Hamburg. Sprecher des ADFC war mit Beamten aneinandergeraten, weil er nicht auf dem Radweg fahren wollte. Was ihm die Polizei dennoch vorwirft.

Es ist ein ewiger Streit – dabei ist die Rechtslage eigentlich klar. Viele Autofahrer sind der Ansicht, Radfahrer sollten doch besser den Radweg benutzen statt die Fahrbahn, wenn denn schon ein Radweg da sei. Das forderten in der vergangenen Woche wie berichtet auch drei Polizeibeamte der Davidwache vom Sprecher des Fahrradclubs ADFC, Dirk Lau. Der fuhr nämlich an der Helgoländer Allee auf der Fahrbahn. Als die Beamten ihn aufforderten, auf den Radweg zu wechseln, weigerte er sich, die Polizisten bremsten ihn mit Blaulicht aus und verlangten seinen Ausweis. Im Abendblatt warf Lau den Polizisten vor, sie hätten gegen Recht und Gesetz gehandelt. Zwischenzeitlich hatte sich die Beschwerdestelle der Polizei der Sache angenommen, und nun hat der Chef der Davidwache, Sebastian Krause, Lau einen Brief geschrieben.

In dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt, räumt Krause ein, dass Lau tatsächlich nicht verpflichtet gewesen sei, den Radweg zu benutzen. Denn an der Helgoländer Allee gebe es „keine entsprechende Beschilderung“. Eine Radwegbenutzungspflicht gilt aber nur dort, wo diese durch die bekannten runden Schilder mit weißem Rad auf blauem Grund signalisiert wird. Wo solche Schilder nicht stehen, dürfen Radfahrer die Fahrbahn nutzen.

Polizei Hamburg entschuldigt sich, ist aber offenbar auch mit Laus Verhalten nicht zufrieden

„Es machte im weiteren Situationsverlauf den Anschein, dass Sie der Aufforderung anzuhalten nicht nachkamen und zudem der Kommunikationsverlauf nicht auf Augenhöhe stattfand“, schreibt Krause weiter. „Sollten Sie hier den Eindruck gewonnen haben, dass meine Kollegen nicht durchgehend in der Kommunikation angemessen reagiert haben, dann werde ich dies eingehend mit ihnen nachbereiten und entschuldige mich dafür.“

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Allerdings scheint der Polizei das Verhalten des ADFC-Sprechers offenbar auch nicht tadellos vorgekommen zu sein. So sei er „in der Mitte des rechten Fahrstreifens“ gefahren „und ein Überholen ohne dabei in den Gegenverkehr zu geraten“ sei daher nicht möglich gewesen, schreibt Krause. „Die Polizeibeamten wiesen Sie darauf hin, auch den Radweg benutzen zu können. Dies lehnten Sie sofort mit einer winkenden Geste ab und fuhren unbeirrt weiter, so war zumindest die subjektive Wahrnehmung der Polizeibeamten. Ein Versuch (durch Ansprechen während der Fahrt), Sie für ein Gespräch zum Anhalten zu bewegen, war erst nach dem Einschalten des Blaulichts und Martinshorn zielführend, sodass dies erst an der nächsten roten Lichtzeichenanlage erfolgte.“

Polizei Hamburg wollte Lau laut eigener Auskunft nur zu einem „Bürgergespräch“ einladen

„Ziel der polizeilichen Maßnahme“ sei es gewesen, „Sie auf die Gefahren der mittigen Benutzung der Fahrbahn hinzuweisen“, so Krause weiter. „Da es sich um einen Anstieg im Fahrbahngefälle handelt und sehr viel motorisierter Fahrzeugverkehr in diesem Bereich fährt, kann es zielführend sein, den vorhandenen gut ausgebauten Fahrradstreifen auf dem Gehweg zu benutzen. Zudem sind die Folgen von Verkehrsunfällen zwischen Radfahrern und Pkw leider oftmals schwerwiegend und keine Seltenheit im Stadtgebiet.“ Die Polizeibeamten hätten daher die Absicht gehabt, „grundlegende Präventionsarbeit mit einem unmittelbaren Bürgergespräch zu leisten und dies im Rahmen einer Fahrzeugkontrolle gemäß den Vorschriften der STVO durchzuführen“.

