Hamburg. Prof. Dr. Holger Maul ist einer der bekanntesten Geburtsmediziner. Er sagt, wie Erwartungen an die „perfekte Geburt“ gestiegen sind.

  • Viele werdende Mütter hinterfragen heute alles, seien sehr gut informiert, sagt der Hamburger Geburtsmediziner Holger Maul.
  • Manche wollen bewusst einen Kaiserschnitt.
  • Es mache einen Unterschied, aus welchem Stadtteil die werdenden Eltern kommen.

In der Asklepios Klinik Barmbek sind im ersten Halbjahr des laufenden Jahres 1497 kleine Hamburger und Hamburgerinnen zur Welt gekommen – so viele Babys wie in keinem anderen Hamburger Krankenhaus. „Ich saß gerade im Zug, als mir meine Mitarbeiter ganz stolz diese Nachricht geschickt haben“, sagt Professor Dr. Holger Maul. Die Freude des Teams habe ihn durchaus angesteckt, doch grundsätzlich verspüre er keinen Wettbewerb mit Altona (1471 Geburten) oder dem UKE (1450 Geburten).

„Die Zahlen liegen ja nun sehr nah beieinander und die Kollegen in den anderen Häusern machen ebenfalls hervorragende Medizin“, sagt der Barmbeker Chefarzt der Abteilung für Geburtshilfe und Pränatalmedizin. „Für mich persönlich ist jede einzelne Geburt, die positiv und entsprechend der Erwartungen der Mütter verläuft, ein Erfolg.“

Geburten in Hamburg: Durchschnittsalter der Mütter beim ersten Kind liegt bei über 30 Jahren

Denn das „Erwartungsmanagement“, die Gespräche vor der Geburt, nähmen tatsächlich mehr Raum ein als noch vor einigen Jahren. Das Durchschnittsalter der Frauen bei der ersten Geburt liege mittlerweile bundesweit bei etwas mehr als 30 Jahren, in Hamburg sogar noch etwa drei Jahre darüber. „Da haben sich selbstverständlich Ansprüche entwickelt, die man mit Anfang 20 so nicht gehabt hätte. Das Selbstbewusstsein ist ausgeprägter, die Frauen hinterfragen und wollen mitgenommen werden“, sagt der Experte.

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Hamburger Chefarzt: „Werdende Mütter haben hohe Erwartungen“

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Manche hätten beispielsweise die Sorge, dass ein gewünschter Kaiserschnitt nicht vorgenommen werde. „Falls sich Frauen eine vaginale Geburt nicht vorstellen können, dann werde ich mich nicht missionarisch hinstellen und sagen: Das müssen Sie sich jetzt aber vorstellen“, sagt der Chefarzt. Gleiches gelte für Maßnahmen unter der Geburt: Manche fordern eine Periduralanästhesie (PDA), andere wollen den Schmerz voll erleben. „Jede Frau ist anders, jede Geburt auch.“

Hamburger „Geburten-König“: Sozioökonomischer Status der Eltern spielt eine große Rolle

Mit seinem Team nehme er sich möglichst viel Zeit, um die Wünsche und Erwartungen der werdenden Mütter vorab auszuloten. „Vieles hängt vom Umfeld, von der Familie, den Freunden und Bekannten und deshalb auch manchmal vom Stadtteil ab, in dem die werdende Mutter wohnt“, sagt der gebürtige Franke. „Aus meiner mittlerweile mehr als 25 Jahre umfassenden Erfahrung weiß ich, dass der sozioökonomische Status und das Umfeld der werdenden Eltern eine fast noch größere Rolle spielen als die kulturelle Herkunft.“

Prof. Dr. Holger Maul
Prof. Dr. Holger Maul ist aktuell der „Geburten-König“ von Hamburg. In seiner Abteilung in der Asklepios Klinik Barmbek wurden im ersten Halbjahr 2024 die meisten Babys geboren. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Er erlebe werdende Mütter, die mit einem unzureichend geführten Mutterpass kommen, vielleicht nur zweimal beim Frauenarzt waren und ein großes Risikoprofil haben, von dem sie selbst nichts wissen. „Und auf der ganz anderen Seite gibt es jene, die jeden Artikel lesen, die sich über jede Kleinigkeit viele Gedanken machen, die man als guter Arzt dann auch ein bisschen einfangen muss“, sagt der dreifache Vater. Da gelte es, eine gewisse „Bedarfsgerechtigkeit“ zu schaffen: „Also wie erreichen wir die Frauen besser, die eine Betreuung am nötigsten haben?“

Geburten in Hamburg: Stillen, Depressionen, Inkontinenz – wie geht es den Müttern nach der Geburt?

An der Asklepios Klinik Barmbek arbeite man daran, die Frauen auch nach der Geburt weiter im Blick zu behalten. „Früher war: Entlassung und auf Wiedersehen. Heute muss uns wertfrei noch mehr interessieren: Wie lange stillen die Mütter oder warum hören sie auf? Was ist mit Wochenbettdepressionen? Wie viele Frauen leiden nach der Entbindung an Inkontinenz?“ Gäbe es zu diesen Themenfeldern noch aussagekräftigere Daten, könnte man als Abteilung für Geburtshilfe besser nachsteuern.

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Der Erfolg einer Geburtsklinik hänge an der Medizin, aber auch am Personal. „Alleine geht gar nichts. Sie brauchen ein hervorragend motiviertes Team, das nachts und sonntags genauso gut performt wie mittwochs um 10 Uhr. Denn Geburten lassen sich halt nicht planen“, sagt der Experte.

Das Schönste sei auch nach Jahren im Beruf immer noch, wenn eine junge Familie glücklich nach Hause gehe. „Das ist unser oberstes Ziel: Kind gesund, Mutter gesund, Eltern zufrieden mit dem Verlauf der Geburt.“