Hamburg. Ex-Wohnung der Bürgerschaftsabgeordneten angeblich unbewohnt. Sie kassiert Diäten in Harburg und Bürgerschaft. Was ihr nun droht.
Mittlerweile sind fast vier Monate vergangen, seit die Bürgerschafts- und Harburger Bezirksabgeordnete Olga Petersen untergetaucht ist. Mutmaßlich ist die (Noch-)AfD-Politikerin mit ihren vier Kindern ausgereist, offenbar nach Russland. Weil die drei davon schulpflichtigen Kinder in Hamburg nicht mehr zum Unterricht erschienen, hatte die Schulbehörde ein Absentismusverfahren eingeleitet und ihr eine hohe Geldstrafe angedroht. Dieses Verfahren wurde nun nach Informationen aus dem schulischen Umfeld offenbar eingestellt.
Denn Petersen hat wohl die geforderten Belege vorgelegt, dass die Kinder mittlerweile in Russland beschult werden. Damit stellt sich nun aber eine andere Frage: Wo ist Olga Petersen selbst? Sollte sie ihren Lebensmittelpunkt mittlerweile in Russland haben, könnte sie nicht länger die lukrativen Mandate in der Bürgerschaft und der Bezirksversammlung Harburg ausüben. Denn für beide ist ein Wohnsitz in Hamburg erforderlich.
Mysteriöse AfD-Frau meldet Kinder in Russland zur Schule an
Für das Bürgerschaftsmandat bekommen die Abgeordneten derzeit 4448 Euro pro Monat. Die Bezüge der Bezirksabgeordneten wurden gerade deutlich auf nun mehr als 1000 Euro pro Monat erhöht. Es ist ungewöhnlich, aber nicht verboten, dass Abgeordnete in Bürgerschaft und Bezirk gleichzeitig Mandate ausüben.
Petersen war erst im Juni erneut für die AfD in die Harburger Bezirksversammlung gewählt worden. In der Bürgerschaft hat die AfD-Fraktion sie ausgeschlossen, dort ist sie nun fraktionslos. Auch in Harburg hat sie sich mit früheren Parteifreunden überworfen. Zugleich läuft weiterhin ein Partei-Ausschlussverfahren gegen sie, da sie selbst der AfD zu rechts und zu putinfreundlich sein soll. Seit ihrer Ausreise hat sie an Sitzungen der Bürgerschaft oder der Bezirksversammlung nicht teilgenommen.
Petersen schreibt weiter Mails und stellt Anfragen an den Senat
Laut Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) hat sich Petersen aber zwischenzeitlich immer mal wieder gemeldet und sich etwa für Plenarsitzungen entschuldigen lassen. Zudem stellte sie auch weiterhin Kleine Anfragen, zuletzt etwa eine zu einer Pilzepidemie, bei der sich Fadenpilze über unhygienische Friseursalons oder Barbershops verbreiten sollen.
Bei Facebook postet Petersen in größeren Abständen etwas zur deutschen und Hamburger Politik, zuletzt attestierte sie den zurückgetretenen Grünen-Bundesvorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang „Größe“ angesichts ihrer Entscheidung – nicht ohne Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock eben diese Größe abzusprechen.
Nach Abendblatt-Informationen sollen derweil Mitarbeiter der Stadt Petersens bisherige Wohnadresse in Hausbruch aufgesucht und sie nicht angetroffen haben. Auch soll ihr Name zuletzt nicht mehr an der Hausklingel, wohl aber an der Wohnung gestanden haben. Diese sei laut Aussagen von Nachbarn zuletzt unbewohnt gewesen, hieß es. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es aber nicht. Petersen selber reagierte anders als früher jetzt nicht mehr auf Abendblatt-Anfragen.
AfD würde profitieren, wenn Petersen das Mandat abgeben müsste
Bewegung in die Sache könnte nun die AfD selbst bringen, denn sie würde davon profitieren, wenn Petersen ihr Mandat abgeben müsste – weil dann für die abtrünnige Noch-Parteifreundin jemand anderes aus der Partei in die Bürgerschaft nachrücken könnte, zumindest für den verbliebenen Rest der Wahlperiode bis zur Bürgerschaftswahl im März 2025.
Die Bürgerschaftskanzlei hatte zuletzt darauf hingewiesen, dass jeder Hamburger Wahlberechtigte bei der Bürgerschaftspräsidentin Veit beantragen könne zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Mandats, also die „Wählbarkeit“ von bestimmten Abgeordneten noch gegeben sei. Ein früherer AfD-Bezirkspolitiker hatte sich nach Abendblatt-Informationen in dieser Sache nun an Veit gewandt, die ihn aber zunächst auf die notwendige Form für einen solchen Antrag hinwies. Aus der Partei hieß es, das AfD-Mitglied wolle dieses Verfahren auch weiter betreiben. Am Ende könnte Petersen ihre Mandate damit womöglich doch noch verlieren.
Olga Petersen: Bürgerschaftspräsidentin ist noch zögerlich
Offenbar ist die Bürgerschaftspräsidentin derzeit noch zögerlich, was eine offizielle Prüfung in der Sache Olga Petersen angeht. Bisher gebe es keine offiziellen Hinweise auf einen Fortzug, so Veit. Zudem sei es nicht ungewöhnlich, dass Kinder bei einem Elternteil gemeldet seien. „Selbstverständlich ist es essenziell, dass das Parlament ordentlich zusammengesetzt ist“, sagte Veit dem Abendblatt. „Das kann aber nicht bedeuten, dass die Abgeordneten unter Beobachtung gestellt werden und jeder Verdacht gleich zu einem ‚Ermittlungsverfahren‘ führt.“
Bei „substanziellen Hinweisen von mehreren Seiten“ käme in diesem Fall „in Betracht, den Landeswahlleiter um eine Einschätzung oder Aufklärung zu bitten“, so Veit. Jedenfalls „wenn eine Aufklärung durch die Abgeordnete selbst nicht erreicht werden kann“.
Für die Bürgerschaft könnte sich die Angelegenheit durch die Wahlen im kommenden Frühjahr mehr oder weniger von selbst erledigen – wenn man denn hinnimmt, dass eine Abgeordnete, die nie zu Sitzungen kommt, bis dahin volle Diäten kassiert. Ganz anders sieht es in der Bezirksversammlung Harburg aus. Denn hier wurde Petersen ja gerade erst im Juni für fünf Jahre zur Abgeordneten gewählt.
SPD: Olga Petersen „tritt den Bürgerwillen mit Füßen“
Sie sei seit der Wahl zu keiner Sitzung erschienen, sagte der Vorsitzende der Bezirksversammlung Harburg, Holger Böhm, dem Abendblatt. „Mit so einem Verhalten treten gewählte Abgeordnete den Bürgerwillen mit Füßen“, so Böhm.
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Aktuell allerdings gebe es noch keine Anträge, Petersen das Mandat zu entziehen. Dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit in der Bezirksversammlung nötig, so Böhm. Ein Versuch in der vergangenen Wahlperiode, Petersen das Mandat zu entziehen, sei gescheitert.