Der angeschriebene ADFC-Sprecher ist offenkundig mit diesen Aussagen nicht zufrieden. „Ich habe die Helgoländer Allee mit dem Rennrad in einem Abstand von etwa 1 bis 1,25 Meter zu den rechts geparkten Reisebussen befahren, um genügend Sicherheitsabstand zu diesen Fahrzeugen zu haben“, schreibt er in seiner Antwort an den Leiter der Davidwache. „Auf dem Rad nehme ich etwa eine Breite von 80 bis 100 Zentimeter ein. Das empfanden Ihre Beamten offenbar als mittiges Befahren des Fahrstreifens, was allerdings so oder so schon aus Verkehrssicherheitsgründen auch geboten wäre und dem Rechtsfahrgebot nicht widerspricht.“ 

Fahrradfahren in Hamburg: Dürfen Radfahrer in der Mitte der Fahrbahn fahren?

Der Fahrstreifen habe dort „eine Breite von 3,50 bis maximal 3,70 Meter“, so Lau weiter. „Beim Überholen von Fahrrädern müssen Kfz und Lkw laut StVO einen Mindest-Sicherheitsabstand von 1,5 bis 2 Metern zum Radfahrer einhalten. Das heißt: Sie können Radfahrer nur dann regelkonform überholen, wenn sie auf die Gegenfahrspur wechseln. Ist diese nicht frei, dürfen sie nicht überholen, weil sie ansonsten ja in den Gegenverkehr fahren würden. So einfach ist die Rechtslage.“

Zudem argumentiert Lau, dass der Radweg an der Helgoländer Allee „schon längst nicht mehr den heute geltenden technischen Standards“ entspreche. Er sei „viel zu schmal, Radfahrer können sich kaum untereinander überholen, es herrscht starker (Toursist:innen-)Fußverkehr (Alter Elbpark, Reeperbahn, Landungsbrücken), dann die erwähnten Reisebusse“.

ADFC Hamburg: Radfahrer sind auf Radwegen nicht sicherer als auf der Fahrbahn

Auch das Argument, Radfahrer seien auf Radwegen sicherer, weist Lau zurück. „Erwiesenermaßen sorgt das Radfahren im Mischverkehr und damit im Sichtfeld anderer Fahrzeugführer für Verkehrssicherheit“, schreibt der ADFC-Sprecher. „Anders als etwa das rücksichtslose Fehlverhalten von Lkw-Fahrern, die Radfahrer beim Rechtsabbiegen töten, die viel zu oft auf bebauten Radwegen unterwegs waren.“

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Und dann wird Lau ironisch und schreibt: „Wenn ich gewusst hätte, dass Ihre Beamt:innen nur das ‚Bürgergespräch‘ mit mir suchten, um mit mir über ,grundlegende Präventionsarbeit‘ der Polizei zu reden, wäre ich natürlich sofort mit ihnen auf die Davidwache gefahren.“ Und: „Die Kommunikationsskills Ihrer Beamt:innen möchte ich nicht bewerten. Erschreckend und im Prinzip nicht zu entschuldigen ist aber ihre Unkenntnis der Rechtslage und der StVO.“

Das sei „ein Missstand, der dringend beseitigt werden muss“, schreibt der ADFC-Sprecher in seiner Antwort an den Chef der Davidwache. „Wenn Sie als Polizei die Regeln nicht kennen, wie wollen Sie dann Verkehrsteilnehmer:innen hinsichtlich eines rücksichtsvollen und richtigen Verhaltens im Straßenverkehr aufklären?“