Hamburg. Umbau des Strafjustizgebäudes hätte längst anfangen sollen. Modernisierung stockt, Stromnetz ist veraltet – mit kuriosen Folgen.
Es wurde vollendet, als Bismarck in Deutschland noch die Politik bestimmte. Seit mittlerweile 142 Jahren thront das Strafjustizgebäude am Sievekingplatz in Hamburg, altehrwürdig, mächtig, beeindruckend. Doch die Anforderungen der Moderne machen auch vor dem denkmalgeschützten Bau aus dem Jahr 1882 nicht halt: Neo-Renaissance trifft 21. Jahrhundert. Um das Gebäude, in dem täglich Dutzende Urteile über Taten wie Mord, Geiselnahme und Betrug gefällt werden, fit für die Zukunft zu machen, gibt es für eine Erweiterung und Modernisierung ambitionierte Pläne. Zu ambitioniert?
Weil der Bedarf an Verhandlungssälen und Büros über die Jahre immer weiter gestiegen ist, soll das Strafjustizgebäude um rund 1000 Quadratmeter Fläche erweitert werden. Zugleich gilt es, die Maßgaben beim Denkmalschutz zu berücksichtigen. Das bedeutet: Grundriss und Fassade des Baus dürfen nicht verändert werden. Um allen Anforderungen gerecht zu werden, soll es eine kühne Aufbaukonstruktion geben, bei der im Dachbereich des Gebäudes der vom Sievekingplatz aus nicht sichtbare Mitteltrakt räumlich erweitert wird.
Justiz Hamburg: Mammutprojekt erfordert aufwendige Planungen
Beginn der Baumaßnahmen war ursprünglich für den Jahresanfang 2023 geplant. Doch auch jetzt, rund anderthalb Jahre nach dem anvisierten Termin, ist noch kein Bagger angerückt, und keine neue Mauer ist gezogen. Das ursprüngliche Ziel, den Umbau bis Ende 2027 fertigzustellen, rückt damit in weite Ferne.
Tatsächlich braucht ein solches Mammutvorhaben wie der Umbau des historischen Gebäudes seine Zeit. Eine konkrete terminliche Festlegung für die Umbau- beziehungsweise Sanierungsmaßnahmen des Strafjustizgebäudes könne man nicht benennen, sagt eine Sprecherin der Justizbehörde auf Abendblatt-Anfrage. „Das Projekt Strafjustizgebäude ist ein überaus komplexes Großprojekt, welches insbesondere wegen seines Charakters als Baudenkmal planerisch herausfordernd ist.“ Zudem sei der Bau „im laufenden Betrieb umzusetzen, um die Strafjustizgerichtsbarkeit sicherstellen zu können. Daher ist die Planung der Sanierung, Modernisierung und Erweiterung immer in Abhängigkeit mit der Herstellung ortsnaher Interimsflächen zu betrachten.“
Kurioser Fall: Warum Hamburgs Richter den Stecker ziehen sollen
Für die Interimsflächen, die vorlaufend hergerichtet werden müssen, könnten ebenfalls noch keine Termine festgelegt werden, „da Abstimmungen mit dem Denkmalschutzamt stattfinden und bauliche Lösungen erarbeitet werden müssen“, erklärt die Sprecherin weiter. Darüber hinaus erwiesen sich die Baumaßnahmen umfassender als ursprünglich vorgesehen. Das betreffe unter anderem die Dacherweiterung, die Erfordernisse für die Statik sowie die Belange des Brandschutzes.
Mit dem späteren Beginn der Baumaßnahmen verzögert sich nicht nur die Ausweitung der Flächen, bei der nach ursprünglicher Planung mindestens fünf weitere Verhandlungssäle untergebracht und rund 100 zusätzliche Büros mit 180 Arbeitsplätzen für Richter und weitere Beschäftigte geschaffen werden sollen. Auch die Stromsituation im Strafjustizgebäude ist schwierig, beziehungsweise stößt offenbar bereits an ihre Grenzen.
