Hamburg. Abendblatt-Umfrage sah Sozialdemokraten bei Bürgerschaftswahl klar vorn. Wie der Forsa-Chef die Situation nach dem Ampel-Aus bewertet.

Seit vielen Wahlen ist es dasselbe Muster: Die SPD in Hamburg schneidet bei Bürgerschaftswahlen deutlich besser ab als bei Bundestagswahlen. Für die CDU in der Hansestadt wiederum läuft es bei Bundestagswahlen klar besser als bei den Abstimmungen über die Zusammensetzung des Landesparlaments. Dieser Trend bestätigt sich auch in der jüngsten, exklusiven Meinungsumfrage im Auftrag des Hamburger Abendblatts. Demnach landet die SPD bei 30 (Bürgerschaft) bzw. 21 Prozent (Bundestag), die CDU bei 21 bzw. 25. Das hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa ermittelt – und zwar Ende Oktober und damit wenige Tage vor dem Koalitionsbruch in Berlin.

Statt mit einem halben Jahr Abstand, fallen die Bürgerschaftswahl (2. März 2025) und die Bundestagswahl nach dem vorzeitigen Ampel-Aus in Berlin jetzt aber auf denselben oder zumindest einen zeitnahen Termin. Ist das ein Nachteil für die SPD? Profitiert die CDU in Hamburg bei der Bürgerschaftswahl von einer Scholz- und Ampel-Verdrossenheit auf Bundesebene? Der Forsa-Chef glaubt nicht daran. „Die Wählerinnen und Wähler wissen zu differenzieren. Sie werden zwischen den beiden Wahlen unterscheiden, selbst wenn sie zeitlich dicht beieinanderliegen“, sagt Manfred Güllner.

Ampel-Aus: Zwei Wahlen im Frühjahr – schadet das der SPD in Hamburg?

Der Meinungsforscher rechnet nicht damit, dass eine auf Januar, Februar oder März vorgezogene Bundestagwahl deutlich auf die Bürgerschaftswahl ausstrahlen wird. Die Wählerinnen und Wähler setzten sich bei der Abstimmung über das Landesparlament mit Hamburger Themen wie der Verkehrspolitik des Senats auseinander. Keine andere Thematik beschäftige sie so sehr wie Staus, Baustellen, ausfallende Busse und Bahnen, marode Straßen oder Radwege. Fehlende Wohnungen und teure Mieten, die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge, Armut und Kriminalität – das sind die weiteren Themen, die die Menschen in der Stadt laut der Forsa-Umfrage am stärksten belasten. Sie bestimmten das Wahlverhalten bei der Bürgerschaftswahl genauso mit wie die Zustimmung für oder Ablehnung von Peter Tschentscher (SPD), Katharina Fegebank (Grüne) oder Dennis Thering (CDU). Die Hamburgerinnen und Hamburger wüssten sehr wohl, dass es bei der Bürgerschaftswahl nicht um Olaf Scholz, Friedrich Merz oder Robert Habeck gehe, glaubt Güllner.

Der Forsa-Chef erinnert an die jüngste Bundestagswahl am 26. September 2021. In Mecklenburg-Vorpommern wurde am selben Tag auch über den Landtag abgestimmt. Die SPD und ihre beliebte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig kamen bei der Landeswahl auf fast 40 Prozent. Gleichzeitig erreichten die Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl keine 30 Prozent der Zweitstimmen, also zehn Prozentpunkte weniger als bei der Landtagswahl. „Die Wählerinnen und Wähler differenzieren, das zeigt auch dieses Beispiel“, sagt Güllner. Was allerdings passieren könne, ist, dass bei einer Wahl von Bundestag und Bürgerschaft an einem Tag die Wahlbeteiligung anziehe.

CDU läge bei Bundestagswahl in Hamburg auf Platz 1

Der Forsa-Chef kann im Rauswurf von Finanzminister Christian Linder (FDP) durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) keinen Befreiungsschlag für die Sozialdemokraten erkennen. „Die Menschen waren die Ampel leid und dürften mit Erleichterung reagieren“, so Güllner. Er erinnert an die Vertrauensfrage, die Gerhard Schröder als Bundeskanzler im Sommer 2005 gestellt habe. Im Juli vor 19 Jahren lag die SPD in Umfragen bei 26 Prozent, bei der Wahl im September führte Schröder die Partei beinahe auf Augenhöhe mit der CDU. Die SPD gewann gegenüber der Juli-Umfrage acht Prozentpunkte hinzu und landete bei 34 Prozent. Selbst wenn der SPD um ihren Spitzenkandidaten Olaf Scholz ein solcher Erfolg noch einmal gelänge – dann läge sie bei rund 24 Prozent. In den aktuellen Umfragen dümpelt sie bei 15 oder 16 Prozent.

Zum Vergleich: Die CDU liegt derzeit in den meisten bundesweiten Wählerbefragungen bei 32 bis 34 Prozent. Die einzige, minimale Chance, die Meinungsforscher Güllner für Olaf Scholz sieht, liege in der Unbeliebtheit des CDU-Spitzenkandidaten begründet, sagt der Meinungsforscher. Nur: „Der aktuelle Merz-Frust ist nicht so groß wie der Laschet-Frust vor drei Jahren“, sagt Güllner. Aus seiner Sicht habe die FDP eine realistische Chance auf einen Wiedereinzug in den Bundestag. Aber eine Mehrheit für eine CDU-FDP-Koalition, die Lindner den Job als Finanzminister retten könnte, sieht Güllner weit und breit nicht.

Größte Zufriedenheit mit Bürgermeister Tschentscher

Bei der Forsa-Umfrage zum Wahlverhalten der Hamburger bei einer Bürgerschaftswahl kam die SPD auf 30 Prozent, Grüne und CDU landeten gleichauf bei 21 Prozent, die AfD blieb einstellig mit acht Prozent, die Linke kämpft demnach um den Wiedereinzug, FDP und BSW würden an der Fünfprozenthürde scheitern. Bei einer Bundestagswahl käme die CDU in Hamburg laut Abendblatt-Umfrage auf 25, die Grünen auf 22, die SPD auf 21, die AfD auf acht, die Linke auf sechs, das BSW auf fünf und die FDP auf vier Prozent. Wie gesagt: Forsa hat 1017 Hamburgerinnen und Hamburger wenige Tage vor dem Ampel-Aus befragt.

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Mit der Arbeit Tschentschers als Bürgermeister zeigten sich laut Forsa 58 Prozent der Befragten zufrieden, mit der seiner Stellvertreterin Fegebank 42 Prozent und der des Oppositionsführers Thering 20 Prozent. Bitter für den CDU-Politiker: 46 Prozent der Befragten gaben an, mit ihm unzufrieden zu sein. Und rund einem Drittel der Hamburgerinnen und Hamburger ist Thering unbekannt.