Hamburg. Hamburger Polizei meldet für 2023 rund 230.000 Straften – auch Gewalt hat zugenommen. Welche Rolle „Kontrolldelikte“ dabei spielen.
Wenn Innensenator Andy Grote (SPD) und der neue Polizeipräsident Falk Schnabel am Donnerstag die Kriminalitätsstatistik für 2023 vorstellen, müssen sie einen Anstieg der Kriminalität auf rund 230.000 Taten verkünden. Das ist der höchste Stand seit 2017.
Die Gewaltkriminalität ist um rund zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Betroffen vom Kriminalitätsanstieg ist vor allem der Bezirk Hamburg-Mitte. Während in den anderen Bereichen der Stadt die gesamte Kriminalität leicht stieg oder auf Vorjahresniveau blieb, weist der Innenstadtbezirk einen Anstieg von mehr als 20 Prozent aus. Das Problem ist auch „hausgemacht“. Viele der Taten sind Kontrolldelikte, die erst durch die hohe Polizeipräsenz ans Licht kommen.
Kriminalität Hamburg: Polizei verzeichnet Anstieg in 2023 – besonders in zwei Stadtteilen
Seit Jahrzehnten konzentriert sich die Kriminalität auf den Bezirk Mitte. 2022 wurde dort rund ein Drittel aller der Polizei in Hamburg bekannt gewordenen Straftaten angezeigt. Innerhalb des Bezirks konzentriert es sich auf St. Georg und St. Pauli. In den beiden Stadtteilen ereignete sich fast die Hälfte aller Straftaten im Bezirk – und damit knapp 16 Prozent der in der gesamten Stadt registrierten Kriminalität.
Noch eklatanter sind die Zahlen bei Rauben. 2174 Taten gab es im vergangenen Jahr. Das ist der höchste Stand in den vergangenen fünf Jahren. Mehr als 21 Prozent der Taten wurden allein in St. Georg angezeigt. Insgesamt waren es 465 Taten, 110 mehr als noch 2022. Das entspricht einem Anstieg von mehr als 20 Prozent. Die Zahl der gefährlichen Körperverletzungen stieg im vergangenen Jahr auf 727 Fälle. Das sind 130 mehr als im Vorjahr, was einem Anstieg von rund 22 Prozent entspricht.
Polizei Hamburg: In St. Georg ist selbst Raub ein „Kontrolldelikt“
Während in allen anderen Hamburger Stadtteilen die ganz überwiegende Zahl der Opfer nach einem Überfall Anzeige erstattet, ist der Raub in St. Georg ein „Kontrolldelikt“. Das heißt: Es sind nicht die Opfer, die die Straftaten anzeigen, sondern Polizisten, die bei Kontrollen darauf stoßen. „Es ist tatsächlich so, dass dort Kollegen angesprochen und ihnen Sachverhalte geschildert werden, die strafrechtlich als Raub einzustufen sind. Dann wird eine Anzeige vor Ort aufgenommen“, sagt ein Beamter.
Dabei handelt es sich in der Regel um Taten, wie sie sonst in anderen Teilen Hamburgs kaum vorkommen. Es sind Fälle wie der, bei denen einem Mann mit Gewalt eine Schlafmatte weggerissen wurde, oder die Auseinandersetzung um eine Flasche Bier. „Das Opfer spricht eine Streife an, wäre aber nie deswegen zur Polizeiwache gekommen“, sagt der Beamte.
St. Georg: Anzeigen aus Drogen- und Obdachlosen-Szene treiben Zahlen nach oben
Am Ende zeigten sich beide Beteiligten, meistens aus der Drogen- oder Obdachlosenszene, gegenseitig an, was die Zahlen noch einmal nach oben treibe. „Am Ende verlaufen solche Anzeigen im Sande, weil das Opfer nie zu einer Vernehmung kommt.“
Die erfassten Straftaten sind auch deshalb gestiegen, weil die „Allianz sicherer Hauptbahnhof“ erfolgreich arbeitet. Hier haben sich die Hamburger Polizei, Bundespolizei, Hochbahnwache und DB-Sicherheit für Kontrollen zusammengetan. Allein die „Quattro-Steifen“, bestehend aus je einem Mitarbeiter, haben im vergangenen Jahr rund 10.000 Personen überprüft. Dazu kamen seit April 2023 insgesamt 368 Schwerpunkteinsätze, aus denen rund 6400 Strafanzeigen hervorgingen.
Hohe Steigerungen bei Drogen, Ladendiebstahl, Schwarzfahren und Hausfriedensbruch
„Die vielen Kontrolldelikte treiben die Kriminalitätszahlen hoch“, sagt ein Beamter. An der Gesamtkriminalität sind sie mittlerweile mit knapp 25 Prozent beteiligt. 58.069 Taten wurden 2023 von der Polizei als Kontrolldelikt eingestuft. Das ist ein Rekord. Rauschgiftkriminalität ist 2023 um 16 Prozent, Schwarzfahren um 35,7 Prozent, Ladendiebstahl um 38,5 Prozent oder Hausfriedensbruch sogar um 82,3 Prozent gestiegen.
„Es ist gut, dass die Polizei hinschaut und Kriminalität aufdeckt“, sagt Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Diese Kriminalität war vorher aber auch schon da.“ Gerade St. Georg und St. Pauli seien hoch belastete Stadtteile. Vor allem in St. Georg spiele sich die Kriminalität oft innerhalb einer geschlossenen Szene ab. Dass die Kriminalität ansteige, habe er erwartet, sagt Thomas Jungfer: „Nach den Corona-Jahren war damit zu rechnen. Das hatte nach dem Kriminalitätstiefststand 2021 ein Jahr später schon begonnen und dürfte im vergangenen Jahr weitergegangen sein.“
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Insgesamt wird Hamburg für 2023 in der Statistik die stärkste Kriminalitätsbelastung seit 2016 ausweisen. In dem Jahr gab es 239.230 erfasste Straftaten. Den Höchststand der Kriminalität hatte Hamburg 2001 erreicht. Damals wie die Statistik 318.528 Straftaten aus.