Hamburg. Von Othmarschen bis Blankenese mit dem Fahrrad: Vor diesem Abschnitt warnt der Fachmann. Welche drastischen Forderungen es gibt.

Sie gilt als Prachtstraße Hamburgs: Die Elbchaussee erstreckt sich von Ottensen bis Blankenese. Zahlreiche schöne Villen stehen hier und wetteifern mit einem Ausblick auf die Elbe und Parkanlagen um die Aufmerksamkeit von Besuchern. Im vergangenen Jahr wurde nun in einem ersten Schritt die viel genutzte Straße aufwendig saniert und auch die Radwege prächtig erneuert. Herrliche Aussichten also für Fahrradfahrer, oder?

Ein Test mit einem Experten soll die neue Ordnung auf der Elbchaussee unter die Lupe nehmen. Für den Praxischeck stellt sich Hans-Jörg Rüstemeier zur Verfügung. Er ist Mitglied im Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) und war als Ortsgruppen-Vertreter auch bei Gesprächen über die geplante Sanierung dabei. Zusammen geht es auf die Strecke. Mit teils überraschenden Ergebnissen.

Elbchaussee im Stresstest: Zur Rushhour stadtauswärts gen Blankenese radeln

Extra zur Rushhour am Nachmittag treffen wir uns für den Stresstest. Startpunkt ist die Kreuzung Elbchaussee Ecke Parkstraße in Othmarschen. Von dort aus geht es stadtauswärts.

Das ist gut, vor allem für ungeübte Radfahrer. Denn auf dieser Straßenseite wurde eine Kopenhagener Lösung gewählt. So wird ein erhöhter Fahrstreifen für den Fahrradverkehr bezeichnet, der durch einen Bordstein von Autos und Fußgängern getrennt ist. In der Theorie zumindest.

Testtour
Testtour über die Elbchaussee: Baken weisen auf den noch nicht fertiggestellten Bordstein hin. © FUNKE / Foto Services | Katy Krause

An dieser Stelle ist der Bordstein noch nicht fertig. Provisorisch aufgestellte Baken markieren für Auto- und Radfahrer das jeweilige Ende. Trotzdem lässt es sich hier wunderbar auf der ebenen Asphaltspur fahren. So könnte es ewig weitergehen. Tut es aber nicht.

Radfahren auf der Elbchaussee: Am Jenischpark endet der Kopenhagener Radweg plötzlich

Am Jenischpark ist plötzlich Schluss. Der Kopenhagener Weg endet, der Radfahrer wird auf die Straße geführt, direkt an einer Bushaltestelle. Zum Glück fährt Hans-Jörg Rüstemeier vor. Der Fachmann behält den Überblick, reiht sich sehr geschickt vor einem Mercedes ein und macht sich breit: „Wenn ich nicht überholt werden will, setze ich mich etwas mehr in die Mitte der Fahrbahn“, gibt er später als Tipp für Engstellen, bei denen ein Überholmanöver bedeuten würde, dass Autofahrer sehr eng am Radfahrer vorbeischrammen würden – wie hier.

Die Mercedes-Fahrerin überholt kurz darauf trotzdem mit jaulendem Motor. Der Tipp kommt offenbar nicht bei jedem gut an. Für Radfahrer geht es weiter im Mischverkehr die kleine Anhöhe am Jenischpark hinab. Dabei nimmt das Fahrrad ordentlich Tempo auf, womit offenbar nicht jeder Planer gerechnet hatte.

Unfallschwerpunkt auf der Elbchaussee: „Das war ein eindeutiger Planungsfehler“

Denn das „überraschend“ hohe Tempo in Kombination mit dem offenbar nicht gut erkennbaren Übergang zum angelegten Kopenhagener Radweg, der hinter der neuen Ampel dann plötzlich wieder auf uns wartet, hatte zu zahlreichen Unfällen geführt. Wie berichtet, musste an dieser Stelle nachgebessert werden. Jetzt ist die Auffahrspur verlängert und mit roter Farbe hervorgehoben worden.

„Jeder Wechsel ist eine Gefahr“, kritisiert Rüstemeier. „Wir hätten es deshalb auch für besser gehalten, den Kopenhagener Radweg auf einer Seite der Elbchaussee durchgängig vorzusehen.“ Aber die Planer hätten am Ende anders entschieden. Angesprochen auf den Unfallschwerpunkt sagt er: „Das war ein eindeutiger Planungsfehler, die Aufleitung auf den Kopenhagener Radweg war zu kurz. Das wurde geändert, jetzt funktioniert es besser.“

ADFC-Fachmann erklärt verwirrende Markierung an der Kreuzung bei Teufelsbrück

In der Kritik steht auch die für manchen Nutzer verwirrende Markierung im Bereich der Kreuzung zur Baron-Voght-Straße. Wer nach rechts mit dem Rad abbiegen will, muss sich links einsortieren und wer nach links zum Fähranleger Teufelsbrück möchte, der soll nach rechts. Falsch herum, oder?

„Nein“, findet der Experte. „Das ist richtig so. Der abbiegende Verkehr reiht sich rechts auf. Der Streifen für geradeaus ist zwar etwas schmal, aber dafür wurde der Abbieger deutlich breiter gemacht, was mit dem hohen Verkehrsaufkommen an Radfahrern zu tun hat, die sich hier zur Rushhour zur Fähre in Richtung Airbus aufreihen.“ Zusammenprallen könne man nicht, da man nicht gleichzeitig Grün habe. Macht Sinn, wenn es der Fachmann erklärt.

