Hamburg. Die Erweiterung sollte 2023 starten. Auch die Staatsanwaltschaft ist noch nicht umgezogen. Dabei zahlt die Stadt bereits Geld.
Denkmalschutz trifft Moderne. Wie schwer die Erfordernisse unterschiedlicher Epochen zu vereinbaren sind, ist aktuell am Sievekingplatz zu beobachten. Das Strafjustizgebäude, erbaut im Jahr 1882 und in den Formen der deutschen Renaissance, soll fit gemacht werden für die Zukunft. Mit einer kühnen Aufbaukonstruktion, die sowohl die Maßgaben des Denkmalschutzes berücksichtigt als auch deutlich mehr Platz in dem historischen Bau schaffen soll, soll jetzt angefangen werden. Doch schon vor Beginn der Umbauphase werden die ersten Probleme deutlich. Und der Zeitplan gerät ins Stocken.
Schon seit Jahren platzt das Strafjustizgebäude, in dem täglich Dutzende Urteile über Taten wie Geiselnahme, Betrug, Mord und Diebstahl gefällt werden, aus allen Nähten. Es werden dringend weitere Flächen für Verhandlungssäle und Büros benötigt. Allerdings verhindern die Vorgaben des Denkmalschutzes, dass der Platzbedarf mit Anbauten oder anderen Erweiterungen gedeckt wird. Grundriss und Fassade dürfen nicht verändert werden.
Um diesen Bedingungen gerecht zu werden, wurden Pläne für einen spektakulären Aufbau entwickelt: Bei diesem soll im Dachbereich des denkmalgeschützten Gebäudes der vom Sievekingplatz aus nicht sichtbare Mitteltrakt räumlich erweitert werden. Weil außerdem die bestehenden Ressourcen optimiert werden, entstehen durch die Umstrukturierung insgesamt rund 1000 Quadratmeter neue Flächen, hieß es aus der Justizbehörde. So sollen nicht nur mindestens fünf weitere Verhandlungssäle untergebracht, sondern darüber hinaus 100 zusätzliche Büros mit 180 Arbeitsplätzen für Richter und weitere Beschäftigte geschaffen werden – und das äußere Erscheinungsbild des Gebäudeensembles des Justizforums gewahrt bleiben.
Strafjustizgebäude: Umbau schwieriger als gedacht
Doch so raffiniert die Erweiterungspläne auch sind: Die Umsetzung, die nach der ursprünglichen Planung im kommenden Jahr begonnen und bis Ende 2027 fertiggestellt werden sollte, ist schwieriger als gedacht. Es gibt sowohl architektonische als auch organisatorische Probleme, die den Baubeginn verzögern. Hauptsächlich seien die Schwierigkeiten „in dem anspruchsvollen denkmalgeschützten Bestandsgebäude der Strafjustiz“ begründet, so die Justizbehörde auf Abendblatt-Anfrage.
Zwar liege für die Dachgeschosserweiterung eine Zustimmung seitens des Denkmalschutzamtes im Grundsatz vor. „Dies beinhaltet jedoch nicht die architektonische Ausgestaltung, die sich derzeit in der Abstimmung befindet und einer Zustimmung bedarf.“ Konkret heißt dies nach Abendblatt-Informationen: Die Planungen für die Statik müssen noch einmal überprüft werden. „Die Planung, Terminierung und Realisierung der Baumaßnahmen“ würden von der Eigentümerin und Vermieterin des Strafjustizgebäudes, der Sprinkenhof GmbH, geplant beziehungsweise „überplant“.
Weiterhin, so die Justizbehörde, hätten unter anderem „die Berücksichtigung der Belange des Brandschutzes, die Auflagen des Klimaschutzplanes, die Ergebnisse der Baugrunduntersuchung sowie eine Tragwerks- und Brandschutzplanung unter Einbeziehung der Genehmigungsbehörden insgesamt eine Verzögerung der Beendigung der Vorplanung ergeben“.
