Hamburg. Nach einer Operation sind viele ältere Menschen im Krankenhaus stark verwirrt. Dafür könnte es einen anderen Grund als Demenz geben.
Es ist offenbar ein Zustand, der sich wie ein Albtraum anfühlt: Plötzlich verliert man die Orientierung, weiß nicht mehr, wo man ist, und fühlt sich verwirrt und ängstlich. Auch Halluzinationen können auftreten. Diese Anzeichen deuten auf eine akute Störung im Gehirn hin, die besonders häufig ältere Menschen im Krankenhaus betrifft. Doch dabei muss es sich nicht unbedingt um Demenz oder Alzheimer handeln
Experten warnen bei akuter Verwirrtheit vor voreiligen Schlüssen. Denn bei einer plötzlichen Verschlechterung von kognitiven Fähigkeiten kommt auch etwas anderes infrage: ein Delir oder Delirium. Ärzte beschreiben mit diesen Begriffen den Verwirrtheitszustand. Im Unterschied zur Demenz entwickelt sich das Delir nicht langsam innerhalb von Jahren, sondern plötzlich innerhalb von Stunden oder Tagen.
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Delir oder Delirium: Symptome überschneiden sich mit Demenz
Diese komplexe und weit verbreitete Komplikation eines Krankenhausaufenthalts könne sich direkt auf die Krankheits- und Sterblichkeitsraten der Patienten auswirken, schreibt Laura Zaurín Paniagua, Professorin für das Fach Altenpflege an der Universität San Jorge, auf „The Conversation“. Daher sei es äußerst wichtig, eine frühzeitige Diagnose zu stellen, um die Krankheit richtig behandeln zu können.
Paniagua beschreibt, woran man eine Episode von Delir erkennen kann. Demnach erleben Beobachter bei den Patienten eine abrupte Veränderung darin, wie aufmerksam oder wach sie sind. Symptome verstärken sich oft in den späten Nachmittags- und Abendstunden (sogenanntes Sundowning), die betroffene Person ist häufig nachts überempfindlich, tagsüber jedoch sehr schläfrig.
Symptome: Gedächtnisverlust, Halluzinationen und Orientierungslosigkeit
Außerdem verschlechtern sich wie bei der Demenz die kognitiven Funktionen dramatisch. Es kommt zu Gedächtnisverlust, Orientierungslosigkeit sowie gestörtes oder unzusammenhängendes Sprechverhalten. Oftmals kann sich eine Person nicht an die letzte Nacht erinnern oder denkt, dass sie zu Hause wäre.
Weitere Symptome können Wahrnehmungsveränderungen oder Halluzinationen, Unruhe oder plötzliche, unvorhersehbare Stimmungsschwankungen sein. Doch wieso treten diese Zustände bei älteren Menschen in Krankenhäusern überhaupt auf?
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Forscher enthüllen: Medikation kann Verwirrtheit auslösen
Dem Universitätsspital Zürich zufolge tritt das Krankheitsbild Delir heute häufiger auf als früher. Das liege vor allem an der gestiegenen Lebenserwartung und den damit verbundenen intensiveren Behandlungen, denen sich Menschen unterziehen müssen. Außerdem ist Delir heute weitaus bekannter als früher und wird dementsprechend öfter diagnostiziert.
Theoretisch kann Delir in jedem Lebensalter vorkommen. Die Wahrscheinlichkeit steigt jedoch mit dem Alter an, besonders, wenn eine Person mehrere chronische Krankheiten hat und verschiedene Medikamente gleichzeitig einnimmt. Eine Operation in einem Krankenhaus und die Narkose können ebenfalls ein Auslöser sein.
Der Krankenhausaufenthalt selbst ist ein zusätzlicher Stressfaktor. Die Erkrankung, Medikamente und die ständigen Unterbrechungen durch Pflegepersonal und andere Patienten, erschweren einen erholsamen Schlaf. Das Risiko an Delir beziehungsweise Delirium zu erkranken, steigt.
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Ärzte: Demenz und Delir können zusammen auftreten
Obwohl Demenz und Delir zwei verschiedene Dinge sind, können sie auch zusammen auftreten, schreibt Panigua auf „The Conversation“. Es sei tatsächlich bei einem Patienten mit diagnostizierter Demenz wahrscheinlicher, dass er während eines Krankenhausaufenthalts ein Delir entwickelt. „Dies kann auf eine Verringerung der kognitiven Reserve zurückzuführen sein, was bedeutet, dass einer Person weniger Gehirnressourcen zur Verfügung stehen, um mit Stresssituationen umzugehen.“
Die gute Nachricht ist, dass Delir behandelt werden kann – je früher, desto besser. Entscheidend ist dabei, dass die Krankheit früh erkannt wird, was bei Patienten mit Demenz, die ähnliche Symptome haben, schwierig ist.
Wird Delir durch ein bestimmtes Medikament ausgelöst, sei die beste Option, es einfach abzusetzen. Wenn die Ursache eine Infektion ist, kann eine Behandlung der Infektion die Symptome lindern. In anderen Fällen hilft eine spezifische pharmakologische Behandlung, Verhaltensstörungen zu kontrollieren. Unabhängig davon sollte ein Arzt bei entsprechenden Symptomen konsultiert werden.
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