Hamburg. Nach EncroChat haben Ermittler auch geheimen Messenger Sky ECC geknackt. Führt die Spur zu einem der meistgesuchten Männer Europas?
- Prozess in Hamburg um Drogen-App: Drei Angeklagte wegen Sky ECC vor Gericht
- 26-Jähriger erzählt, wie ihn das schnelle Geld lockte – er sich damit aber die Zukunft verbaute
- Einer der meistgesuchten Männer Europas soll bei den Rauschgift-Deals groß abkassiert haben
Es lockte das schnelle Geld. Leicht verdient – und angeblich ohne Risiko. Wer Drogengeschäfte über den Messenger-Dienst Sky ECC abwickelt, bleibt unentdeckt. Die Polizei könne die geheimen Daten nicht entschlüsseln, hieß es. Und die Menschen, die sich hinter Codenamen wie JQ H0 8C oder 7 MOL 2 E verbergen, seien nicht zu identifizieren. Eine sichere Sache also. Wer will noch etwas von dem Kuchen abhaben?
Doch die angeblich so risikofreie Methode, um im Drogengeschäft ganz groß abzukassieren, blieb nicht geheim. Nachdem das Krypto-System EncroChat von französischen Ermittlern geknackt worden war, war auch dessen Verwandter Sky ECC fast wie ein offenes Buch für die Ermittlungsbehörden. Drei Männer, die in diesem Zusammenhang wegen mutmaßlicher Drogendeals ermittelt wurden, stehen zurzeit als Angeklagte im Prozess vor dem Hamburger Landgericht. Ihnen wird Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, teilweise als Mitglieder einer Bande, vorgeworfen. Dabei geht es laut Anklage um Geschäfte mit Kokain und Marihuana, die zwischen Oktober 2020 und Februar 2021 abgewickelt worden sein sollen.
Prozess Hamburg: Man könne „sehr viel Geld verdienen“, hieß es über Sky ECC
Wie man sich offenbar mit Drogendeals ein sorgloses, finanziell abgesichertes Leben erhofft und dieser Traum dann wie eine Seifenblase zerplatzt, zeigt beispielhaft die Aussage des Angeklagten Jonas B. (Name geändert). Der 26-Jährige schildert, dass er schon vor Jahren mit dem Konsum von Marihuana begonnen und dadurch die Drogenszene kennengelernt habe. Schließlich habe ihm ein Bekannter ein Sky-ECC-Handy vermittelt und ihm versprochen, dass man so „sehr viel Geld verdienen“ könne. Diese Aussicht habe ihn ausblenden lassen, dass er sich damit in kriminelle Geschäfte verwickeln lassen würde, schildert der Angeklagte. Er habe für sich und seine Verlobte eine größere Wohnung anmieten und einen Urlaub finanzieren wollen und sich deshalb darauf eingelassen, sich über Sky ECC an Drogengeschäften zu beteiligen.
Im Zuge seiner Tätigkeit im Rauschgift-Milieu hat Jonas B. laut seiner Schilderung auch Kontakt zu jenem Mann gehabt, der den Ermittlungen zufolge bei vielen ganz großen Drogengeschäften die Fäden in der Hand gehabt hat: Mansour Ismail zählt zu den meistgesuchten Verbrechern Europas. Er sei zu einem Treffen mit Mansour Ismail nach Spanien zitiert worden, erzählt der Angeklagte. Dabei sei es darum gegangen, wie die Geschäfte unter anderem in Hamburg abgewickelt werden könnten, wo die Drogen gelagert werden sollten und wie das Rauschgift an die Kunden ausgeliefert werden solle.
Hamburger Angeklagter traf offenbar einen der meistgesuchten Verbrecher Europas
Mansour Ismail habe häufig Anweisungen erteilt. Doch Jonas B. hat sich seiner Darstellung zufolge von dem mutmaßlichen Drogenboss unter Druck gesetzt gefühlt. „Ich hatte ein mulmiges Gefühl ihm gegenüber.“ Schließlich habe er sich entschieden, aus der Szene auszusteigen, erzählt Jonas B. weiter. „Ich habe das Sky-ECC-Handy weggeworfen und allen gesagt, dass ich raus bin.“ Doch er „fürchte“, dass er alle seine Zukunftspläne „mit Sky ECC kaputt gemacht habe“, so der 26-Jährige.
Denn als Jonas B. den Entschluss fasste, aus den Drogenschäften auszusteigen, waren Ermittler wohl längst auf der Spur von Sky ECC und den damit verbundenen Rauschgiftdeals. Im Prozess gezeigte Fotos aus der Ermittlungsakte legen nahe, dass die Polizei quasi mit zusah, wenn Anbieter der Drogen auf ihren Handys Fotos von ihrer Ware präsentierten. Die Bilder zeigten mehrere Knäuel aus Pflanzenfasern, bei denen es sich offenbar um Marihuana handelte, auf einer ausgestreckten Hand. Auf anderen Fotos sind aufgestapelte Quader zu sehen, sehr wahrscheinlich Kokain.
Zeigen verschlüsselte Handys Fotos von Drogen und akribischen Abrechnungen?
Neben diesen Bildern, die laut Ermittlungen auf den Sky-ECC-Handys die Runde machten, lief offenbar auch die Kommunikation, mit der die Deals abgewickelt wurden, über die speziellen Smartphones. Textnachrichten, Zahlenkombinationen und Mitteilungen, die als Aufträge verstanden werden können, waren auf den Displays der Handys zu lesen, ebenso detaillierte Rechnungen. Wie viel Ware abgegeben wurde, wie viel bereits bezahlt ist und wie viel noch geliefert werden muss, sind nur einige der Informationen, die die Nutzer den Ermittlungen zufolge über die Handys weitergegeben haben.
„Das Paket ist unterwegs“, heißt es im Chat an einer Stelle – ganz so, wie man es gemeinhin aus dem Onlinehandel kennt. Nur das „Bro“, mit dem sich die Menschen, die da kommunizierten, gegenseitig ansprachen, passte nicht ganz zu einer seriösen Geschäftswelt. Und als sich offenbar ein Unbekannter meldete, hieß es erstaunt. „Digga, wer war das denn?“
Rekordstrafen in einem anderen Prozess um Drogenhandel
Nach bisheriger Planung könnte der Hamburger Prozess gegen die drei Angeklagten kurz vor Weihnachten beendet sein. Unterdessen ist jüngst ein Prozess im Zusammenhang mit einem Rekordfund von Drogen im Hamburger Hafen gegen eine mutmaßliche Kokainschmuggler-Bande in Belgien zu Ende gegangen. Ein Gericht in Brüssel verhängte gegen zwei Männer, die als Anführer eines Drogennetzwerks angeklagt waren, 17 beziehungsweise 14 Jahre Haft. Insgesamt summierten sich die Freiheitsstrafen gegen die mehr als 120 Angeklagten auf mehr als 700 Jahre. Neun Angeklagte wurden freigesprochen.
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Die Verurteilten sollen im großen Stil Kokain und andere Drogen aus Südamerika und Marokko nach Europa geschmuggelt haben, auch über den Hamburger Hafen. Den Ermittlern gelang es, verschlüsselte Botschaften der Kriminellen zu knacken – etwa auf der Plattform Sky ECC.