Hamburg. Neue Bushaltestelle namens „WG Hospitalstraße“ in Altona: Hochbahn erfüllt besonderen Wunsch einer Einrichtung für Demenzerkrankte.

Etwa zehn Hochbahn-Haltestellen gibt es in Hamburg, an denen Wartende bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag Däumchen drehen können. Warten auf Godot – hier kommt kein Bus, niemals. Und genau so soll es auch sein. Denn die täuschend echt aussehenden Bushaltestellen – im Fachjargon Schein-, Pseudo- oder Phantomhaltestellen – sollen Demenzerkrankte davon abhalten, sich davonzumachen, und ihnen ein kleines Stück Alltag zurückgeben.

Hin und wieder fragen Pflegeeinrichtungen bei der Hochbahn Original-Haltestellen an, die als Attrappen therapeutische Anwendung finden sollen. Und das Verkehrsunternehmen, das eine eigene Busmeisterei betreibt, kann ihnen den Wunsch erfüllen. Seit Kurzem gibt es beispielsweise die Haltestelle „WG Hospitalstraße“. Sie befindet sich im Innenhof einer Demenz-WG in Altona.

Demenz: Warum an dieser HVV-Haltestelle in Hamburg nie ein Bus kommen wird

Stünde sie nicht in einem Innenhof, könnte womöglich jeder auf den Fake hereinfallen. Der Mast ist Hochbahn-rot, es wird Werbung für den Hamburger Verkehrsverbund gemacht und sogar einen Schaukasten samt Fahrplan hat die Scheinbushaltestelle. Daneben steht eine Sitzbank. Erst im August wurde die Haltestelle für die Altonaer Demenz-WG aufgebaut.

„WG Hospitalstraße“ hat die Hochbahn, die ihre Beschilderung selbst herstellen kann, auf die Sonderanfertigung gedruckt. Zur großen Freude von Petra Seidel, Angehörigen-Sprecherin der Einrichtung. Ihre eigene demente Mutter und deren neun WG-Mitbewohner würden die neue Haltestelle an der Parkbank gern und oft nutzen, erzählt Seidel.

Demenz-WG Hospitalstraße Altona
Demenz-WG Hospitalstraße in Altona: Die zehn Bewohner haben jetzt eine eigene Haltestelle – an der nie ein Bus halten wird. © Demenz-WG | René Schwerdtel

Menschen mit Demenz entwickeln „Hinlauf-Tendenzen“

„Gerade am Anfang der Krankheitsgeschichte haben Menschen mit Demenz ,Hinlauf-Tendenzen‘“, erklärt Seidel. Das bedeute, dass die Erkrankten plötzlich aufbrechen wollen und meinen, Dinge erledigen zu müssen oder etwas Bestimmtes zu suchen. Das führe dazu, dass die älteren Menschen im schlimmsten Fall ausreißen, oder dass ihnen der Wunsch, aufzubrechen, ständig versagt werden muss.

Abhilfe sollen „Demenz-Haltstellen“ schaffen. „Wir wollen den Impuls, aufbrechen zu wollen, sanft umschiffen“, erklärt Seidel. „Die Haltestelle ist ein Mittel, um zu sagen: ,Komm, wir warten zusammen auf den Bus.‘ Dann setzt man sich hin, erzählt eine Geschichte und oft haben die Menschen dann schon wieder vergessen, weshalb sie überhaupt auf den Bus warten wollten.“ Eine therapeutische Haltestelle sei das quasi, die den Pflegebedürftigen Abwechslung im Alltag biete, sagt Petra Seidel.

Fachbereichsleiter Betriebshöfe und Busanlagen Guido Boegemann, der für die Bereitstellung der Haltestelle mitverantwortlich war, berichtet, dass das Phänomen der „Hinlauf-Tendenzen“ auch dem Verkehrsunternehmen bekannt ist. Immer wieder komme es zum Beispiel vor, dass ältere Menschen bis zur Endhaltestelle in Bussen und Bahnen verweilen. Anschließend stelle sich oftmals heraus, dass die Menschen dement sind und keineswegs vorhatten, am Stadtrand zu landen.

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Demenz-WG in Hamburg – Alternative zu herkömmlicher Pflegeeinrichtung

Bei der „WG Hospitalstraße“ in Altona handelt es sich um keine gewöhnliche Pflegeeinrichtung, sondern um eine sogenannte Demenz-WG. Diese Art der Unterbringung wird im Gegensatz zu einer herkömmlichen Pflegeeinrichtung privat organisiert. Mehrere Angehörige tun sich zusammen, mieten eine größere Wohnung, teilen sich die Kosten für verschiedene Pflegeleistungen und nutzen die Synergieeffekte, die sich aus der Gemeinschaft ergeben – auch in menschlicher Hinsicht.