Hamburg. Zwei Podcasterinnen analysieren die Wahl: Was sie fürchten, warum Trump viel zu verlieren hat und weshalb es in jedem Fall Champagner geben wird.
Hamburg wird für Jiffer Bourguignon und Wendy Brown zur Wahlzentrale: Die beiden Amerikanerinnen, die seit Jahren in Deutschland leben, analysieren im Podcast „Amerika übersetzt“ die US-Politik. Dort wollen sie ihre Beobachtungen mit einem deutschen Publikum teilen. Vor rund fünf Jahren entstand die Idee für den Podcast – heute reflektieren sie auf eine der vermutlich knappsten und sicherlich entscheidendsten Wahlen der US-Geschichte.
Beide bezeichnen sich als „Politik-Nerds“, beide haben sie Väter, die Trump ihre Stimmen geben – was nicht nur für Unverständnis, sondern immer wieder auch für Streitigkeiten sorgt. So habe ein Bruder von Brown keinen Kontakt mehr zu seinem Vater. Diese Zerrissenheit sei nicht nur innerhalb von Familien, sondern im ganzen Land zu spüren, wie die beiden Hamburgerinnen im Interview mit dem Abendblatt erzählen.
US-Wahl: Hamburgerinnen blicken auf Spaltung in den USA – „noch nie so weit auseinander“
Die Stimmung in den USA sei kurz vor der Wahl „angespannt“. „Ich habe das Land noch nie so weit auseinander gesehen“, sagt Brown, die froh ist, in Deutschland zu leben. Die 64-Jährige beschreibt, dass Anhänger beider Seiten sich als feindlich gesinnt betrachten und kaum noch miteinander in Austausch treten. Bourguignon stimmt zu: „In Swing States wie Wisconsin weiß man nicht mehr, auf welcher Seite die eigenen Nachbarn stehen.“
„Leute haben sich stark sortiert“, so Brown, „immer mehr auch geografisch, viele wollen nicht mehr da wohnen, wo die anderen wohnen“. Die Folge: „Die roten Staaten werden also immer roter, die blauen noch blauer.“
Wahlmotive in den USA: Über Geschlechterrollen und „starke Männer“
Brown und Bourguignon beobachten Unterschiede im Wahlverhalten: Während Frauen häufiger demokratisch und progressiv wählen, tendieren junge Männer oft zu den Republikanern. Vor allem Themen wie Abtreibungsrecht und Gesundheitsversorgung sind für viele Frauen entscheidend. Trump hingegen wird von seinen Anhängern oft als „starker Mann“ gesehen, der wirtschaftliche Stabilität und Frieden verspricht.
Bourguignon erklärt: „2015 hat Trump gesagt, er könnte jemand erschießen und würde keine Unterstützung verlieren. Und das ist wahr.“ Die erste Verurteilung eines Ex-Präsidenten, zwei Amtsenthebungsverfahren, Wahlbetrugvorwürfe, seine rassistischen Witze über Puerto Rico: „Trump kann sagen, was er will.“ Mittlerweile könne man nicht mehr von der republikanischen Partei, sondern vielmehr von „Trumps Partei“ sprechen.
„Er kann eine Gruppe Leute lesen und verstehen und er gibt ihnen, was sie wollen“
Es ist viel im Wahlkampf passiert, erinnert man sich beispielsweise an die beiden Attentate auf Trump. Durch das erste habe er einen Schub bekommen, so Bourguignon, die darauf verweist, dass Trump unmittelbar danach seine Faust in die Luft streckte und „fight, fight, fight“ gerufen habe. Trump wisse, was Leute wollen. „Das haben wir in der Politik in modernen Zeiten nie gesehen“, sagt die Frau des Fernsehmoderators Ingo Zamperoni. Der 78-jährige Trump sei kein Politiker, sondern vielmehr ein Fachmann für Marketing. „Er kann eine Gruppe Leute lesen und verstehen und er gibt ihnen, was sie wollen.“
Popkultur und Politik: Einfluss von Prominenten auf die US-Wahl 2024
Prominente wie Taylor Swift und Julia Roberts sprechen sich öffentlich für Kamala Harris aus, andere wie Elon Musk machen Stimmung für Trump. Der Tesla- und SpaceX-Gründer muss sich nun vor Gericht verantworten, weil er Millionen Dollar unter US-Wählern verlost, die eine Petition unterschreiben. Brown betrachtet Musks Einfluss als gefährlich: „Er hat viel zu verlieren, sollte Trump nicht gewinnen.“ Ebenso habe Trump viel zu verlieren, wie seine Freiheit, weil er wahrscheinlich im Gefängnis landet, so Brown, die in Kalifornien ein Weingut betreibt. „Es ist nie gut, wenn Menschen viel zu verlieren haben. Die beiden sind unberechenbar.“
Die beiden Podcasterinnen beschreiben verschiedene Szenarien: Sollte Donald Trump erneut Präsident werden, also Harris unterliegen, seien weitreichende Konsequenzen denkbar: „Die Demokratie ist in Gefahr“, sagt Bourguignon. Brown ergänzt: „Auch seine Position beim Thema Migration ist für viele sehr beängstigend.“ Und: Dass Trump die Vereinigten Staaten in der Welt repräsentieren soll, sei für viele ein „Joke“ („Witz“).
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Sollten die Demokraten gewinnen, werde Trump die Ergebnisse infrage stellen, was in kleineren, radikalisierten Gruppen möglicherweise zu Gewalt führen könnte. „Wenn Trump verliert, dann sagt auch mein Vater, dass es nur sein kann, dass die Demokraten die Wahl geklaut haben“, erzählt Bourguignon. Trump-Anhänger seien bereit, „ihr Land“ zu retten. Ein langer Prozess durch Nachzählungen und möglicherweise gerichtliche Entscheidungen ist denkbar.
US-Wahl: Frau von Ingo Zamperoni betet im Fall der Fälle zu Gott
Von Trumps Wahlerfolg vor acht Jahren seien alle überrascht gewesen, auch der heute 78-Jährige selbst, so Bourguignon. „Er war nicht vorbereitet, dieses Mal gibt es bereits einen Plan, und das ist ‚Project 2025‘, auch wenn er sich davon öffentlich distanziert.“ Und weiter: „Wir wissen, dass Trump nur Leute in der Regierung haben wird, die ihm treu sind.“ Es gebe niemanden, der ihn stoppe. Die Redakteurin der Zeitschrift „Intereconomics“ ist nicht religiös, aber im Hinblick auf dieses Szenario sagt sie: „Lord, help us“ („Gott, hilf uns“).
Vor vier Jahren verfolgten die beiden gemeinsam die Ergebnisse bis in die frühen Morgenstunden, mussten miterleben, wie Trump die Wahl angefochten hat. Den Wahlabend in diesem Jahr, am Dienstag (5. November), werden Brown und Bourguignon wieder zusammen verbringen, diesmal aber in Berlin. „Wir werden auf jeden Fall eine Flasche Champagner öffnen, wenn alles gut zu Ende kommt“, sagt die Podcasterin.
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Und, wenn es für die Harris-Anhängerinnen kein gutes Ende gibt? „Es gibt eine Regelung: Wenn man erfolgreich ist, hat man sich einen Champagner verdient, wenn man verliert, dann braucht man ihn als Trost“, so Bourguignon.