Hamburg. Prozess gegen drei Männer. Was die Staatsanwaltschaft ihnen vorwirft und was ein international gesuchter Mann damit zu tun haben soll.

  • Nach EncroChat setzten Dealer auf Sky ECC. Geheimhaltung war wichtig
  • Hintermann bei zahlreichen Geschäften soll international gesuchter Drogenboss sein
  • Sollten die Geschäfte durch Einsatz von Blaumann und Gabelstapler verschleiert werden?

Ihre Codenamen lauteten beispielsweise JQ H0 8C oder 7 MOL 2 E. Ein vermeintliches Kauderwelsch – doch die Ansprechpartner wussten Bescheid. Hinter den Kombinationen aus Zahlen und Buchstaben verbarg sich sehr wahrscheinlich jemand, der Interesse an Drogengeschäften hatte – und dem Geheimhaltung wichtig war.

So sollten offenbar lukrative Deals diskret abgewickelt werden, in Lagerhallen, in der Nähe von Supermärkten oder Tankstellen. Und vor allem, ohne dass die Polizei davon erfährt. Doch trotz der Verschlüsselung blieben die Rauschgift-Geschäfte, die eine ganze Anzahl von Männern mutmaßlich abwickelte, nicht vor den Ermittlungsbehörden verborgen. Denn die kriminellen Machenschaften sollen über den Messenger-Dienst Sky ECC angebahnt und organisiert worden sein.

Drogen: Geschäfte über Messanger-Dienste abgewickelt?

Dabei handelt es sich quasi um ein Parallelsystem von EncroChat. Und nachdem das Krypto-System EncroChat von französischen Ermittlern geknackt wurde, war wohl auch Sky ECC nicht mehr sicher. Es gab etliche Festnahmen, unter anderem in Hamburg. Doch ein Mann, der bei mehreren der Deals die Fäden in der Hand gehabt haben soll, konnte noch nicht gefasst werden.

Der mutmaßliche Drogenboss Mansour Ismail zählt weiterhin zu den meistgesuchten Verbrechern Europas. Drei andere Männer, die in der Zeit von Oktober 2020 bis Februar 2021 in die Geschäfte mit Kokain und Marihuana involviert gewesen sein sollen, müssen sich seit Dienstag im Prozess vor dem Landgericht verantworten.

Prozess Hamburg: Drei Männer sollen mit Drogen gehandelt haben

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, teilweise als Mitglieder einer Bande, ist der Vorwurf, der den drei Angeklagten im Alter zwischen 25 und 31 Jahren gemacht wird. Laut Staatsanwaltschaft lief beispielsweise ein Deal Anfang Februar 2021 so ab: Der Angeklagte Ahmad A. (Name geändert) ordert bei einem Nutzer von Sky ECC drei Kilogramm Kokain, erweitert dann die Bestellung auf fünf Kilogramm zu einem Kilopreis von 31.000 Euro.

Dann soll Ahmad A. diese Drogen Mansu Ismail sowie weiteren Nutzern zum gewinnbringenden Verkauf angeboten haben. Doch es habe bei dieser Charge Drogen Mängel gegeben, sodass lediglich ein Kilogramm Kokain tatsächlich verkauft worden sei.

Der Auftrag lautete: Eine Lagerhalle anzumieten, um dort Drogen anliefern zu lassen

In einem weiteren Fall soll Mansour Ismail den Angeklagten Ahmad A. beauftragt haben, eine Lagerhalle anzumieten, um Betäubungsmittel anliefern zu lassen. Dies müsse schnell geschehen, die Lieferung sei schon unterwegs. Außerdem sei ein elektrischer Gabelstapler erforderlich, machte der Auftraggeber den Ermittlungen zufolge klar. Und: Arbeiter, die außerdem organisiert werden müssten, sollten zur Tarnung Arbeitskleidung tragen.

Also habe Ahmad A. für mehrere Beteiligte Warnwesten, Handschuhe und Blaumänner organisiert, die sich damit ausgestattet pünktlich für die erwartete Lieferung zur Verfügung stellen sollten. Kurze Zeit später sei eine Menge von 105 Kilogramm Marihuana zum Einkaufspreis von 3350 Euro pro Kilo tatsächlich angeliefert worden, die dann gewinnbringend veräußert werden sollten. Dabei habe die Differenz zum anvisiertem Verkaufspreis bei rund 1200 Euro pro Kilogramm gelegen.

Drogen: Blaumann und Gabelstapler gehörten zum Equipment dazu

Sind also, wie es die Staatsanwaltschaft im Prozess vor dem Landgericht darlegt, die drei Angeklagten Ahmad A., Kenan B. und Björn T. (alle Namen geändert) jeweils zumindest an einigen der in der Anklage aufgelisteten Drogendeals beteiligt gewesen? Gehören sie zu den Personen, die sich hinter den Sky-ECC-Kennungen und den entsprechenden Nachrichten verbargen?

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Im April dieses Jahres erfolgten die Festnahmen der drei jetzt angeklagten Männer. Zwei von ihnen sitzen weiterhin in Untersuchungshaft. Der Prozess ist auf zunächst zehn Verhandlungstage bis zum 18. Dezember terminiert.

Ermittlern geht Drogenpate von Europa ins Netz: Er gilt als „Bindeglied zum Kartell“

Weitaus bekannter als der Messangerdienst Sky ECC ist weiterhin das Handy-Kommunikationswerk EncroChat, über das Schwerverbrecher kriminelle Machenschaften wie Drogenhandel im großen Stil, Erpressung oder sogar Mord abwickeln wollten. Eine Weile lang galten die speziellen Mobiltelefone als sicher, bis französische Ermittler in das Netz eindringen und teilweise sogar „live“ mitverfolgen konnten, wie Verbrechen angebahnt wurden. Es folgten zahlreiche Razzien und etlichen Festnahmen, auch in Deutschland und hier speziell in Hamburg. Diverse Prozesse und schließlich Verurteilungen von Angeklagten waren die Folge.

So ging den Ermittlern beispielsweise auch ein Mann ins Netz, der als der Drogenpate von Europa galt. Die Vorsitzende Richterin in dem Prozess, in dem der 47-Jährige aus Hamburg schließlich im November 2021 zu zwölf Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, nannte den 47-Jährigen auch das „Bindeglied zum Kartell“ und die „Tür“ für den Rauschgifthandel aus Südamerika in den europäischen Markt.