Umzug in Staatsanwaltschaft als Zwischenlösung
Eine weitere Schwierigkeit: Auch während des Umbaus müssen täglich etliche Strafprozesse verhandelt werden, Richter ihre Sitzungen vorbereiten, die Geschäftsstellen reibungslos funktionieren. Man stelle sich vor: die Aussage eines Angeklagten oder eine Zeugenvernehmung, während nebenan Stemmeisen zum Einsatz kommen oder Bohrmaschinen dröhnen? Ein Richter will ein Urteil diktieren, während im Nachbarraum die Kreissäge rotiert? Undenkbar! Also müssen Richterbüros, Zimmer der Geschäftsstellen und auch Verhandlungssäle innerhalb des Gebäudes zeitweise umgesiedelt, überwiegend sogar ausgelagert werden — vorzugsweise in Gebäude in der Nähe des Sievekingplatzes.
Da böten sich vor allem die Objekte am benachbarten Gorch-Fock-Wall oder auch an der Kaiser-Wilhelm-Straße an, wo zurzeit noch die Staatsanwaltschaft untergebracht ist. Der Vorteil wäre, dass die Gebäude nicht nur wenige Schritte vom Strafjustizgebäude entfernt liegen, sondern dort bereits Sicherheitsvorkehrungen an den Eingängen vorhanden sind, die auch für das Verhandeln von Strafprozessen notwendig sind.
Und wenn alles nach Plan gelaufen wäre, stünden diese Gebäude jetzt bereits leer und könnten so als Ausweichquartier für Richter und Verhandlungssäle in Betracht kommen. Allerdings gelten die Räumlichkeiten als dringend renovierungsbedürftig, unter anderem in Bezug auf die Elektrik und die Wasserleitungen. Ein entscheidendes weiteres Hindernis: Teile der Staatsanwaltschaft, die am Gorch-Fock-Wall und an der Kaiser-Wilhelm-Straße ihren Sitz haben, konnten nicht, wie es geplant war, bereits im Herbst dieses Jahres in das Michaelisquartier umziehen.
Neues Staatsanwaltschaftsgebäude ist noch nicht fertig
Von der Justizbehörde heißt es unterdessen auf Anfrage, es bestehe zwischen dem noch nicht erfolgten Umzug der Staatsanwaltschaft und den verzögerten Baumaßnahmen im Strafjustizgebäude „kein direkter zeitlicher Zusammenhang“. Es würden allerdings durch eine Gesamtleitung der Planung, die mittlerweile in einer Hand liege, „Synergien genutzt“, sagte ein Behörden-Sprecher. Es handele sich um „zwei sehr komplexe und wichtige Projekte. Da gibt es immer Abhängigkeiten.“
„Aus vier mach eins“ war das Konzept, nach dem die Staatsanwaltschaft, die bislang auf vier Komplexe in der Stadt verteilt ist, zentralisiert werden sollte. Doch das Gebäude an der Ludwig-Erhard-Straße, das als künftiger Standort für etliche Hauptabteilungen der Staatsanwaltschaft dienen soll, ist nach wie vor nicht bezugsfertig. Ein konkreter Übergabetermin? Ist immer noch nicht in Sicht.
„Eine konkrete Datierung einzelner Maßnahmen ist nicht möglich“, heißt es dazu in einer Antwort des Senats auf eine Schriftliche Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Richard Seelmaecker vom 17. November. Hintergrund seien „eine Reihe von weiteren nutzerspezifischen Anforderungen, die zu einer Anpassung des Bauzeitenplans führten“. Diese hätten sich „aus der Erstellung und Realisierung eines Sicherheitskonzepts“ ergeben.
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Neben weiteren Erfordernissen für die Sicherheit des Gebäudes ist jetzt schon abzusehen, dass es in dem Michaelisquartier nicht ausreichend Platz für die Staatsanwaltschaft geben wird. Mehrere Tausend Quadratmeter Bürofläche fehlen, unter anderem für die Lagerung von dringend benötigten Akten. Zudem sind etliche Umbaumaßnahmen, unter anderem das Verlegen von Leitungen, nach wie vor noch nicht abgeschlossen. Denkbar ist nach Abendblatt-Informationen, dass der geplante Umzug erst im Herbst oder sogar Ende 2023 stattfinden kann.
Unterdessen zahlt die Stadt bereits seit dem 1. September Geld für das Micheaelisquartier – und damit jenes Gebäude, das von der Staatsanwaltschaft noch nicht genutzt werden kann. Zwar fielen Mietzahlungen erst mit der Übergabe des Mietobjekts an, heißt es in der Senatsantwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage von CDU-Politiker Seelmaecker. Es werde allerdings eine „Nutzungsausfallentschädigung“ gezahlt. Wie hoch diese ist, geht aus dem Schreiben nicht hervor.