Hamburg. Gymnasium in Othmarschen entscheidet sich für Verbot und ist damit Vorreiter in Hamburg. Warum es dazu kam und wie das Prinzip ankommt.

Für viele gehört es schon so sehr zum Alltag, dass man den Eindruck gewinnen könnte, es sei an der Hand angewachsen. Es geht um das Handy. Immer erreichbar, immer online sein, chatten, Videos gucken, Influencern folgen: All das macht einen Großteil des Lebens besonders vieler junger Menschen aus. Nicht so in einer Hamburger Schule.

Denn im Christianeum in Othmarschen hat man nun einen Schlussstrich gezogen und sich zur handyfreien Schule erklärt – ein in Hamburg laut Einschätzung der Schulbehörde einmaliger Vorgang bislang.

Handyfreie Schule in Hamburg: Christianeum in Othmarschen wagt radikalen Schritt

Seit den Sommerferien greift das Verbot. Die strikten neuen Regeln im Umgang mit den Mobiltelefonen sind zuvor gemeinsam beschlossen worden, in einem Gremium aus Lehrern, Schülern und Eltern. Vor den Ferien bekamen alle Schüler einen entsprechenden zweiseitigen Digitalcodex mit nach Hause, den sie unterschrieben wieder mit zurückbringen sollten.

Handyverbot
In der 7d des Christianeums in Hamburg werden vor Schulbeginn Mobiltelefone und Smartwatches eingesammelt – so wie in allen anderen Klassen. Rückgabe ist erst nach Schulschluss. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Jeder Schüler verpflichtet sich demnach zur Einhaltung des Verbots und das sieht so aus: Schüler können ihr Handy, Smartphone oder die Smartwatch zwar ins Gymnasium mitbringen. Vor der ersten Stunde heißt es aber „bitte abgeben“. In eigens angefertigte Holzboxen, die auf dem Lehrerpult stehen, können die Handys hochkant gestellt werden. Anschließend werden sie eingeschlossen. Zurückgegeben werden sie erst nach der letzten Stunde.

Laut Behörde gibt es in Hamburg keine weitere Schule mit so strikten Handyregeln

Die Regelung sieht einige Ausnahmen zum Beispiel für die Oberstufe und vor allem bei der vom Lehrer genehmigten Nutzung für den Unterricht vor. Es gibt aber auch ganz klare Folgen für diejenigen, die sie missachten. Wer zweimal mit Handy erwischt wird, dessen Telefon wird einbehalten. Eltern müssen es dann auslösen. Wer Film- oder Bildaufnahmen macht, muss mit einer Anzeige rechnen.

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So strikte Regeln im Umgang mit Handy und Co. gibt es offenbar noch an keiner anderen Schule in Hamburg. Auf Abendblatt-Anfrage stellt Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde, zwar klar, dass die Behörde keine Statistik zu diesem durchaus diskutierten Thema führe. „Jede Schule kann das für sich entscheiden. Das setzt voraus, dass sich alle, also Lehrer, Schüler und Eltern, einig sind“, erklärt Albrecht. Allerdings sei ihm keine Schule in Hamburg, vor allem keine weiterführende, bekannt, die solch strikte Einschränkungen habe.

Schule Hamburg: Leiter des Christianeums registriert deutlich weniger Probleme

Diese klare Kante scheint offenbar zu funktionieren, wenn man sich am Christianeum umhört. „Die Rückmeldungen sind bislang sehr positiv. Die Lehrer beobachten, dass die Schüler in den Pausen wieder mehr miteinander sprechen und interagieren. Die Atmosphäre ist viel entspannter geworden“, berichtet Stefan Prigge, Schulleiter des Christianeums im Abendblatt-Gespräch. Er habe kaum Mails von Eltern dazu erhalten – und wenn, war es Lob. Das Verbot werde auch von den Schülern schon relativ gut angenommen. Es gebe kaum Verstöße gegen die strikten Regeln und vor allem deutlich weniger Problemfälle im Umgang mit den digitalen Medien.

Handyverbot
Stefan Prigge ist Schulleiter am Christianeum in Othmarschen und zieht nach sechs Wochen Handyverbot eine sehr positive Bilanz. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Genau das war ein Anlass für das Verbot. „Wenn wir in den vergangenen Jahren Zwischenfälle an der Schule hatten, standen sie immer in Verbindung mit Smartphones“, macht Prigge deutlich. Cybermobbing, Ausgrenzung, Verstöße gegen das Recht am eigenen Bild, Einträge in Foren, die sich an der Grenze zu Sexismus oder Rassismus bewegten, und TikTok-Challenges, bei denen über soziale Medien zu teils zerstörerischen Wettbewerben aufgerufen wird. So seien an der Schule beispielsweise die Toiletten verwüstet worden. Einmal sei ein Schüler nicht mehr unterrichtstauglich gewesen, als sich eine Challenge um das Essen von sehr scharfen Sachen drehte.

Leiter des Christianeums in Hamburg: „Schule ist ein Spiegel der Gesellschaft“

„Wir sind als Schule mit mehr als 1000 Schülern ein Spiegel der Gesellschaft“, so Prigge. Und die habe auch die Gefahr der Smartphone-Sucht im Unterschied zu Zigaretten- oder Alkoholkonsum nicht als Problem adäquat wahrgenommen. Das sei ein weiterer Grund für den Schritt gewesen. Die durch Forschungsergebnisse nachgewiesenen negativen Folgen auf das Lernverhalten der Jugendlichen bei zu hohem Handygebrauch ein weiterer.

Handyverbot
Oberstufenschülerinnen und -schüler des Christianeums in Hamburg dürfen im Unterricht für Lernzwecke das Handy nutzen. Helena und Justus vom Schülerrat setzen sich für Änderung des Verbots ein – vor allem auf Reisen. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Und die Schüler? In der 7d geben sie an diesem Morgen so schnell die Handys ab, dass man gar nicht gucken kann. Viele haben schon gar keins mehr dabei. Lohnt eh nicht. Inga Beyer, Pressebeauftragte am Christianeum, sagt: „Gerade in der Unterstufe wirken die Schüler fast erleichtert.“ In der Oberstufe gibt es durchaus schon etwas kritischere Stimmen. Doch auch der gerade neu gewählte Schülerrat war grundsätzlich für das Verbot. Der 17-jährige Artur, der dem Gremium angehört, sagt: „Ein Handy hat in der Schule nichts zu suchen. Es lenkt nur ab.“ Allerdings wünscht er sich wie andere in der Oberstufe, dass man noch über die Ausgestaltung des Verbots in einigen Punkten spricht.

Christianeum: Schüler des Hamburger Gymnasiums kritisieren Handyverbot auf Chorreise

Dass die Handys nun auch auf schulischen Chorreisen verboten sind, findet er nicht in Ordnung. „Ich will nicht eine Woche lang von der Welt abgeschnitten sein“, sagt er. Und Justus (16), der ebenfalls im Schülerrat aktiv ist, fügt hinzu: „Wir werden an dieser Schule zur Selbstbestimmung erzogen, dann sollten wir auch selbstbestimmter über die Nutzung unserer Telefone bestimmen dürfen.“

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„Tradition im Aufbruch“ lautet der Slogan des Christianeums, das zu den besten Gymnasien der Stadt zählt. Inwieweit die Schule mit ihrem radikalen Schritt Aufbruchstimmung in Hamburg verbreitet und ein Vorreiter für andere Lehreinrichtungen wird, wird sich zeigen.