungen mitzuarbeiten. Krankenhäuser und Krankenkassen waren aber während dieser Reform als „Lobbyisten“ ausgeblendet. Da muss man sich nicht wundern, dass so eine Reform dabei herauskommt, wenn man sie ohne die Praktiker macht.

Beispiel Geburten in Hamburg: So absurd ist die Krankenhausfinanzierung

Aber Sie bekommen doch künftig schon mal 60 Prozent des Honorars nur dafür, dass Sie Ärzte, Pflegekräfte und Geräte überhaupt haben, die sogenannte Vorhaltepauschale.

Die Vorhaltevergütung ist eine Mogelpackung. Denn sie ist wieder von den Fallzahlen abhängig.

Das ist die Zahl der Behandlungen und Operationen.

Genau. Entweder bezahle ich Vorhaltung oder nach Fällen. Ich kann nicht sagen: Ich gebe der Feuerwehr erst dann mehr Schläuche, wenn es häufiger brennt. Wir müssen künftig trotzdem mehr Patienten behandeln, um nach den 60 Prozent den Rest der Vergütung zu bekommen. Die Reform sagt: Erst wenn ich 120 Prozent der bisherigen Leistungen erbringe, wird die Vorhaltevergütung drei Jahre später oben angepasst. Unter 80 Prozent geht es nach unten.

Asklepios-Klinikum Altona: Die Notaufnahme ist eine der größten in Hamburg. Im AK Altona werden die meisten Geburten verzeichnet. Auch Schwangere aus dem Umland kommen hierher.
Asklepios-Klinikum Altona: Die Notaufnahme ist eine der größten in Hamburg. Im AK Altona werden die meisten Geburten verzeichnet. Auch Schwangere aus dem Umland kommen hierher. © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Ein Kern der Reform war aber, unnötige Eingriffe zu vermeiden. Heißt das, es gibt doch Anreize, mehr zu operieren?

Das Reformziel wird verfehlt. Nehmen wir ein Beispiel: Die Asklepios Klinik in Altona ist die Klinik in Hamburg mit den meisten Geburten - über 3000. Nach dieser Logik müsste sie über 20 Prozent, also mindestens 601 Geburten mehr machen, um die Vorhaltevergütung zu steigern. Umgekehrt könnte Altona irgendwann nach 2401 Geburten im Jahr Schluss machen, weil es sich dann nicht mehr lohnen würde. Aber sollen wir Schwangere ablehnen? Das würden wir nie tun. Sie merken, wie absurd das ist.

Hamburger Patientinnen und Patienten sind gewohnt, an jeder Ecke alle Arten von Behandlungen und hochspezialisierten Eingriffen und Spitzenmedizin zu haben. Wird es durch die Krankenhausreform auch bei Asklepios Zusammenlegungen von Bereichen geben?

Laut Reform soll die Qualität entscheidend werden. Doch die Politik interessiert lediglich Strukturqualität. Ein Vergleich zur Küche in der Gastronomie: Ich muss nachweisen, welche Qualifikation der Koch hat, wie viele Kochtöpfe und Pfannen ich habe, wie viele Mitarbeiter im Service. Wir reden nicht darüber, wie gut das Essen ist! Die Ergebnisqualität von Behandlungen habe ich dabei also nicht erfasst.

Asklepios-Vorstand Joachim Gemmel: Ärzte sollten frei entscheiden, wohin ein Patient gehört

In Hamburg stehen die freigemeinnützigen Kliniken finanziell unter Druck. Könnten Sie nicht beim Marienkrankenhaus, Wilhelmstift und Groß-Sand den weißen Ritter spielen und sie kaufen?

Damit beschäftigen wir uns aktuell nicht. Im Rahmen der Krankenhausreform wird es Leistungsgruppen geben. Und nicht mehr jedes Krankenhaus wird noch seine bisherigen Leistungen anbieten können.

Ist Asklepios dann nur Gewinner?

Wir bereiten uns darauf vor, dass wir von einzelnen Krankenhäusern Leistungsgruppen übernehmen können, wenn das erforderlich ist.

Asklepios-CEO Joachim Gemmel im Interview.
Asklepios-CEO Joachim Gemmel im Interview. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

In Hamburg machen sich viele Menschen Sorgen, ob es in Zukunft noch genügend Ärzte in den Praxen geben wird, ob die medizinische Versorgung in den Krankenhäusern mit möglicherweise weniger Personal noch geleistet werden kann oder ob es nur noch wenige „Gesundheitsfabriken“ gibt. Wird Hamburg sein Niveau halten?

Ich kann nur für Asklepios sagen, dass wir uns intensiv damit beschäftigen, wie wir auch 2030 ein guter Versorger und ein guter Arbeitgeber für unsere Mitarbeiter sein können. Wir werden uns verändern, müssen ambulante und stationäre Behandlungen verzahnen. Wir fokussieren uns auf Ergebnisqualität. Dazu gehören auch spezialisierte Verträge mit Krankenkassen. Gleichzeitig müssen wir unsere Ressourcen optimal einsetzen, um die bestmögliche medizinische Versorgung anbieten zu können.

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Bedeutet das, dass Sie vermehrt Angebote in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und damit den Praxen Konkurrenz machen?

Asklepios hat in Hamburg sieben Kliniken. Wenn der Patient in eine hineinkommt, kann er sich darauf verlassen, dass wir ihn ganz in seinem Sinne lotsen. Auch in zehn Jahren wird es weiterhin niedergelassene Praxen und Verbünde geben. Wir betreiben beispielsweise bei Kampnagel ein MVZ mit verschiedenen Fachdisziplinen. Das Ziel ist, dass der Patient morgens reinkommt, untersucht wird und nachmittags mit einer vollständigen Diagnose und Therapieempfehlung wieder herausgeht.

Leiden Krankenhäuser nicht darunter, dass mehr ambulant als stationär behandelt werden soll?

Ärzte sollten die Freiheit haben, zu entscheiden, wohin ein Patient gehört, nicht die Politik. Das Schubladendenken hilft da nicht weiter. Nehmen wir den Rückenpatienten. Da sollten Ärzte entscheiden, ob man es zunächst konservativ behandelt, Schmerztherapie anwendet und ganz am Ende vielleicht doch operieren muss. Wenn immer mehr reguliert wird, leiden darunter am Ende vor allem auch die Patienten.