Hamburg. Cyberangriffe, Sabotage, Zivilschutz, Blackouts: Die Innenbehörde erhält 42 neue Stellen. Aber die Bezirke könnten überfordert sein.
- Der Hamburger Senat plant die größte Umgestaltung der Innenbehörde seit Helmut Schmidt
- Die Maßnahmen sollen Hamburg gegen wachsende Bedrohungen wie Cyberangriffe und Klimawandel wappnen
- Bezirke müssen viele der neuen Vorgaben umsetzen, erhalten jedoch vorerst keine zusätzlichen Stellen
Der Hamburger Senat hat sich Gewaltiges vorgenommen. Es geht um nicht weniger als „die größte Umgestaltung der Innenbehörde seit Helmut Schmidt“. Die Krisenbewältigung und der Schutz der Bevölkerung in Hamburg werden völlig neu ausgerichtet. Denn die Bedrohungen nehmen in vielfältiger Weise zu. Mit vielen Maßnahmen will sich die Hansestadt besser gegen die wachsenden Gefahren durch Cyberangriffe, Sabotage, Spionage, militärischen Bedrohungslagen bis hin zu den Auswirkungen des Klimawandels wappnen – eine „Zeitenwende auch in Hamburg“. Der Größe der Aufgabe entsprechend bekommt die Innenbehörde 42 zusätzliche Stellen.
Viele der Maßnahmen umsetzen müssen allerdings die Bezirke als untere Katastrophenschutzbehörden. Sie erhalten vorerst nicht mehr Stellen, obwohl zunächst mehr Personalbedarf angemeldet worden war – und nicht allen schmeckt das. „Alle Vorgaben von oben müssen in den Bezirken von wenigen Menschen umgesetzt werden“, sagt ein Beamter, der im bezirklichen Katastrophenschutz tätig ist.
Katastrophenschutz: Hamburg muss sich gegen „hybride Bedrohungen“ wie Cyberangriffe, Spionage und Sabotage wappnen
Die Bezirke verfügen bisher jeweils über eine oder zwei Stellen hierfür; das in dieser Sache federführende Bezirksamt Hamburg-Mitte über vier Stellen. Der Katastrophenschützer befürchtet, dass die Zentralabteilung in der Innenbehörde Konzepte und Arbeitsaufträge produzieren wird, die vor Ort nicht umgesetzt werden können, und warnt: „Die Bezirke hinken beim Katastrophenschutz hinterher.“
Dass die Aufrüstung im Schutz der Bevölkerung vor Katastrophen und Bedrohungen unverzichtbar ist, daran gibt es auch in Hamburg keinen Zweifel. Wappnen muss sich die Metropole heute nicht mehr nur gegen einzelne Katastrophenfälle, sondern mehr und mehr auch gegen „hybride Bedrohungen“ wie beispielsweise Cyberangriffe, Desinformation, Spionage und Sabotage. Deshalb will die Innenbehörde mit der Neuausrichtung die strategischen Fähigkeiten zur Früherkennung von neuen Bedrohungslagen und eine koordinierte Instanz für die Bereiche der kritischen Infrastruktur und der Cybersicherheit schaffen.
