Hamburg. Pfleger in Hamburg wegen Körperverletzung vor Gericht. „Ich habe ihn nicht verbrannt.“ 82-Jähriger verstarb später. Wie der Prozess ausging.
Plötzlich diese Unruhe. Eine Mischung aus Schmerzensschreien und Hilferufen ließ die Mitarbeiter in einem Seniorenheim aufschrecken. Wenn Anita M. (alle Namen geändert) sich an die Situation erinnert, spricht sie von einem „Strom“ von Menschen, die nachschauten, was da eigentlich geschehen war.
Die Erklärung fand sich im Zimmer von Pflegeheimbewohner Kurt P. Der 82-Jährige lag im Bett, warf sich hin und her, Teile seiner Hände waren rot verfärbt und hatten offenbar Verbrühungen erlitten. „Er hat mir die Hände mit zu heißem Wasser gewaschen“, rief der Senior immer wieder.
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„Er“ ist demnach jener Mann gewesen, der an diesem Morgen für die Pflege von Kurt P. eingeteilt war, der nach dem Rechten sehen und sich um den demenzkranken Mann hatte kümmern sollen. Hat Martin D. seine Pflichten grob vernachlässigt, seinen Schützling sogar schwer verletzt? Dieser Vorwurf wird dem 28-Jährigen jetzt im Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg gemacht.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Hamburger vorsätzliche Körperverletzung vor, indem er am 16. April 2021 absichtlich die Hände des Seniors unter heißes Wasser gehalten habe. Kurt P. erlitt laut Anklage Verbrennungen zweiten Grades an den Händen. Die Verletzungen mussten operativ versorgt werden.
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Im Prozess lässt der Angeklagte Martin D. durch seinen Verteidiger erklären, dass er „nicht die Hände des Seniors unter das heiße Wasser gehalten“ habe, „weder absichtlich noch versehentlich“. Zwar sei er „genervt“ gewesen, weil der Pflegeheimbewohner sich mit Kot verschmutzt hatte und er als Pflegekraft dies „schon wieder alles wegmachen musste. Aber das ist meine Arbeit.“
Vielmehr habe der 82-Jährige, als er gewaschen werden sollte, selbstständig die Temperaturregler des Wasserhahns verstellt. Kurt P. habe den Hebel „ganz nach rechts“ gedreht, sodass nun sehr heißes Wasser über die Hände des demenzkranken Seniors gelaufen sei. „Die Finger waren an beiden Händen rot.“ Kurze Zeit später hätten sich durch die Verbrühung auch Blasen gebildet.
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Bei früheren Vernehmungen durch die Polizei hatte es noch anders geklungen, was der 28-Jährige zu den Vorwürfen zu sagen hatte. Zwei Kriminalbeamte, die den Vorwürfen einer Körperverletzung nachgingen, bekunden als Zeugen, Martin D. habe laut eigener Aussage selbst die Wassertemperatur hochgestellt.
Dies habe er aus Verärgerung getan, weil er von Kurt P. zuvor unter anderem rassistisch beleidigt worden sei und der Senior ihm stark verschmutztes Wasser ins Gesicht gespritzt habe. Er sei deshalb „wütend gewesen“, sagte Martin D. demnach zu den Kriminalbeamten. Er habe seine Reaktion aber „nicht als Bestrafung“ gemeint. Vielmehr sei er in diesem Moment überfordert gewesen. „Das war dann echt zu viel für mich“, wurde unter anderem aus der Aussage des Beschuldigten dokumentiert.
Laut Zeugen war der Pfleger schockiert, als er vom Tod des Seniors erfuhr
Beide Zeugen erinnern sich daran, dass Martin D. schockiert gewesen sei zu erfahren, dass der Senior dann ins Krankenhaus gebracht werden musste und einige Tage später verstarb. „Ich wusste nicht, dass er danach stirbt“, sagte der Beschuldigte demnach zu den Kriminalbeamten. Der Tod von Kurt P. habe ihn sehr belastet. So sehr, dass er beschloss, sich nicht weiter um alte kranke Menschen kümmern zu können? Kurz danach trennte sich Martin D. jedenfalls von seinem Arbeitgeber und hat danach eine Beschäftigung im Einzelhandel gefunden.
Doch dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen den Verbrühungen der Hände des Seniors und dessen Tod gibt, ist nicht nachgewiesen. Eine Obduktion hatte ergeben, dass Kurt P. mehrere Erkrankungen hatte und diese möglicherweise schon vor dem jetzt verhandelten Vorfall im Altenheim bestanden hatten. Darüber hinaus ist laut der rechtsmedizinischen Stellungnahme zu dem Fall, die im Prozess verlesen wird, ist die Wahrscheinlichkeit, an den Folgen einer Verbrühung der Hände zu versterben, sehr gering. So wurde, nachdem ursprünglich der Vorwurf der fahrlässigen Tötung gegen den Altenpfleger Martin D. im Raum gestanden hatte, schließlich die Anklage wegen Körperverletzung erhoben.
Amtsrichter verhängt Urteil: Diese Strafe bekommt der Angeklagte
Und dieser Vorwurf ist nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft durch die Beweisaufnahme im Prozess erwiesen. Die Vertreterin der Anklagebehörde fordert deshalb eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 30 Euro für Martin D. Die Verteidigung plädiert indes auf Freispruch.
Das Urteil des Amtsrichters: Er verhängt eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 26 Euro gegen den Angeklagten und folgt damit im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Dass es der 28-Jährige war, der das Heißwasser aufdrehte, sei deshalb erwiesen, weil dieser in seiner Vernehmung mindestens dreimal auf entsprechende Fragen der Polizei geantwortet habe, dass er dies getan habe, sagt der Richter.
Zwar war es nach Überzeugung des Richters eine „Kurzschlussreaktion“ von Martin D., dass dieser die Temperatur des Wassers so stark erhöhte. Aber er habe davon ausgehen müssen, dass der Senior sich dadurch Verbrühungen zuziehe. Und damit habe der Altenpfleger sich abgefunden. Der demenzkranke Senior sei hilflos gewesen, betont der Richter an die Adresse des Angeklagten. „Und Sie waren der Garant dafür, dass ihm nichts passiert.“