Hamburg. Im Verfassungsausschuss wird die Zusammenlegung diskutiert. Hamburgs Wahlchef Oliver Rudolf benennt viele Risikofaktoren – und scherzt sogar.

„Das müssen Sie sagen: Gehen Sie das Risiko ein?“, fragt Landeswahlleiter Oliver Rudolf im Verfassungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft. In der Sitzung am Donnerstagnachmittag diskutieren die Politiker der Bürgerschaft eine mögliche Vorverlegung der Bürgerschaftswahl auf den 23. Februar. Dort könnte die vorgezogene Bundestagswahl stattfinden, sofern die geplante Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz am 16. Dezember scheitert.

Allerdings gibt es zahlreiche Unwägbarkeiten und Risikofaktoren. Angefangen mit der Vertrauensfrage im Bundestag, gefolgt von der Entscheidung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, den Bundestag daraufhin aufzulösen und den Weg für Neuwahlen freizumachen. Denn bisher ist der 23. Februar nur ein theoretischer Termin. Trotzdem wird in Hamburg über eine vorgezogene Bürgerschaftswahl gesprochen.

Hamburg: Viele Zweifel über eine vorgezogene Bürgerschaftswahl 2025

Grundsätzlich müssen für die Rechtssicherheit einer Wahl bestimmte Faktoren gegeben sein: Die Entscheidung dafür dürfe nicht willkürlich sein, die Chancengleichheit der Parteien müsse gewahrt werden, und es gibt ein „Gebot des Vertrauensschutzes“. Demnach müssen sich Parteien auf die vorgegebenen Fristen verlassen können. Eine Verlegung könne nur dann in Betracht gezogen werden, wenn der Grund dafür ein besonders Gewicht habe, erklärt Rudolf. Ansonsten bestünden große Rechtsunsicherheiten.

„Sollte die Wahl wiederholt werden müssen, hätten wir auf jeden Fall einen getrennten Wahltermin“, scherzt der Landeswahlleiter, obwohl ihn die Risiken eines neuen Wahltermins offenkundig umtreiben. Zweifel werden in dieser Sitzung viele geäußert: „Besteht auch nur ein Funke an Zweifel, dann sollten wir es nicht machen“, sagt Abgeordnete Lena Zagst (Bündnis 90/Die Grünen).

Bürgerschaftswahl 2025: Probleme könnten auf Ebene der Parteien, aber auch für die Wähler folgen

Die größten Risikofaktoren liegen bei der Einhaltung der Fristen. Diese müssten vorverlegt werden, wodurch die gesetzliche Einhaltung durch alle Wahlprüfungsbeschwerde-Berechtigten angezweifelt werden kann. Wichtig ist dann, ob sich die neuen Fristen auf die Zusammensetzung der Bürgerschaft nach der Wahl ausgewirkt haben. Sollten Auswirkungen bestehen, könnte das Verfassungsgericht die Wahl aufheben.

Aufgestellte Politikerinnen und Politiker könnten aus zwei Gründen bei einer Vorverlegung ihre Wählbarkeit verlieren. Schließlich müssten sie am Tag der Wahl das 18. Lebensjahr erreicht haben und bereits seit einiger Zeit in Hamburg gemeldet sein. Eine Woche könnte demnach darüber entscheiden, ob sie dann gewählt werden können oder nicht. Ein weiteres Problem: Womöglich stehen die Namen bereits auf den Stimmzetteln, obwohl sie nicht mehr wählbar sind. „Damit würde unmittelbar in den Wahlvorschlag einer Partei eingegriffen werden, und das ist nicht änderbar“, sagt Rudolf. Die betroffene Partei könnte keinen neuen Kandidaten mehr aufstellen. „Das ist ein gravierender Punkt aus meiner Sicht“, fügt der Landeswahlleiter hinzu.

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Die Reihenfolge auf den Stimmzetteln könnte sich ändern, wenn eine Partei für einen bestimmten Wahlkreis aufgrund des Alters oder des Wohnortes kurzfristig einen Kandidaten verliert. Somit könne die rechtmäßige Reihenfolge auf den Zetteln nicht eingehalten werden und sei anfechtbar, sagt Rudolf.

Hamburger Bürgerschaftswahl: 40 Jahre altes Urteil könnte ausschlaggebend sein

Gab es schon eine ähnliche Situation, die Rechtssicherheit für die Entscheidung liefern könnte? In einem Urteil des Verfassungsgerichtes von 1983 wurde die Rechtmäßigkeit einer vorgezogenen Landtagswahl in Rheinland-Pfalz bestätigt. Damals hätten die Bundestags- und Landtagswahl ebenfalls kurz aufeinanderfolgend stattgefunden. Das oberste Gericht führte hierbei die Wahlbeteiligung als wichtigen Grund an, um den neuen Termin als rechtskräftig einzuordnen.

Carola Veit, seit 2011 Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, auf der Empore über der Rathausdiele.
Carola Veit (SPD) muss als Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft über die Verfassungsmäßigkeit des Wahl-Prozederes wachen. Können Bundestags- und Bürgerschaftswahl 2025 in Hamburg an einem Tag stattfinden? © Thorsten Ahlf | Unbekannt

Laut Rudolf liegt der Unterschied zu der Bürgerschaftswahl darin, dass die Fristprobleme dort nicht vorgelegen hätten, die es jetzt in Hamburg gibt. Es handle sich bei dem Urteil von 1983 nicht um eine gefestigte Rechtssprechung. „Es ist ein Risiko, mehr kann ich dazu nicht sagen“, betont Rudolf immer wieder.

„Jeder Tag, den wir verlieren, stellt für uns ein Risiko dar“

Mehrfach stellen die Politiker im Ausschuss infrage, inwieweit die Anpassung des Termins zum aktuellen Zeitpunkt sinnvoll ist. Und das auch, weil Rudolf mit eindeutigen Worten die Gefährdung der Wahl benennt: So könne eine fehlerfreie Wahl nur mit einem frühzeitig geklärten Termin gewährleistet werden. „Eine Entscheidung über eine Vorverlegung erst Ende Dezember gefährdet die Wahlorganisation. Jeder Tag, den wir verlieren, stellt für uns ein Risiko dar.“

Dann kommt der Landeswahlleiter zu einem Risikofaktor, der sowohl die Bürgerschafts- als auch die Bundestagswahl in Hamburg nachträglich gefährden könnte. Nach seinen Angaben sei es notwendig, die Stimmzettel separat auszuzählen, da ansonsten der sogenannte „Öffentlichkeits-Grundsatz“ verletzt werde. Dieser besagt, dass Bürger eine Wahl beobachten und nachverfolgen können müssen. „Bei einer parallelen Wahl könnte argumentiert werden, dass nur bei einer Wahl zugeschaut werden konnte.“ Somit seien beide Wahlen anfechtbar: Wer die Bundestagswahl beobachtet, kann nicht genau auf die Bürgerschaftswahl schauen, und andersherum. Der Bruch mit dem Öffentlichkeits-Grundsatz könne „nicht geheilt“ werden, sagt Rudolf.

Bürgerschaftswahl in Hamburg: Wie geht es nun weiter?

Eine schnelle Entscheidung für oder gegen eine Vorverlegung ist für die Wahlorganisation essenziell. Noch am Donnerstagabend wollen sich die Fraktionen beraten. Carola Veit (SPD), Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, betont zum Schluss der Sitzung, dass der Ausschuss nicht zuständig sei, eine abschließende Entscheidung zu fällen. Nach der Sitzung bittet sie um eine zügige Entscheidung. „Ich denke, alle beteiligten Akteure sehen das ähnlich.“