Radstreifen Teufelsbrück
Wer nach links will, muss sich rechts einordnen und umgekehrt: Was auf den ersten Blick verwirrend scheint, kann der ADFC-Fachmann entwirren. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Mit diesem neuen Verständnis geht es beschwingt weiter auf der roten Fahrbahn (die übrigens dritte Variante auf dem kurzen Abschnitt). Ein großes Containerschiff zieht gerade vorbei, das lässt einen sogar den Abgasgeruch zur Rushhour vergessen, während man fast unbemerkt wieder auf einem Kopenhagener Radweg gelandet ist. Und tatsächlich bleibt das erst mal so.

Umbau der Elbchaussee: Für diesen Abschnitt gibt es Lob vom ADFC-Fachmann

Diesen Teil lobt der ADFC-Experte. Höchstens die Breite sei mit 1,80 Meter absolutes Mindestmaß. Überholen können sich Radfahrer schwer. „Unsere Hoffnung ist, dass auf dem nächsten Abschnitt der Elbchaussee beidseitige Kopenhagener Radwege entstehen, die auch breiter sind als 1,80 Meter“, sagt Rüstemeier.

2025 soll die Sanierung der Elbchaussee bis Ottensen weitergeführt werden. Da die Fahrbahn hier insgesamt deutlich breiter ist, sind die Fahrradfreunde optimistisch, dass es weniger Stückwerk und Kompromisse geben wird, sondern eine einheitliche Lösung.

Apropos Kompromisse und uneinheitliche Lösungen: Kurz vor dem Fünfsternehotel Louis C. Jacob in Nienstedten endet der Kopenhagener Radweg, von der gefühlten luxuriösen Strecke geht es an der Bushaltestelle zurück in den Verkehr. Ein böses Erwachen, und es wird noch schlimmer.

ADFC-Experte: „Ich kann es niemandem empfehlen, hier mit dem Rad zu fahren“

Im Verkehr schwimmend, die Autos im Nacken, ohne irgendwelche Streifen radeln wir bis zur Nienstedtener Kirche. Da nützt einem das seit dem Umbau eingeführte Tempo 30 auf dem Teilstück nichts. Gerade wenn man schon ein paar Kilometer in den Beinen und keinen Elektroantrieb am Rad hat, möchte man an dieser Stelle nur den Rückzug antreten. Wir bremsen und stoppen auf dem Fußweg. Es gibt Beratungsbedarf.

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Denn ab Nienstedten beginnt ein Teilstück, über das der ADFC-Mann sagt: „Ich kann es niemandem empfehlen, hier mit dem Rad zu fahren. Das macht keinen Spaß und braucht viel Selbstbewusstsein.“ Ab hier haben sich die Planer Variante vier einfallen lassen: einen Schutzstreifen, abgetrennt mit einer gestrichelten Linie, die Autofahrer überfahren dürfen und deren Markierung später auch einfach aufgrund fehlender Markierung ganz enden wird.

ADFC spricht sich gegen Schutzstreife auf der stark befahrenen Elbchaussee aus

„Wir sprechen uns grundsätzlich als ADFC gegen Schutzstreifen auf stark befahrenen Straßen aus“, erklärt Rüstemeier. Und schon kommt ein Beispiel vorbeigefahren, das zeigt, warum. Die Fahrbahn ist insgesamt eng, Autos wollen die Radfahrer überholen, und durch die gestrichelte Linie animiert, gehen sie dabei auf Tuchfühlung. Auch jetzt wird überholt, sehr nah am Radfahrer aufgrund des Gegenverkehrs.

Testtour
Testtour auf der Elbchaussee: ADFC-Fachmann Hans-Jörg Rüstemeier zeigt mittels Zollstocks den Abstand, den Autofahrer beim Überholen eines Radfahrers einhalten müssten. © FUNKE / Foto Services | Katy Krause

„Das waren niemals die vorgeschriebenen 1,50 Meter Abstand“, bilanziert Rüstemeier. Höchstens 80 Zentimeter. Er hat einen Zollstock dabei, um zu zeigen, was der gesetzlich vorgeschriebene Abstand in der Praxis bedeutet. Ein Überholvorgang ist hier nur möglich, wenn einem auf der viel befahrenen Straße keiner entgegenkommt. Utopisch.

Elbchaussee: Tempo 30 von Nienstedten bis Blankenese gefordert und autofreie Sonntage

„Wir beobachten, dass nun alle unzufrieden mit der Situation auf der Elbchaussee sind. Manche Autofahrer machen den Eindruck, als wollten sie die Straße zurückhaben, und überholen so extrem eng Radfahrer auf der Fahrbahn, dass es an Nötigung erinnert“, kritisiert Rüstemeier. Für den Abschnitt bis nach Blankenese sieht er nur eine Lösung: „Das wäre ein Fall für Tempo 30 auf der gesamten Strecke. Wir fordern auch eine Einführung der Geschwindigkeitsreduzierung auf diesem Teilstück.“

Am liebsten wäre Rüstemeier noch mehr Entschleunigung. Sein privater Wunsch: „Die Elbchaussee ist auch ein touristisches Highlight. Mein Vorschlag sind daher gelegentliche autofreie Sonntage auf der Strecke.“

Ein mutiger Wunsch. Mein Selbstbewusstsein reicht zusammen mit der Tatsache, dass ich von hier aus gen Osdorf muss, nicht aus, für den Adrenalinkick noch weiter die Elbchaussee mit dem Rad zu befahren. Ich verzichte. Rüstemeier muss weiter nach Blankenese, aber auch er winkt ab. „Das tue ich mir nicht an, das ist mir zu stressig. Ich nehme lieber die Veloroute 1.“