Hamburg. Hamburg braucht dringend mehr Gerichtssäle. Doch das Gebäude am Sievekingplatz steht unter Denkmalschutz. Nun gibt es eine Lösung.

Altehrwürdig thront es am Sievekingplatz, mächtig, beeindruckend. Seit 140 Jahren steht das Strafjustizgebäude nun dort, und der Denkmalschutz wacht darüber, dass die Konstruktion aus dem Jahr 1882, die in den Formen der deutschen Neo-Renaissance errichtet wurde, baulich nicht verändert wird.

Zugleich aber platzt das Strafjustizgebäude, in dem täglich Dutzende Urteile über Taten wie Erpressung, Mord und Betrug gefällt werden, aus allen Nähten. Der Bedarf an weiteren Flächen für Verhandlungssäle und Büros ist riesig. Denkmalschutz und die Notwendigkeit einer Erweiterung – ein unlösbarer Konflikt?

Bauvorhaben: Ein spektakulärer „unsichtbarer“ Aufbau

Nicht mehr. Jetzt gibt es Pläne für einen spektakulären Aufbau. Das Besondere ist, dass im Dachbereich des denkmalgeschützten Gebäudes der vom Sievekingplatz aus nicht sichtbare Mitteltrakt räumlich erweitert werden soll. Zudem werden die bestehenden Ressourcen optimiert. Damit entstehen insgesamt rund 1000 Quadratmeter neue Flächen.

Das schafft Platz, um zu den bestehenden 33 Sitzungssälen mindestens fünf weitere unterzubringen. Außerdem sollen 100 zusätzliche Büros mit 180 Arbeitsplätzen für Richter und weitere Beschäftigte geschaffen werden. Weil sich alle Umbauten auf den Mitteltrakt beziehen und von vorn nicht sichtbar sind, bleibt das äußere Erscheinungsbild des Gebäudeensembles des Justizforums gewahrt. „Wir stehen im engen Austausch mit dem Denkmalschutzamt“, heißt es vonseiten der Justizbehörde.

„Wir modernisieren das Strafjustizgebäude"

„Das Strafjustizgebäude ist die Werk- und Wirkstätte der Strafgerichte am Sievekingplatz und an vielen Enden schon jetzt zu klein“, sagt Bernd Lübbe, Präsident des Landgerichts. „Es ist deshalb eine gute Nachricht, dass eine denkmalgerechte Planung für die Erweiterung des Gebäudes und seine Modernisierung gelungen ist. Damit werden die Weichen für eine funktionierende und zukunftsweisende Strafjustiz in Hamburg gestellt. Für alle Beteiligten wird das gewiss ein Ansporn sein, sich den enormen Herausforderungen zu stellen, die mit einer Sanierung bei laufendem Sitzungsbetrieb und einem teilweisen Umzug in Ausweichflächen verbunden sein werden.“

Und Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) ergänzt: „Der Rechtsstaat braucht eine auch räumlich gut ausgestattete Justiz. Wir modernisieren das Strafjustizgebäude und sorgen für eine zeitgemäße und weiterhin sichere Arbeitsumgebung. Die Strafjustiz benötigt auch mehr Platz, weil es mehr Aufgaben gibt. Mit der Dacherweiterung schaffen wir diesen Platz für neue Räume. Es ist ein Projekt, das für die Hamburger Justiz von großer Bedeutung ist.“

Steigende Verfahrenszahlen und zunehmende Komplexität

Bisher beherrscht Enge den Alltag im Strafjustizgebäude: Es muss viel geplant und umorganisiert werden. „Trotz aufwendigster Vorbereitungen ist es häufig schwierig, für jede Verhandlung überhaupt einen geeigneten Saal zu finden“, erläutert Gerichtssprecher Kai Wantzen. „Und Büros im Sockelgeschoss gehören in vielen Fällen zum Alltag, ebenso Doppelbelegungen von Räumen, die früher als Einzelbüros genutzt wurden.“ Hintergrund seien die steigenden Verfahrenszahlen im Strafbereich und die zunehmende Komplexität der Verfahren.

Dass die Strafgerichte in den letzten Jahren personell verstärkt wurden – bei den Richtern ebenso wie in den Geschäftsstellen – sorgte zwar für eine gewisse Entspannung, aber gleichzeitig auch für einen erheblichen Mehrbedarf an Büros und Verhandlungssälen, in denen strafgerichtliche Hauptverhandlungen stattfinden können. „Die aktuelle Situation, in der die Platzkapazitäten coronabedingt­ eingeschränkt werden mussten, trägt entscheidend zu der zunehmend beengten Lage bei“, erläutert Wantzen.

IT-Abteilung wurde an anderen Standort verlegt

So seien mittlerweile alle Reserven innerhalb des Strafjustizgebäudes und der anderen Gebäude am Sievekingplatz ausgeschöpft. Verhandlungssäle seien bereits umgebaut und neu eingerichtet worden. Dies sei teilweise zulasten von Büroflächen sowie wertvollen Angeboten wie dem DOGS (Der offene Gerichtssaal) geschehen, so Wantzen. „Außerdem wurden einzelne Bereiche, wie die Wirtschaftsstrafkammern des Landgerichts und einzelne Strafsenate des Oberlandesgerichts, ins Ziviljustizgebäude ausgelagert“, sagt der Gerichtssprecher.

„Im Ziviljustizgebäude finden auch einige Hauptverhandlungen von Wirtschaftsstrafkammern statt. Das geht aber nur in solchen Verfahren, in denen sich die Angeklagten nicht in Untersuchungshaft befinden“, so Wantzen. Weiterhin sei, um Platz im Strafjustizgebäude zu schaffen, die IT-Abteilung des Amtsgerichts an einen anderen Standort verlegt worden.

Bauvorhaben: Stadt spricht von logistischer Herausforderung

Diese notwendige Umorganisation soll mit dem geplanten neuen Aufbau und der Modernisierung des Gebäudes ein Ende haben. Der Beginn der Bauarbeiten ist für 2023 geplant, die Fertigstellung bis Ende 2027. Neben einem Mehr an Platz soll mit dem Umbau zudem die Sicherheitstechnik modernisiert werden. Ziel der Sanierung und Erweiterung ist es auch, die öffentlichen und nicht öffentlichen Bereiche besser zu trennen und alle Organisationen der Strafjustiz weiterhin gemeinsam im hochgesicherten Strafjustizgebäude unterzubringen.

Die Sanierungsarbeiten würden bei laufendem Betrieb durchgeführt, heißt es. „So etwas ist stets eine logistische Herausforderung, bei einem Justizgebäude umso mehr“, betont eine Sprecherin der Justizbehörde. „Baulärm darf den Gerichtsbetrieb nicht stören, sodass ein außerordentlich flexibles Baumanagement und eine gute vorausschauende Zusammenarbeit der Beteiligten gefordert sind. Den Strafjustizbediensteten wird eine ortsnahe Ausweichfläche zur Verfügung gestellt, die den besonderen Schutzbedarfen entspricht und die Freiziehung von Baufreiheiten im Strafjustizgebäude ermöglicht.“