Hamburg. Beschäftigte stellen Kaffeemaschinen seltener an. Modernisierung sollte 2027 fertig sein. Doch nicht einmal Beginn der Sanierung ist in Sicht.
- Umbau des Strafjustizgebäudes in Hamburg sollte 2027 fertig sein, jetzt wird erst frühstens 2029 begonnen.
- Hier werden täglich große Prozesse verhandelt; mindestens fünf weitere Gerichtssäle werden benötigt.
- Beschäftigte sollen Kaffeemaschinen nur noch selten angeschalten, damit das Stromnetz nicht überlastet wird.
Es stammt aus der Zeit, als Wilhelm I. Kaiser von Deutschland war. Seit 1882 thront das Strafjustizgebäude am Sievekingplatz, und bis heute beeindruckt der Renaissancebau mit seiner imposanten Fassade. Doch die Räumlichkeiten stoßen an ihre Grenzen – sowohl in Bezug auf das Platzangebot als auch technisch. Dafür, wie das Gebäude, in dem jeden Tag vielfach in Prozessen über Gefängnisstrafe und Freispruch entschieden wird, für die Zukunft fit gemacht werden soll, gibt es seit Längerem ambitionierte Pläne. Doch wann werden diese tatsächlich umgesetzt? Womöglich erst in etlichen Jahren?
Als ein aufwendiger Umbau im März 2022 angekündigt wurde, klang es so, als würden schon einige Monate später die Bagger anrollen. Bis Ende 2027, so hieß es, sollten die Arbeiten abgeschlossen sein. Nun deutet sich an: Bis überhaupt mit ersten Bauarbeiten begonnen wird, könnten womöglich noch mehrere Jahre vergehen. Von 2029, vielleicht sogar 2030 oder 2032 ist die Rede.
Strafjustizgebäude Hamburg: Beginn der Umbauten erst Ende dieses Jahrzehnts?
Diese zeitliche Perspektive macht zumindest unter denen die Runde, die täglich im Strafjustizgebäude ihren Dienst tun, also unter anderem den Richtern. Bei der zuständigen Justizbehörde heißt es unterdessen auf Abendblatt-Nachfrage, man könne noch keine verbindlichen Termine für einen Baubeginn oder gar einen Abschluss der Maßnahmen nennen. „Der Umbau des Strafjustizgebäudes ist ein komplexes Projekt, unter anderem wegen der Größe, der Arbeiten im laufenden Betrieb und des Denkmalschutzes“, sagte ein Behördensprecher.
Historie trifft Moderne: Bei nahezu jeder Veränderung, die am Strafjustizgebäude vorgenommen wird, müssen Vorgaben des Denkmalschutzes berücksichtigt werden. Grundriss und Fassade dürfen nicht verändert werden. Doch der Bedarf an weiteren Verhandlungssälen und mehr Büros ist riesig. Deshalb wurde für eine Erweiterung des Platzangebots eine Lösung gefunden, die als der ganz große Wurf gilt. Mit einer kühnen Aufbaukonstruktion, bei der das äußere Erscheinungsbild erhalten bleibt und zugleich der Mitteltrakt im Dachbereich räumlich erweitert wird, sollen dringend benötigte zusätzliche Flächen geschaffen werden.
Mehr Raum schaffen und dabei den Denkmalschutz berücksichtigen
Der Plan ist, zu den bestehenden 33 Sitzungssälen mindestens fünf weitere unterzubringen. Außerdem sollen 100 zusätzliche Büros mit 180 Arbeitsplätzen für Richterinnen, Richter und weitere Beschäftigte entstehen. Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) hatte das Projekt, als es im Frühjahr 2022 vorgestellt wurde, ausdrücklich begrüßt und gelobt: „Der Rechtsstaat braucht eine auch räumlich gut ausgestattete Justiz. Wir modernisieren das Strafjustizgebäude und sorgen für eine zeitgemäße und weiterhin sichere Arbeitsumgebung. Die Strafjustiz benötigt auch mehr Platz, weil es mehr Aufgaben gibt. Mit der Dacherweiterung schaffen wir diesen Platz für neue Räume. Es ist ein Projekt, das für die Hamburger Justiz von großer Bedeutung ist.“
Doch schon Ende 2022, also wenige Monate nach Ankündigung der Erweiterungspläne, hatte sich abgezeichnet, dass deren Umsetzung schwieriger ist als gedacht. Es hieß damals, es gebe sowohl architektonische als auch organisatorische Probleme, die den Baubeginn verzögern. Hauptsächlich seien die Schwierigkeiten „in dem anspruchsvollen denkmalgeschützten Bestandsgebäude der Strafjustiz“ begründet, so die Justizbehörde damals auf Abendblatt-Anfrage. Darüber hinaus erwiesen sich die Baumaßnahmen umfassender als ursprünglich vorgesehen.
Umbau in Hamburg soll vonstattengehen, während weiter Strafprozesse stattfinden
Und nicht zuletzt muss, wenn der Umbau denn eines Tages beginnt, der Sitzungsbetrieb aufrechterhalten werden. Konkret heißt das, dass täglich etliche Strafprozesse verhandelt werden, Richterinnen und Richter ihre Sitzungen vorbereiten, die Geschäftsstellen reibungslos funktionieren sollen. Dies stellt die Planungen vor weitere Herausforderungen. Denn Baulärm wie beispielsweise von Bohrmaschinen lässt sich nicht gut damit vereinbaren, wenn im Gerichtssaal nebenan Angeklagten und Zeugen genau zugehört werden muss.
