Hamburg. Fraktionschefs beziehen für „Ehrenamt“ jetzt 3150 Euro netto. Auch Bürgerschaftsabgeordnete bekommen mehr Geld. Das sagen Kritiker.

Das politische Engagement für die Demokratie ist aller Ehren wert, darüber gibt es vermutlich keinen Streit. Den aber gibt es in Hamburg derzeit über eine andere Frage: Wie viel Geld sollen Bezirkspolitiker eigentlich für ihre als ehrenamtlich verstandene Arbeit auf dieser quasi kommunalen Ebene bekommen? Hintergrund ist die satte Erhöhung, die die Bürgerschaft gerade für die eigenen Abgeordneten beschlossen hat und die nun automatisch auch den Bezirkspolitikern zugutekommt.

Statt einer Kostenpauschale von bisher knapp 560 Euro bekommen Bezirksabgeordnete ab 1. August laut der auch für Bezirke zuständigen Wissenschaftsbehörde nun 1054 Euro pro Monat, Fraktionschefs und andere Funktionsträger sogar den bis zu dreifachen Betrag davon, also mehr als 3150 Euro. Und zwar jeweils netto, ohne davon Sozialabgaben oder Steuern abführen zu müssen. Zusätzlich erhalten Bezirkspolitiker 40 Euro für jede Sitzung, Fahrtkosten werden ihnen erstattet, ebenso Kosten für Kinderbetreuung, es gibt überdies einen IT-Zuschuss und eine Entschädigung für Dienst- und Arbeitsausfall.

„1000 Euro pro Monat steuerfrei und ohne Verwendungsnachweis. Das sollte man mal als Selbstständiger beim Finanzamt versuchen durchzubekommen“, sagte der Hamburger Chef des Bundes der Steuerzahler, Sascha Mummenhoff, zu dem Beschluss der Bürgerschaft von vergangenem Mittwoch. „Wir sind ehrlich erstaunt, wie sorglos hier mit dem Geld der Steuerzahlenden umgegangen wird.“

Mehr Geld für Hamburgs Bezirkspolitiker: „Das ist ein zu heftiger Schluck aus der Pulle“

Zwar müsse gute Arbeit gut bezahlt werden, so Mummenhoff weiter. Wer engagierte Politiker fordere, müsse sich dies auch etwas kosten lassen. „Aber der Umgang mit den Pauschalen verfehlt dann doch sein Ziel. 1000 Euro auf die Hand – sogar für Bezirkspolitiker – sind ein zu heftiger Schluck aus der Steuerzahler-Pulle. Vor allem dann, wenn das Geld quasi für fast alles auf den Kopf gehauen werden darf. Wo bleibt da die Kontrolle?“ Pauschalen von bis zu 3000 Euro seien „deutlich überzogen“, so der Chef des Steuerzahlerbundes Hamburg. „Viele Hamburger Steuerzahler verdienen solche Beträge nicht einmal in Vollzeit.“

Die Bürgerschaft hatte für die eigenen Abgeordneten ebenfalls eine Erhöhung der Kostenpauschale von 540 auf 1000 Euro monatlich beschlossen. Die Empfehlung einer neutralen Kommission, die Erhöhung in den Bezirksversammlungen von der in der Bürgerschaft zu entkoppeln und auf 600 Euro zu begrenzen, ignorierte die Bürgerschaftsmehrheit dabei. Denn die Bezirksversammlungen hatten sich in meist von SPD, CDU, Grünen und FDP getragenen Beschlüssen dafür ausgesprochen, die bestehende Kopplung der eigenen Bezüge an die der Bürgerschaft beizubehalten. Alles andere werde als Geringschätzung der Bezirkspolitik wahrgenommen, argumentierten sie.

Bürgerschaft Hamburg: Mehr Übergangsgeld, bessere Altersversorgung

Zugleich hatte die Bürgerschaft das Übergangsgeld für eigene scheidende Abgeordnete verlängert. Sie bekommen nun drei Monate nach Ausscheiden ihre Diäten ohne Anrechnung von anderen Einkünften und danach maximal bis zu zwölf Monaten unter Anrechnung von Einkünften. Zusätzlich erhalten sie jetzt eine „Basisversorgung“ als „Altersversorgung abhängig von der Zugehörigkeit zur Bürgerschaft“. Fraktionsvorsitzende und deren Stellvertreter sowie Parlamentspräsidenten und deren Vize erhalten jeweils ein Mehrfaches.

