Barmbek. Asklepios Klinikum setzt neuartigen „Birth Trolley“ ein. Warum er ein Meilenstein ist und dadurch die Überlebenschancen für Babys steigen.
Eine Geburt ist eine komplizierte Angelegenheit. Und noch komplizierter wird es, wenn es sich um ein Frühchen handelt. Etwa zehn Prozent der Neugeborenen in Deutschland können durch Unreife oder aufgrund einer besonderen Diagnose ihre ersten Atemzüge nicht selbstständig nehmen.
In einem solchen Fall heißt es in der Regel: so schnell wie möglich abnabeln und versorgen. Bei der schnellen Abnabelung wird allerdings die Zufuhr von Blut und damit auch von roten Blutkörperchen und Stammzellen abrupt gestoppt. Doch jetzt gibt es neue Hoffnung für Frühchen!
In der Asklepios Klinik in Barmbek können Frühchen und andere Neugeborene künftig am Concord Birth Trolley direkt an der Nabelschnur versorgt werden. Warum dadurch die Überlebenschancen steigen.
Neuer Babytisch verbessert Versorgung von Neugeborenen
„Mit dem Concord Birth Trolley können wir in Barmbek jetzt Frühgeborene noch direkt an der Nabelschnur bei Komplikationen mit der Atmung erstversorgen. Dies ist ein Meilenstein für die neonatologische Versorgung und kommt Eltern und Kind gleichermaßen zugute“, so Dr. Susanne Schmidtke, Chefärztin für Neonatologie am Asklepios Klinikum Barmbek.
Der Concord Birth Trolley kann direkt über den Geburtstisch geschoben werden und ermöglicht damit die Notfallversorgung von Neugeborenen direkt bei der Mutter – und an der Nabelschnur.
Krankenhaus Hamburg: Wann Ärzte bei einer Geburt eingreifen müssen
Die Diskussion darum, wie schnell ein Baby abgenabelt werden sollte, ist schon uralt, erklärt die Hamburger Chefärztin Dr. Susanne Schmidtke. Seit dem 19. Jahrhundert ist man sich in der Medizin aber einig, dass die Kinder ein größeres Blutvolumen haben, wenn die Abnabelung später stattfindet.
Im besten Fall wird das Neugeborene also so lange über die Nabelschnur mit Blut versorgt, bis es seine kleine Lunge entfalten und selbstständig die ersten Atemzüge nehmen kann. Allerdings kann es gerade bei Frühgeborenen vorkommen, dass sie den ersten Atemzug nicht schnell genug nehmen können und Hilfe benötigen.
Dann muss schnell gehandelt werden, und die Nabelschnur wird durchtrennt, um das Kind an Geräten möglichst gut zu versorgen. Genau dieser Schritt fällt mit dem neuen Geburtstisch jetzt weg.
Asklepios Barmbek nutzt als erste Klinik in Hamburg den Birth Trolley
Nur etwa 52 Kliniken weltweit, davon rund fünfzehn in Deutschland, nutzen den Birth Trolley derzeit. Die Barmbeker Asklepios Klinik ist nun die erste Klinik in Hamburg, die einen solchen Geburtstisch derzeit aktiv verwendet. Das Altonaer Kinderkrankenhaus will noch in diesem Jahr mit der Nutzung folgen.
„Im Grunde handelt es sich bei dem Birth Trolley wirklich um eine verwegene Idee“, erklärt Dr. Schmidtke. Denn das Problem der Unterkühlung stand der Erfindung lange Zeit im Weg.
Geburten: Eine neue Ära der Geburtsbegleitung
Ein Neugeborenes mit Komplikationen für die ersten wichtigen Maßnahmen nicht auf einen Wärmetisch zu legen und rundherum viel Platz zu haben, war zunächst kaum vorstellbar. Österreichische und niederländische Ärzte versuchten es letztlich aber einfach und läuteten damit eine neue Ära der Geburtsbegleitung ein.
Der Birth Trolley ersetzt allerdings keinen Inkubator, umgangssprachlich auch Brutkasten genannt. Denn dieser kommt in der Regel erst zum Einsatz, wenn alle Maßnahmen am Kind bereits durchgeführt wurden.
Es kann aber durchaus vorkommen, dass die Kinder durch den Trolley besser versorgt werden und somit anschließend nicht in den Brutkasten müssen, sondern auf die Brust der Mutter dürfen. Diese Möglichkeit auf eine bessere Versorgung der Babys ist der Barmbeker Chefärztin extrem wichtig.
