Hamburg. Gewerkschaft spricht von „Alarmzeichen“ und geht eine Senatorin besonders an. Lange Verfahren und milde Strafen begünstigten Bandenkriminalität.
- Warnung vor „Klima der Angst in Hamburg“
- Polizeigewerkschaft beklagt unterbesetzte Staatsanwaltschaft Hamburg
- Vor allem bestimmte Stadtteile von Schießereien betroffen
Vor dem Hintergrund mehrerer schwerer Gewaltverbrechen in kurzer Zeit, bei denen Menschen niedergeschossen oder niedergestochen wurden, übt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) scharfe Kritik am Hamburger Senat und insbesondere an Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). Strafen seien zu milde, Verfahren dauerten zu lange. Die Staatsanwaltschaft sei unterbesetzt, so GDP-Landeschef Horst Niens. Das begünstige kriminelle Strukturen und mache sie dreist in ihrem Vorgehen. Gut vier Monate vor der Bürgerschaftswahl Anfang März 2025 sprechen die Polizeigewerkschafter von einem „Alarmzeichen“. Der Landesvorstand verbreitete eine Erklärung. Darin heißt es: „Solche Gewalttaten können ein Klima der Angst weit über das Milieu hinaus verbreiten.“
Tatsächlich ist der Einsatz von Schusswaffen bei Tötungsdelikten gestiegen. Im vergangenen Jahr wurden bei mindestens zehn Taten geschossen. In diesem Jahr sind es bereits sechs. Zwei davon passierten allein am vergangenen Wochenende.
Polizei in Hamburg: Taten weisen auf kriminelles Milieu hin
Nicht nur die Bewaffnung, auch das Vorgehen der Täter weist auf Auseinandersetzungen im kriminellen Milieu hin. So auch bei den letzten beiden Taten. In Billstedt wurde an der Hauskoppel ein Mann erschossen. Ein zweiter wurde durch Messerstiche verletzt. Die Polizei nahm einen 37-Jährigen fest.
In Rahlstedt lauerten am Schimmelreiterweg mehrere Männer einem 23-Jährigen auf und schossen ihn nieder. Die Täter flüchteten in einem Auto. Der 23-Jährige überlebte schwer verletzt.
Polizei Hamburg: „Alarmzeichen“, wenn Banden Streit mit Schusswaffen und Messern austragen
Auffällig für Niens: Es sind oft Randbezirke wie Rahlstedt, Billstedt oder Harburg, bei denen es zu Schießereien kommt. „Die Polizei muss an den Kommissariaten in den Stadtteilen so ausgestattet sein, dass erkannte Treffpunkte Krimineller regelmäßig mit Schwerpunkteinsätzen kontrolliert werden können“, sagt Niens. Er geht davon aus, dass Auseinandersetzungen krimineller Banden für eine Vielzahl der Taten verantwortlich sind. Niens: „Wenn Banden ihre Streitigkeiten auf offener Straße austragen und Schusswaffen und Messer einsetzen, dann muss das ein Alarmzeichen sein.“ Solche Gewalttaten könnten ein Klima der Angst weit über das Milieu hinaus verbreiten. Zuständig für die Polizei ist nicht Justizsenatorin Anna Gallina, sondern SPD-Mann Andy Grote.
- Schon wieder Schüsse: 23-Jähriger in Rahlstedt schwer verletzt
- Toter nach Schüssen in Billstedt – Polizei findet mögliche Tatwaffe
- Mehr Kriminalität: In zwei Stadtteilen häufen sich die Taten
Niens sieht allerdings in hohem Maße die Justiz gefordert. „Die Staatsanwaltschaft und auch die Gerichte sind seit Jahren bekanntermaßen überlastet“, sagt der Gewerkschafter. Das führe zu einer sehr hohen Länge der Ermittlungs- und Verfahrensdauer. „Das wiederum wirkt sich auf die Täter so aus, dass sie sich aufgrund der Dauer, in der scheinbar nichts passiert, sich in Sicherheit wiegen und ihren kriminellen Handlungen weiter nachgehen“, so Niens. Zudem werden Ersttäter immer deutlich milder bestraft als Wiederholungstäter.
Die Verantwortung hierfür trage die Politik – und hier insbesondere die Justizsenatorin. „Die Staatsanwaltschaft muss in Hamburg endlich so aufgestellt werden, dass Verfahren in einer angemessenen Zeit bearbeitet werden können“, so Niens. „Hier gibt es derzeit in Hamburg erhebliche Defizite, die sich auf die Sicherheit in Hamburg auswirken.“
Polizei Hamburg: Thering fordert Verstärkung der zuständigen Dienststellen
CDU-Fraktionschef Dennis Thering sieht sich in seinen Forderungen nach einer stärkeren Bekämpfung der Organisierten Kriminalität bestätigt: Die Taten zeigten „das Ausmaß der Kriminalität durch organisierte Banden bei uns in Hamburg“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Es vergeht kaum ein Monat ohne neue Opfer von Messer- oder Schusswaffenattacken, viele davon begangen von einer zunehmend gewalttätigen Dealerszene 4.0.“
Die brutalen Täter müssten konsequent und zügig verfolgt werden. Dafür müssten die zuständigen Dienststellen im Landeskriminalamt und bei der Staatsanwaltschaft personell so verstärkt werden, dass laufende Ermittlungsverfahren rasch abgeschlossen und kriminelle Strukturen nachhaltig aufgedeckt werden können. „Darüber hinaus brauchen Polizei und Staatsanwaltschaft mehr Befugnisse – der Datenschutz darf nicht länger Täterschutz sein“, sagte Thering.