Mit dem geplanten Umbau des Strafjustizgebäudes und der damit verbundenen Erweiterung der Flächen sollen auch andere Schwierigkeiten dauerhaft beseitigt werden, die dem Alter des historischen Baus geschuldet sind. So stößt bislang die Stromsituation im Strafjustizgebäude an ihre Grenzen. Um die digitale Versorgung sicherzustellen, hatte im Sommer an anderer Stelle Strom gespart werden müssen. So waren Richterinnen und Richter, Mitarbeitende in den Geschäftsstellen sowie sonstige Beschäftigte im Strafjustizgebäude in Rundmails gebeten worden, einen Beitrag zur Energieeinsparung zu leisten. In vielen Büros wurden deshalb beispielsweise die Kaffeemaschinen nur noch selten angeschaltet, damit das Stromnetz nicht überlastet wird.
Stromversorgung stößt ebenfalls an ihre Grenzen
Für Entspannung bei der prekären Stromsituation sorgt seit einigen Tagen ein neuer Stromtransformator, der an das Stromnetz angeschlossen wurde. Die insgesamt zur Verfügung stehende Stromlast werde dadurch allerdings „nur partiell erhöht“, sagte ein Sprecher der Justizbehörde. Eine „tadellos funktionierende Stromversorgung“ erwarte man, wenn die Sanierung des Strafjustizgebäudes abgeschlossen sei.
Auch eine Versorgung mit Essen und Trinken ist in dem Gerichtsbau aktuell kaum möglich. Zwar gibt es einen Kaffeeautomaten sowie einen Frischwasserspender. Letzterer ist allerdings nur für dort Beschäftigte zugänglich. Eine Möglichkeit, an Kaltgetränke wie Mineralwasser zu kommen, suchen Besucher des Gebäudes wie Angeklagte, Zeugen, Rechtsanwälte oder Angehörige von Prozessbeteiligten vergeblich. Und eine Kantine gibt es, seit der letzte Bistrobetreiber im Frühjahr 2024 aus Wirtschaftlichkeitsgründen gekündigt hat, nicht mehr.
Kaputtes Siel sorgt dafür, dass die Hofeinfahrt gesperrt werden musste
Um die Verpflegungssituation zu ändern, werde mit „Hochdruck auch an alternativen Lösungen gearbeitet“, hieß es dazu auf Abendblatt-Anfrage. Dabei werde auch die Option in den Blick genommen, Snack- und Getränkeautomaten aufzustellen. Mit der Modernisierung des Strafjustizgebäudes solle dann wieder eine angemessene Kantinenlösung umgesetzt werden.
Auch an der Hofzufahrt zum Strafjustizgebäude zeigt sich, dass das Gebäude sehr in die Jahre gekommen ist. Wegen eines beschädigten Regenwassersiels hat es dort eine Versackung gegeben – mit der Folge, dass die Zufahrt zum Hof aus Sicherheitsgründen bis auf Weiteres gesperrt werden musste. Betroffen von der Sperrung sind offenbar nicht nur die Richter, die eigentlich dort im Innenhof ihre Parkplätze haben und diese nicht mehr nutzen können. Betroffen sind auch Menschen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind und bislang über den Innenhof ins Gebäude gelangen konnten.
Verpflegung, Einfahrten, Uhrzeit: Überall stockt es im Gerichtsgebäude
Dies ist aktuell so nicht mehr möglich. Es seien allerdings umgehend Alternativlösungen geschaffen worden, hieß es dazu aus der Justizbehörde – zum Beispiel für die vorübergehend weggefallenen Kraftfahrzeug- und Fahrradstellplätze. Auch ein barrierefreier Zugang zum Gebäude sei weiterhin sichergestellt. Dies geschehe vorübergehend über einen anderen Zugang über den Zuführungsbereich der Untersuchungshaftanstalt. Am entsprechenden Eingang werden betroffene Personen von Kolleginnen und Kollegen der UHA in Empfang genommen und in das Strafjustizgebäude begleitet.
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Bei einer Reparatur der Siele werde es voraussichtlich bis Anfang nächsten Jahres dauern, bis Autos und andere schwerere Fahrzeuge die Hofeinfahrt wieder nutzen können. Für Fußgänger, Radfahrer und andere ähnliche Fortbewegungsmittel soll dies in etwa sechs Wochen möglich sein. Unterdessen sind die historischen Uhren, die im Gebäude verbaut sind, weiterhin defekt. Sie zeigen dauerhaft 12 Uhr an, und das schon seit rund 15 Monaten. Grund ist eine Störung bei der sogenannten Mutteruhr, die sich auf alle Nebenuhren auswirkt.
Zuständig für die Reparatur, die laut einem Kostenvoranschlag rund 10.000 Euro kosten soll, ist die Sprinkenhof GmbH. Bis die Reparatur vonstattengeht, sind für die Übergangszeit moderne Uhren angeschafft worden, die in den Fluren und in den Prozesssälen neben den historischen Uhren hängen – und die richtige Stunde anzeigen. Bei den historischen steht weiterhin die Zeit still.