Hamburg. Verurteilter Betrüger beschuldigt Insassen von „Santa Fu“, sie hätten mit Drogen gehandelt. Ist der Zeuge jetzt selbst in Gefahr?
- „Deutschlands dreistester Hochstapler“ tritt als Zeuge in Hamburg auf.
- 27-Jähriger war bereits in mehreren Prozessen Kronzeuge.
- Er sagte mehrfach gegen andere Insassen aus „Santa Fu“ aus.
Bei ihm ist Vorsicht geboten. Wenn der verurteilte Betrüger Jakob R. (Name geändert) sich irgendwo blicken lässt, könnte sein Leben in Gefahr sein. Denn es gibt Menschen, die sicherlich überhaupt nicht gut auf den 27-Jährigen zu sprechen sind – Männer mit einer hochkriminellen Vergangenheit zumal, für die sie viele Jahre als Insassen in der berüchtigten Haftanstalt „Santa Fu“ verbringen. Manche von ihnen haben „lebenslänglich“ und nicht mehr viel zu verlieren.
Deshalb gibt es, während Jakob R. jetzt als Zeuge in einem Drogen-Prozess vor dem Amtsgericht aussagt, auch Menschen, die im Verhandlungssaal gut auf ihn aufpassen. Andere warten vor der Tür, wohl aus Sicherheitsgründen, damit dem 27-Jährigen nichts passiert. Auch seinen Namen hat der Hamburger, der schon als „Deutschlands dreistester Hochstapler“ bezeichnet wurde, offiziell geändert. Zudem wohnt er offenbar mittlerweile an einem geheimen Ort und trägt im Prozess während seiner Zeugenaussage über seinem roten Kapuzenshirt eine schwarze Weste, die genauso aussieht wie jene, die Polizisten im Einsatz anhaben, wenn sie vor Schüssen geschützt werden sollen.
Drogenhandel Hamburg: „Das ist wie bei Amazon: bestellen, bezahlen, liefern.“
Und doch gibt sich Jakob R. während seiner Zeugenaussage locker, erzählt munter von Dingen, die er im Gefängnis erlebt habe. Dabei sei er mit anderen Insassen in Kontakt gekommen, die mit Drogen, insbesondere mit Cannabis, gehandelt hätten. Einer dieser Häftlinge soll nach Aussage von Jakob R. der Gefängnisinsasse Stefan T. (Name geändert) sein. Weil der 50-Jährige verdächtig ist, mit den Drogen im Knast gedealt zu haben, sitzt er seit Montag im Prozess auf der Anklagebank.
Gemeinsam mit Stefan T. muss sich dessen Frau vor dem Amtsgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft der 48-Jährigen vor, sie habe Jakob R., als dieser Freigang aus dem Knast hatte, im Juli 2022 im S-Bahnhof Ohlsdorf in einer Brötchentüte ein mit etwa 50 Gramm Marihuana und 50 Gramm des synthetischen Cannabinoids „Spice“ befülltes Kondom übergeben. Dieses Kondom habe Jakob R. dann, in seinem Körper versteckt, in die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel eingeschmuggelt. Dort habe Stefan T. sie entgegengenommen und innerhalb des Gefängnisses weiterverkauft.
„Deutschlands dreistester Hochstapler“ sagt als Zeuge im Prozess aus
Mit Drogenschmuggel oder Drogenhandel habe er nichts zu tun, beteuert der Angeklagte Stefan T., der eine mehrjährige Freiheitsstrafe wegen schweren Raubes verbüßt, über seine Verteidigerin. Er habe Jakob R. zwar gekannt und sei mit ihm sogar gemeinsam in einer „Kochgruppe“ gewesen, doch damit habe sich der Kontakt auch erschöpft. Vor allen Dingen habe seine Frau zu keiner Zeit irgendetwas Verbotenes getan, lässt Stefan T. erklären. Und er selber sei auf einem guten Weg, sich auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten und deshalb sehr bedacht darauf, sich nichts zuschulden kommen zu lassen. Schon gar nicht habe er sich in Drogengeschäfte verwickeln lassen oder diese in Auftrag gegeben.
So knapp die Erklärungen der Angeklagten ausfallen, so ausführlich plaudert Jakob R. als Zeuge. Schon mehrfach hat der Mann, der wegen Betruges zu insgesamt vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war, als „Kronzeuge“ gegen andere Insassen aus „Santa Fu“ ausgesagt. Mehrere weitere Häftlinge sind aufgrund seiner Schilderungen erneut verurteilt worden. Einer, den Jakob R. unter anderem wegen Drogendelikten bezichtigt hatte, ist der wegen zweier Morde verurteilte Fritz A. (Name geändert). Der 64-Jährige hat in Hamburg so lange im Gefängnis wie kein anderer gesessen – rund 40 Jahre hat er hinter Gitter verbracht, unter anderem, weil er einen Mithäftling getötet hatte. Zuletzt ist ein Verfahren, in dem Jakob R. gegen „Rekord-Häftling“ Fritz A. ausgesagt hatte, in der Berufungsinstanz eingestellt worden. Doch da ist immer noch das „lebenslänglich“ von Fritz A. wegen des Mordes in „Santa Fu“.
Prozess in Hamburg: Ist Zeuge nach Aussage selbst in Gefahr?
Auch mit einem anderen Mann, der mehrere Menschen auf dem Gewissen hat und deshalb eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt, hatte Jakob R. in „Santa Fu“ offenbar Kontakt. Die Rede ist von Lutz R., der als „Säurefassmörder“ bekannt wurde. Für diesen habe er Gegenstände besorgt, die im Gefängnis schwer zu bekommen sind, aber nichts Illegales, sagt Jakob R. jetzt als Zeuge. Und mit Drogen habe Lutz R. seines Wissen auch nichts zu tun.
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Wohl aber hätten ihn mehrere andere Insassen von „Santa Fu“ beauftragt, nach seinen Freigängen bei seiner Rückkehr in die Haftanstalt Drogen einzuschmuggeln, erzählt der Zeuge. Einer von ihnen sei der jetzt angeklagte Stefan T. gewesen. Über die Rauschgifttransporte habe es manchmal geheißen: „Das ist wie bei Amazon: Bestellen, bezahlen, liefern“, schildert Jakob R. Als Bezahlung habe er häufiger etwas von dem Cannabis abbekommen. Manchmal hätten er und andere Insassen die Drogen auch gemeinsam konsumiert.
Am Anfang habe er sich eigentlich nicht an irgendwelchen Rauschgiftdelikten beteiligen wollen, betont Jakob R. Doch immer wieder hätten ihn andere Häftlinge angesprochen, ob er nicht doch mitmachen wolle. „Dann war ich in der Spirale drin.“ Der Prozess wird fortgesetzt.