Im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz muss eine ganze Reihe von Behörden in Hamburg zusammenarbeiten. Die Leitung, Koordination und Steuerung hat die Innenbehörde als oberste Katastrophenschutzbehörde. Für Hamburg gilt wie für andere Regionen, „dass auch hier eine strukturelle Stärkung der gesamtstädtischen Krisenbewältigungsfähigkeit und geeignete Strukturen für die Bewältigung von länger andauernden, komplexen und vielschichtigen Krisen und hybriden Bedrohungen bis hin zum Spannungs- oder sogar Verteidigungsfall (Landes- oder Bündnisverteidigung) benötigt werden“, wie es in der Drucksache heißt, die die Bürgerschaft Mitte November beschließen will. „Insgesamt ist eine schnell koordinierte gesamtstädtische Entscheidungs-, Handlungs- und Reaktionsfähigkeit maßgeblich, um den aktuellen und zukünftigen vielfältigen und komplexen Herausforderungen gerecht werden zu können.“
Katastrophenschutz: Für Hamburgs Bezirke gibt es erst später mehr Personal
Den Bezirksämtern seien darüber hinaus feste Aufgaben im Katastrophenfall zugewiesen, etwa die Evakuierung und Notunterbringung der Bevölkerung, die von den Bezirksämtern entsprechend vorzubereiten und im Ereignisfall mit Unterstützung der Kräfte der Katastrophenabwehr durchzuführen sind. Laut einer in der Drucksache aufgeführten Liste der Zuständigkeiten sind die Bezirke von fast ebenso vielen möglichen klassischen Krisenlagen betroffen wie die Innenbehörde, nämlich Sturmfluten, Giftgasereignissen, Kernkraftunfällen, Öl-, Bahn- und Flugunfällen, Störfällen in Betrieben, Großbetrieben, Blindgängerfunden, Infektionen, Tierseuchen und bei der zivilen Verteidigung.
Nach Informationen des Abendblatts sollte das Personal zunächst auch in den Bezirken aufgestockt werden; darüber konnte aber im Senat keine Einigkeit hergestellt werden, da auch andere Behörden dann Bedarfe angemeldet hatten. Nun hat man sich auf ein zweistufiges Verfahren geeinigt. Damit ist Ralf Neubauer, Leiter des in dieser Sache federführenden Bezirks Hamburg-Mitte, wie er sagt, „fein“. Er ergänzt: „Es ist unstreitig, dass auch die Bezirke zeitnah personell aufgestockt werden.“
Innenbehörde analysiert zunächst die Krisenszearien für Hamburg
Infolge veränderter geopolitischer Rahmenbedingungen und Bedrohungslagen einerseits und neuer Krisenszenarien andererseits hätten sich die Anforderungen an die staatlichen Fähigkeiten zur Krisenbewältigung und zum Bevölkerungsschutz grundlegend verändert, heißt es aus der Innenbehörde. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre ließen erkennen, dass die Konzentration auf die Vorbereitung und Abwehr von dem Katastrophenschutz zugrunde liegenden „klassischen Schadensereignissen“ nicht mehr die jetzigen Anforderungen abbildet.
„Daher müssen die strategischen Fähigkeiten zur Früherkennung von neuen Bedrohungslagen und eine zentrale und koordinierende Instanz für die Bereiche der kritischen Infrastruktur sowie der Cybersicherheit geschaffen werden.“ Auch sei eine Ausweitung der zentralen Aus- und Fortbildungs- sowie der Übungsangebote im Hamburger Bevölkerungsschutz notwendig.
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Die Risikoanalysen hätten perspektivisch auch Auswirkungen auf den Hamburger Bevölkerungsschutz und somit auch auf alle Katastrophen- und Krisenbewältigungsbehörden. „Mit dem in der Innenbehörde zunächst zu schaffenden zentralen Bereich wird die Fähigkeit erworben, im engen Dialog mit den Behörden und Ämtern weitere themen- und risikospezifische Krisenszenarien zu analysieren und die daraus resultierenden Bedarfe für verschiedene Behörden und Ämter festzustellen. Dabei soll die behördliche Gesamtstruktur überprüft und wo nötig, weitere Verstärkungsnotwendigkeiten identifiziert werden. Dies wurde in der Drucksache auch genauso festgehalten“, so die Innenbehörde.
„Es gab ursprünglich den Plan, auch andere Behörden aufzustocken, aber dann waren wir uns einig, dass der Personalbedarf hier noch gar nicht abzuschätzen ist“, sagt Bezirksamtsleiter Neubauer. „Die Innenbehörde wird zunächst konzeptionell planen und dann ermitteln, wie hoch der Personalbedarf in den einzelnen Behörden ist.“