Kritik gab es auch von der Linken, vor allem an den deutlich steigenden Bezügen der Bezirksabgeordneten. „Wir haben die Vorschläge der Kommission für die Neuregelung der Entschädigungsregelung für die Bezirksgremien unterstützt, doch SPD, Grüne und CDU haben sowohl in den Bezirken als auch in der Bürgerschaft diese Kommissionsvorschläge ignoriert“, monierte der bezirkspolitische Sprecher der Linken in der Bürgerschaft, Stephan Jersch.

Linke Hamburg: „Das ist für die Akzeptanz fatal“

„Mitten im Wahlkampf wurden teilweise als Tischvorlagen vorgelegte Stellungnahmen in den Bezirken eingebracht, ohne dass ein erneuter fraktionsübergreifender Konsens zu den nun geplanten höheren Leistungen herbeigeführt wurde. Im Einzelfall wurde sogar mit falschen Behauptungen argumentiert. Es ist für die Akzeptanz aber fatal, einen breit erarbeiteten Vorschlag praktisch über Nacht umzukrempeln.“

Die Anhebung der „Grundaufwandsentschädigung auf ein mit den Berliner Bezirken vergleichbares Niveau“ sei zwar richtig, so Jersch. „Wir haben uns aber gegen die 3000 Euro für Fraktionsvorsitzende ausgesprochen. Für die höhere Arbeitsleistung der Vorsitzenden ist aus unserer Sicht maximal eine doppelte Pauschale gerechtfertigt. Leider hat unser Antrag dazu, den wir mit unseren Bezirksfraktionen abgestimmt hatten, in der Bürgerschaft keine Mehrheit gefunden.“

Mehr Aufwand: SPD, Grüne, CDU halten Anhebung für gerechtfertigt

Die SPD verteidigte die Änderungen. „Die deutliche Erhöhung der Aufwandsentschädigung ist gerade auch im Hinblick auf die Wichtigkeit der Bezirke für unsere Stadt gerechtfertigt“, sagte ihre Bürgerschaftsabgeordnete Anja Quast. „Die Arbeit in den Bezirksversammlungen ist in den vergangenen Jahren immer komplexer und vielschichtiger und damit auch deutlich zeitintensiver geworden.“

Gabor Gottlieb, SPD-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Eimsbüttel, sagte dem Abendblatt: „Bezirkspolitiker aller Parteien brennen häufig für ihre Stadtteile und die kleinen Themen vor Ort. Sie sind im besten Sinne Kümmerer, Wegweiser und Beschwerdestellen, sind nicht so häufig im medialen Fokus, treffen aber auch verantwortliche und weitreichende Entscheidungen von der Jugendhilfe bis zur Bauplanung.“ Neben ihren normalen Jobs seien sie stets erreichbar und an mehreren Abenden der Woche unterwegs, so Gottlieb. „Um diese Demokratie zu ermöglichen und auch für alle möglich zu machen, braucht es einen entsprechenden Ausgleich.“

Bürgerschaft Hamburg: „Wir wollen das ehrenamtliche Engagement sicherstellen“

Die Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Lena Zagst bezeichnete die höhere Kostenpauschale als „schlichtweg leistungsgerecht“, da die Arbeit in den Bezirken immer aufwendiger geworden sei. „Es geht schließlich darum, engagierte Hamburgerinnen und Hamburger auch in Zukunft für die Bezirkspolitik gewinnen zu können.“

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Das sieht auch Dennis Gladiator, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Bürgerschaftsfraktion, so. „Wir wollen das ehrenamtliche Engagement für die Menschen in unserer Stadt stärken und sicherstellen, dass dies unabhängig von der eigenen Situation für alle wahrnehmbar ist“, sagte er dem Abendblatt. „Vorsitzende der Bezirksfraktionen haben hier besondere Aufgaben, auch als Verantwortliche für die Mitarbeiter der Fraktionen, die Koordination der Arbeit und im Austausch mit den Bürgern.“

Bezirkspolitik: AfD nennt Erhöhung dreist und wird selbst der Dreistigkeit beschuldigt

Die AfD dagegen hatte die Erhöhungen als „dreist“ abgelehnt. „Sich derart schamlos die Taschen selbst vollzustopfen, ist unverschämt“, hatte ihr bezirkspolitischer Sprecher und Bürgerschaftsabgeordneter Marco Schulz bereits bei Bekanntwerden der Pläne gesagt.

Schulz allerdings kassiert selbst doppelt: Er ist nicht nur Abgeordneter der Bürgerschaft, sondern auch Mitglied der AfD-Bezirksfraktion in Wandsbek und dort sogar stellvertretender Fraktionschef. Damit bekommt er Zahlungen für beide Mandate. Das sei zwar formal erlaubt, hieß es aus der Hamburger SPD. „Aber eine solche Dreistigkeit würde es bei uns nicht geben.“