Hamburg. In Hamburgs Kitas drohen Betreuungsengpässe wegen Krankheitswellen. Sozialbehörde rät Kindertagesstätten zu Notfallmaßnahmen.
- Im Winter werden eingeschränkte Betreuungszeiten in Kitas wahrscheinlicher, weil mehr Personal krankheitsbedingt ausfällt.
- Die Sozialbehörde hat Hinweise, wie Kitas (Teil-)Schließungen vorbeugen können.
- Kitas appellieren wiederum an die Eltern, kranke Kinder zu Hhause zu behalten.
Wer sein Kind in die Kita bringt, der macht das in vielen Fällen auch, weil er selbst berufstätig und auf die Betreuung angewiesen ist. Mehr als ärgerlich ist es daher, wenn Kitas spontan tageweise schließen müssen. Doch das passiert in Hamburg aus Personalnot immer wieder – gerade in der kalten Jahreszeit, wenn Erkältungen, Grippe und Corona um sich greifen.
Auch in diesem Jahr werden Einrichtungen die Betreuung wegen kranker Erzieherinnen und Erzieher nicht stemmen können, sagt Björn Boettcher. Der Geschäftsführer des Kirchengemeindeverbands im Kirchenkreis Hamburg-Ost, der Träger von 130 Kitas ist, warnt vor einem „harten Winter“. Boettcher nimmt die Sozialbehörde Hamburg für den Zustand in die Mangel – und plädiert für einen neuen Personalschlüssel.
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„Harter Winter“ für Kitas in Hamburg: Träger rechnet mit vielen Schließungen
Als Kita-Chef denke man in zwei Halbjahren, sagt Boettcher: Dem einigermaßen krisenfesten Sommer und dem harten Winter. Denn der Winter, das ist die Zeit der Krankheitswellen. Das gelte insbesondere für die kontaktintensive Arbeit in Kitas, in denen sich Viren und Bakterien besonders gut verbreiten können. „Dieser Winter wird wieder zu Stress führen – bei Eltern und Kitateams“, sagt Boettcher. Es werde in den kommenden Monaten wieder zahlreiche Kitas in der ganzen Stadt geben, die zeitweise geschlossen bleiben.
„Der Ärger der Eltern darüber ist berechtigt, aber er sollte sich in Richtung Sozialbehörde richten. Denn die Stadt Hamburg finanziert keine verlässliche Betreuung“, so Boettchers Sicht auf die Dinge. Zumal sich die Situation seit Corona verschärft habe. Die Krankenquote der Erzieher sei nunmehr beinahe doppelt so hoch wie zuvor.
Sozialbehörde geht davon aus, dass Kitas Betreuung garantieren können
Diese Corona-Nachwehen bestätigt auch die Sozialbehörde. „Die Folgen und die Belastungen des Systems Kita insgesamt und des Personals sind bis heute in Form von höherer Fluktuation und höheren Krankenständen spürbar“, so Sprecherin Anja Segert.
Die Behörde sei sich darüber bewusst, dass es in der Winterzeit zu eingeschränkten Betreuungszeiten in Kindertageseinrichtungen kommen kann. Jedoch: „Grundsätzlich geht die Sozialbehörde davon aus, dass die Rechtsansprüche auf Kindertagesbetreuung in Hamburg auch während der Erkältungs- oder Grippewellen erfüllt werden können und die Kitas ihrem Bildungs- und Betreuungsauftrag nachkommen“ – auch bei herausfordernden Personalsituationen.
Kita Hamburg: „Erfahrene Mitarbeiter sind zu teuer“
Bei Boettcher dürfte das schon fast als Affront ankommen. Er sieht die Stadt in der Pflicht, etwas gegen den Missstand zu tun, denn was sie den Kitas je betreutem Kind zahle, sei für die Winterzeit einfach nicht auskömmlich: „Mit dem Geld, das die Stadt den Trägern je Kitagutschein zahlt, lässt sich keine Verlässlichkeit garantieren. Es reicht nicht.“
Insbesondere langjährige Kitamitarbeiter würden den Trägern im aktuellen Refinanzierungssystem auf der Tasche liegen. „Erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind schlichtweg zu teuer“, sagt Boettcher und erhebt harte Vorwürfe: „Die Stadt fördert ein Lohndumping geradezu. Unter dem aktuellen Kurs leidet die Qualität in Hamburgs Kitas.“ Die Einrichtungen seien als frühkindliche Bildungsorte zu begreifen, „bezahlt werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber, als ginge es darum, die Kinder nur warm und trocken zu halten“.
Sozialbehörde: Träger müssen Notfallmaßnahmen treffen
Die Sozialbehörde sei sich der teilweise hohen Belastungen für das Personal und Träger bewusst und nehme diese sehr ernst. Sie sei im Gespräch mit allen Beteiligten, „wie mit betrieblichen Maßnahmen die überdurchschnittlich hohen Krankenstände gesenkt werden können“, so Segert. Allerdings verweist die Sprecherin auch darauf, dass verantwortungsbewusst handelnde Träger Vorkehrungen für den Fall von Personalengpässen treffen würden, etwa mit einem Katalog von entsprechenden Notfallmaßnahmen.
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Kitas müssten stets die tagesaktuelle Situation bewerten und verhältnismäßige Lösungen suchen, sagt Segert. Zu diesen Lösungen könnten auch eingeschränkte Betreuungszeiten gehören, wenn unerwartet große Personalausfälle dafür sorgten, dass die Aufsichtspflicht nicht sichergestellt werden kann.
Personalnot in Hamburgs Kitas: Träger fordert neuen Personalschlüssel
Aktuell gibt es stadtweit freie Plätze für Kitakinder. In den kommenden Jahren ist laut Sozialbehörde bei Kindern aus dem Elementarbereich (ab dem dritten Lebensjahr) ein weiterer Rückgang zu erwarten. Die Stadt rechnet mit 3800 Kindern weniger bis 2026.
Doch auch das werde keine Entlastung für die Einrichtungen schaffen, sagt Boettcher aus dem Kirchenkreis Hamburg-Ost. Denn der Personalschlüssel ist starr: Den Trägern wird über die Kitagutscheine eine bestimmte Anzahl an pädagogischen Wochenstunden finanziert. Je weniger Kinder-Betreuungsstunden es gibt, desto weniger Personalstunden.
Kita Hamburg: So hoch ist der Betreuungsschlüssel
Der Personalschlüssel für den Krippenbereich liegt bei 1:4. Ein Erzieher betreut demnach ungefähr vier Kinder – eigentlich. Denn durch Krankheits- und Urlaubstage, Fortbildungen und Co. schrumpft die Zeit, in der die Mitarbeiter für die Kinder da sein können. Boettcher schätzt das tatsächliche Erzieher-Kind-Verhältnis auf 1:6. Ginge es nach ihm, hätte die Sozialbehörde schon längst einen Schlüssel von 1:3 für den Krippenbereich angeordnet, um (Teil-)Schließungen zu vermeiden.
Im nahenden Winter werde es um Glück gehen, sagt Boettcher. Für die nächsten Monate hoffe er einfach, dass die Krankheitswellen – die kommen werden – Kitamitarbeiter und Kinder parallel betreffen und nicht nacheinander.