Hamburg. Der Hamburger Krankenhauskonzern spricht von einem „Kulturwandel“. Auch die Ärzte bei Asklepios werden umdenken müssen.
Die Asklepios Kliniken in Hamburg gehen einen neuen Weg bei der Patientensteuerung, der künftig im gesamten Krankenhauskonzern beschritten werden soll. In einer Zusammenarbeit mit zwei Expertinnen der Harvard Business und Harvard Medical School soll ein Konzept der wertebasierten Gesundheitsversorgung entwickelt werden (value-based health care). Asklepios-Medizinvorständin Dr. Sara Sheikhzadeh sagte dem Abendblatt: „Bei value-based health care geht es darum, klinikübergreifend den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen und ihn in die Klinik mit der größten Erfahrung zu bringen. Weil der Patient in unserem Gesundheitssystem über die Sektoren hinweg verloren ist, müssen wir ihn lotsen.“
Das ist tatsächlich so, denn selbst in der gut „sortierten“ Medizin-Metropole Hamburg haben viele den Überblick verloren, wofür die Praxen der niedergelassenen Ärzte zuständig sind, was nur Krankenhäuser machen, wo es Überschneidungen gibt und wo Orientierung. Dr. Google ist selten eine Hilfe. Sheikhzadeh sagte, viele Patienten seien „lost“, also verloren im Dickicht des Gesundheitswesens.
Asklepios-Kliniken Hamburg: Neuer Ansatz zur Patientensteuerung
„Für den Patienten oder den Zuweiser, also den Arzt, der ihn ins Krankenhaus überweist, muss es egal sein, durch welche Asklepios-Tür er hineinkommt. Wir behandeln ihn dort, wo es für ihn am besten ist. Diese neue Zusammenarbeit über die Standorte hinweg ist schon eine Art Kulturwandel“, sagte Sheikhzadeh. Sie kann als Chief Medical Officer auf eine Karriere als Leiterin einer, dann aller Hamburger Asklepios-Notaufnahmen zurückblicken.
Auch in ihrer Vorstandsrolle wollte sie mehr als verwalten. So kam sie auf die Harvard Business School und vernetzte sich unter anderem mit der Gesundheitsexpertin Prof. Susanna Gallani aus Boston. Gallani sagte bei einem Besuch in Hamburg: Ihre Fakultät an der Harvard Business School versorge Experten mit Fallstudien, nicht mit Lehrbuchwissen. Asklepios wurde ein Fall für Harvard. „Auch die Experten können von den Einzelfällen am meisten lernen“, sagte Gallani. „Es gibt keine vorgefertigten Lösungen aus der Dose.“
Führt die Krankenhausreform zu Zusammenlegungen in Hamburg?
Wertebasierte Gesundheitssysteme global zu schaffen, das bedeute: sich auf die Patienten und den Behandlungserfolg zu konzentrieren, ohne dabei Ressourcen zu verschwenden. Gallanis Kollegin Prof. Lidia Moura von der Harvard Medical School (eine Neurologin) sagte, neben der Effizienz sei es wichtig, Ungleichheiten abzubauen. Sie lernte Sheikhzadeh in einer Kaffeepause näher kennen: „Das ist die Zeit magischer Momente.“
Auch interessant
Die Krankenhäuser in Hamburg und Deutschland stehen wegen der großen Reformvorhaben von Bund und Ländern enorm unter Druck, sich neu zu erfinden und zu sortieren. Die sieben Asklepios-Häuser in Hamburg und ihre Patientinnen und Patienten werden das gleichfalls spüren. Vermutlich wird es da und dort zu Zusammenlegungen einzelner Bereiche kommen. Das ist von den Reformern gewollt und wegen möglicher Spezialisierungen sicher im Sinne der Patienten.
- Alarmierende UKE-Studie: Jedes fünfte Kind psychisch belastet
- Prominenter Hamburger Chefarzt geht in den Ruhestand – fast
- Hamburgs Krankenhäuser enttäuscht von Lauterbachs Reform
- Neues UKE-Herzzentrum kommt mit zwei Jahren Verspätung
Asklepios-Vorständin Sara Sheikhzadeh: „Manchmal ist auch der Verzicht auf einen Eingriff sinnvoll“
Nicht weniger leicht als für die gesamte Krankenhauslandschaft ist es für die einzelne Klinik. Asklepios-Vorständin Sheikhzadeh sagte: „Früher gab es den Professor, der sagte: Das ist mein Patient. Natürlich darf sich niemand in seiner Kompetenz zurückgesetzt fühlen, wenn er Patienten an andere Kliniken ,abgibt‘, weil es dort möglicherweise eine noch größere Expertise gibt.“ Aber passieren müsse eben doch etwas. Und manchmal ist das „Sein-Lassen“ sogar medizinisch sinnvoll. Sheikhzadeh sagte: „Ärzte sind darauf trainiert, aus ihrem Blick auf die Patienten zu schauen. Aber wovon profitiert der Patient am meisten? Manchmal ist auch der Verzicht auf einen Eingriff sinnvoll, wenn sich im Einzelfall andere Therapien anbieten.“