Stromversorgung ist schwierig. Was Kaffeemaschinen damit zu tun haben
Wie prekär die Lage ist, zeigen Mails an die Richterinnen und Richter, Mitarbeitende in den Geschäftsstellen sowie sonstige Beschäftigte im Strafjustizgebäude, in denen sie gebeten werden, einen Beitrag zur Energieeinsparung zu leisten. Dies solle geschehen, indem die dort Beschäftigten – abgesehen von Kleinstgeräten wie etwa einem Handyladekabel – nicht mehr als zwei Elektrogeräte, die über die übliche Arbeitsausstattung hinausgehen, gleichzeitig nutzen. Also: Lieber mal den Stecker der Kaffeemaschine ziehen, damit das Stromnetz nicht überlastet wird.
„Die Stromnetzverteilungsanlage im Strafjustizgebäude, das heißt insbesondere die Verkabelung in der Wand, ist veraltet und muss erneuert werden“, sagt dazu eine Sprecherin der Justizbehörde. Hier habe die Sprinkenhof GmbH, als Eigentümervertreterin, in enger Zusammenarbeit mit der Justizbehörde und dem Landgericht den Aufbau von eigenen Trafos für das Strafjustizgebäude umgesetzt. Eine weitere Verbesserung verspreche man sich vom Einbau einer Mittelspannungsschaltanlage, die bis Anfang Oktober erfolgen solle.
Stromnetz soll vollständig erweitert werden – im Zuge der Gebäudesanierung
„Der Einbau der Trafos ist eine Maßnahme, um die technischen Grundlagen für die Umsetzung der rechtlichen digitalen Vorgaben für die Gerichte sicherzustellen“, erläutert die Justizsprecherin. „Das heißt konkret, dass in fünf Gerichtssälen die komplette digitale Saalausstattung ab Oktober 2024 zur Verfügung stehen wird. Darüber hinaus werden alle Gerichtssäle im Strafjustizgebäude seit dem I. Quartal 2024 sukzessive mit den benötigten technischen Geräten ausgestattet.“ Zur Erweiterung der Kapazitäten des Stromnetzes sei allerdings „eine vollständige Erneuerung des Stromnetzes notwendig, welches nur im Rahmen der geplanten umfassenden Modernisierung und Sanierung möglich ist“.
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Unterdessen gibt es nicht nur bei dem geplanten Um- und Ausbau des Strafjustizgebäudes Verzögerungen. Im gesamten Gebäude steht gewissermaßen die Zeit still. Alle historischen Uhren, die im Gebäude verbaut sind, zeigen dauerhaft 12 Uhr an – und das schon seit rund einem Jahr. Hintergrund ist, dass die sogenannte „Mutteruhr“ in der Eingangshalle des Strafjustizgebäudes defekt ist, heißt es aus der Justizbehörde auf Abendblatt-Anfrage. Deshalb funktionierten auch alle ihre Nebenuhren derzeit nicht.
Uhrenanlage defekt: Im gesamten Gebäude steht die Zeit still
Seit die erste Störung der Uhrenanlage im Juli vergangenen Jahres gemeldet wurde, habe es einige, jedoch im Ergebnis erfolglose, Reparaturversuche gegeben, teilt ein Sprecher der Justizbehörde dazu mit. Die Anlage stehe daher still. Die Kosten für die Reparatur der Altanlage lägen, so weise es ein vor einiger Zeit von der Behörde eingeholter Kostenvoranschlag aus, bei rund 10.000 Euro. Zuständig für die Reparatur sei die Sprinkenhof GmbH, die für alle Gebäude die Modernisierung in Aussicht gestellt hat.
Mittlerweile wurden von der Gerichtsverwaltung moderne Uhren angeschafft. Diese hängen jetzt in den Fluren und in den Prozesssälen neben den historischen Uhren – und zeigen im Gegensatz zu den älteren Geräten die richtige Zeit. Doch die neuen Uhren seien nur eine Übergangslösung, heißt es aus der Justizbehörde, bis die anderen repariert sind. „Die historischen Uhren gehören zum Denkmal und sollen auch langfristig erhalten bleiben.“