Krankenhaus Hamburg: Babytisch ist eine Innovation in der Stadt
„Bei dem Birth Trolley handelt es sich wirklich um eine Herzensangelegenheit für mich“, betont sie. Das merkt man auch: Denn im Laufe des Gesprächs wird deutlich, dass es sich nicht einfach um ein Hilfsmittel handelt, das den Mitarbeitenden der Station die Arbeit erleichtert. Beinah im Gegenteil, denn erst mal erfordert der Umgang mit dem Babytisch viel Übung. In Barmbek stand dafür extra ein Support-Team zur Verfügung, das den Umgang mit dem Birth Trolley erklärte und das Team trainierte.
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So sperrig wie der Name selbst, so sperrig ist auch das Gerät an sich. „Es klingt total banal, aber man muss tatsächlich erst mal das Platzproblem lösen. Bei so einer Geburt stehen sehr viele Helfende, aber eben wirklich sehr viele Personen um die werdende Mutter herum. Da war es schlichtweg lange nicht vorstellbar, dass da noch ein Gerät von dieser Größe Platz finden soll“, erklärt Dr. Schmidtke.
„Zunächst wurde unser ganzes Team an dem leeren OP-Tisch geschult und alle Abläufe erst mal durchgespielt und geübt. Dann konnte das Ganze langsam in der Praxis ausprobiert werden“, erklärt Dr. Schmidtke den Lernvorgang, den das Barmbeker Team seit Juni durchläuft.
Warum Geburtshelfende so viel Verantwortung tragen
Das Problem: Jede Entscheidung, die bei einer Geburt getroffen wird, kann lebenslange Konsequenzen mit sich bringen. Somit tragen die Helfenden sowie Ärzte und Ärztinnen im gesamten Prozess eine große Verantwortung – die Nachsorge eingeschlossen.
„Der Geburtstisch trägt daher zum Überleben von Frühgeborenen bei. Die Hoffnung ist, dass mit dem Geburtstisch häufiger die Weichen für ein gesundes Überleben gestellt werden“, erklärt die Ärztin.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht eine Investition in die Zukunft
Letztlich bietet der Babytisch damit neben den gesellschaftlichen Vorteilen aber auch den Kliniken einen wirtschaftliche Vorteil. Je besser die Neugeborenen behandelt werden, desto gesünder sind sie für den Rest ihres Lebens und im hohen Alter. Für die Krankenhäuser bedeutet das auf lange Sicht auch eine Entlastung.
Zudem hilft die Anschaffung des Babytischs den Klinken auch im Konkurrenzkampf mit anderen Krankenhäusern und Kliniken. So zieht eine hochmoderne Anschaffung wie der Birth Trolley etwa neues Fachpersonal an.
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Mit dem Geburtstisch erhofft sich das Team der Asklepios Klinik weniger negative Konsequenzen für seine Schützlinge. „Der Birth Trolley entlastet uns als Station zwar eigentlich nicht. Aber man wird viel zufriedener, weil man die Frühgeborenen besser auf ihrem Weg ins Leben begleiten kann“, betont die Chefärztin ihre Begeisterung für den Birth Trolley.
Der Geburtstisch wird derzeit nur von Kliniken mit einem Perinatalzentrum mit dem Level 1 genutzt werden. Grundsätzlich könne man den Birth Trolley aber für alle Geburtsstationen erwägen, meint Dr. Schmidtke. Sowieso geht sie davon aus, dass in zehn Jahren jedes Kind, selbst bei einer erforderlichen Wiederbelebung, an der Nabelschnur und damit bei der Mutter versorgt werden kann.
In der Zwischenzeit wünscht sich die Chefärztin aber erst mal einen zweiten Geburtstisch für ihre Abteilung, um den Neugeborenen mehr Lebensqualität zu schenken.
Beim alljährlichen Frühchenfest, bei dem Kinder zu Besuch kommen, die als Frühchen geboren wurden, kann sie sich gemeinsam mit ihrem Team über die Ergebnisse ihrer Arbeit freuen. Und wer weiß, vielleicht wird ihre Prophezeiung wahr, und in ein paar Jahren kommen nur noch Kinder zu Besuch, die trotz frühzeitiger Geburt ganz nah bei ihren Eltern und sanft ins Leben starten durften.