Hamburg. 34-Jähriger soll 80 Gramm Haschisch besessen haben – eines der ersten Verfahren nach dem neuen Gesetz. Was sein Partygast aussagt.
Von Tesafilm bis Tabak: In der Küchenschublade war alles durcheinandergeworfen. Und mittendrin in diesem Chaos ein Klumpen, der verdächtig aussah, sowie zwei Mini-Pakete, in Alufolie eingewickelt. Die auffälligen Objekte entpuppten sich als Haschisch beziehungsweise Marihuana – und weckten damit höchste Aufmerksamkeit der Polizei. War hier ein Dealer am Werk? Oder zumindest jemand, der illegal Cannabis besaß?
Die Geschehnisse vom 8. März 2022 haben jetzt einen Mann vor Gericht gebracht, der sich wegen Verstoßes gegen das Konsumcannabisgesetz in einem Prozess vor dem Amtsgericht verantworten muss. Es ist einer der ersten Prozesse in Hamburg, die nach der teilweisen Legalisierung von Cannabis und nach den neuen Gesetzen, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, verhandelt werden. Maximal 50 Gramm Cannabis dürften nach den seit April geltenden Regeln unter bestimmten Voraussetzungen in den eigenen vier Wänden aufbewahrt werden.
Doch bei Frank P. (Name geändert) sollen es mehr als 80 Gramm gewesen sein, die der 34-Jährige laut Staatsanwaltschaft besessen hat. Und: Der Angeklagte ist Justizvollzugsbeamter. Vor diesem Hintergrund wäre eine solche Straftat besonders schwerwiegend. Nach den früheren Gesetzen wäre der Vorwurf als Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz verhandelt worden.
Prozess Hamburg: Bei der Wohnungsdurchsuchung wurde Cannabis gefunden
„Ich habe noch nie in meinem Leben mit Drogen gehandelt“, beteuert der Angeklagte. „Ich nehme auch keine Drogen.“ Die Annahme, er könne doch mit Cannabis zu tun gehabt haben, ergab sich bei einer Durchsuchung in der Wohnung des Hamburgers durch Beamte der Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE). Diese gingen dem Verdacht nach, dass Justizbedienstete im Auftrag von Gefängnisinsassen Handys hinter Gitter schmuggeln – und sich damit der Bestechlichkeit schuldig machen würden. Doch statt auf Smartphones, die ihr Interesse geweckt hätten, stießen die Ermittler auf Haschisch und Marihuana.
Als es an jenem Morgen bei ihm zur Durchsuchung kam, sei er „neben der Spur“ gewesen, sagt der Angeklagte. Und „sprachlos“, als ihm mitgeteilt wurde, was in seiner Küchenschublade gefunden wurde. Ein Beamter, der bei der Durchsuchung dabei war, erinnert sich, dass der 34-Jährige „überrascht“ gewesen sei, als er mit dem Fund konfrontiert wurde. Danach sei er „ruhig und gefasst“ gewesen.
Einen Monat später wäre der Mann Beamter auf Lebenszeit geworden
Auch jetzt vor Gericht wirkt der Angeklagte geduldig und beherrscht. Dabei steht für ihn einiges auf dem Spiel. Wegen der strafrechtlichen Vorwürfe, die ihm gemacht werden, ist der Justizvollzugsbeamte seit Mitte 2022 beurlaubt – allerdings bei vollen Bezügen. Und zu der Zeit, als er in Verdacht geriet, war er noch Beamter auf Probe. „Einen Monat später wäre ich Beamter auf Lebenszeit geworden“, erzählt er. Laut seiner Darstellung muss das Cannabis über seinen damaligen Mitbewohner in die Wohnung gelangt sein.
Dieser Bekannte habe in den Monaten, in denen sie in einer Art WG zusammenlebten, mehrere Partys gefeiert. „Da war ein ständiges Ein und Aus.“ Es sei wahrscheinlich, dass einer der Gäste Haschisch und Marihuana mitgebracht habe. Und tatsächlich habe später ein für ihn Fremder bei ihm geklingelt und nach dem Haschisch gefragt, das er in der Küchenschublade vergessen habe.
Angeblicher Partygast: „Ich war auf deiner Party und wollte mein Hasch wiederhaben“
Der Ex-Mitbewohner bestätigt diese Darstellung. Und auch jener Mann, dem laut Erzählung des Angeklagten das Cannabis gehörte und es nunmehr zurückholen wollte, macht als Zeuge eine entsprechende Aussage. Er habe damals beim Sport jemanden kennengelernt, der ihn spontan auf eine Party in einer für ihn fremden Wohnung eingeladen habe, erzählt der 28-Jährige. Sein Cannabis habe er in einer Küchenschublade verstaut, „aus Angst, dass es mir sonst jemand wegnimmt“.
In seiner Sporttasche oder seiner Jacke habe er keinen Platz für das Haschisch gehabt. „Die waren voll.“ Als er die Party verließ, habe er schlicht vergessen, das Cannabis wieder mitzunehmen. Eine ganze Weile später habe er dann erneut bei Frank P. geklingelt. Sinngemäß habe er gesagt: „Ich war auf deiner Party und wollte mein Hasch wiederhaben.“ Doch bei dem Zeugen tun sich enorme Erinnerungslücken auf. Wann die Party in etwa stattgefunden habe, wisse er nicht mehr, ebenso wenig, in welcher Gegend Hamburgs. Auch wie er die Wohnung wiedergefunden haben will, kann der Zeuge nicht erklären. Allein daran, dass er das Cannabis in die Küchenschublade gelegt habe, könne er sich erinnern.
Gericht geht von „Gefälligkeitsaussage“ des Zeugen aus – und glaubt ihm nicht
Damit ist die Zeugenaussage nach Überzeugung des Gerichts als erfundene Geschichte entlarvt. Schlüssig sei vielmehr, dass das Cannabis doch dem Angeklagten Frank P. gehörte. Am Ende wird gegen den Justizvollzugsbeamten eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu 80 Euro wegen unerlaubten Besitzes von Cannabis verhängt. „Wir gehen davon aus, dass es Ihres war“, sagt der Richter zur Begründung.
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Dass der Partygast das Haschisch in der Küchenschublade vergessen habe, sei „unglaubhaft und widersprüchlich“. Es handele sich nach Einschätzung des Gerichts um eine „Gefälligkeitsaussage“. Unter anderem sei es „völlig fernliegend“, dass der 27-Jährige Monate, nachdem er sein Haschisch dort angeblich vergessen habe, „auf die Idee kommt, es zurückzuholen“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.