Hamburg. Der Schüler löste an der Stadtteilschule Eidelstedt einen Großeinsatz aus. Zuvor war Schulen ein Sprengstoffanschlag angedroht worden.
Dieser Schultag wird den Kindern und Jugendlichen der Stadtteilschule Eidelstedt noch lange traumatisch in Erinnerung bleiben. Schwer bewaffnete Spezialkräfte der Polizei rücken an dem Schulgebäude an der Lohkampstraße an, stürmen in die Klassenräume, in denen sich die Schülerinnen und Schülern mit den Lehrkräften verbarrikadiert haben. Vor den weiträumigen Absperrungen bangen Eltern und Angehörige um ihre Liebsten. Amok-Alarm – für viele dürfte es der Schreck ihres Lebens sein.
Alles begann am Montagmorgen mit einer Handgreiflichkeit, so erklärte es Polizeisprecherin Sandra Levgrün später. Zwei Schüler gerieten in Streit. Einer von ihnen soll dabei eine Ohrfeige kassiert haben. Er habe daraufhin das Gebäude verlassen und sei später mit einer vermeintlichen Schusswaffe im Hosenbund zurückgekehrt – womit er den Großeinsatz auslöste. Jetzt wird gegen den 16-Jährigen wegen Bedrohung ermittelt.
Amok-Alarm in Hamburg-Eidelstedt: Schüler mit vermeintlicher Waffe löst großen Polizeieinsatz aus
Zunächst blieb offen, ob es sich um eine echte oder eine Spielzeugwaffe handelte. Die Polizei sprach auf der Plattform X von einer „unklaren Bedrohungslage“. Sie rückte gegen 10.30 Uhr mit großem Aufgebot an. Auch die Unterstützungsstreife für erschwerte Einsatzlagen (USE) war vertreten – sie verfügt über Spezialausrüstung wie Langwaffen und ist für Terror- und Amoklagen gewappnet.
Der Schüler hatte zu diesem Zeitpunkt vermutlich das Schulgelände bereits wieder verlassen. Dies sei durch die Polizei geprüft worden.
Zudem wurde außerhalb des Gebäudes nach dem namentlich bekannten Schüler gefahndet. Streifenwagen fuhren die umliegenden Straßen ab, auch der Polizeihubschrauber Libelle wurde zur Unterstützung angefordert.
Die Kinder und Jugendlichen verblieben während des gesamten Einsatzes in den Klassenräumen. Für die Eltern wurde wähhrenddessen eine Anlaufstelle an der Ecke Zweigweg eingerichtet.
Kurz nach 13 Uhr war der größte Schreck vorbei: Der Einsatz war beendet, die Kinder und Jugendlichen wurden an ihre Angehörigen übergeben. Die Lohkampstraße blieb zunächst noch gesperrt. Die Fahndung nach dem 16-Jährigen lief derweil weiter.
Spezialeinsatzkommando überprüft Wohnung des verdächtigen Jungen in Eidelstedt
Am frühen Nachmittag raste ein Spezialeinsatzkommando (SEK) zur Wohnanschrift des verdächtigen Jungen am Friedrichshulder Weg (Lurup). Dort trafen die schwer bewaffneten Einsatzkräfte jedoch nur seinen Vater an. Nach Abendblatt-Informationen hatte die Schwester Kontakt zu dem Verdächtigen und ihm nahegelegt, sich zu stellen.
Allzu lange dauerte die Fahndung dann nicht mehr. „Gegen 15.30 Uhr näherte sich der Jugendliche selbstständig seiner Wohnanschrift und wurde von Polizistinnen und Polizisten vorläufig festgenommen“, sagte Polizeisprecher Thilo Marxsen am Montagabend. Bei seiner Festnahme habe der 16-Jährige eine Bauchtasche mit sich geführt, in der eine Spielzeugwaffe lag.
#hh0909 #Eidelstedt
— Polizei Hamburg (@PolizeiHamburg) September 9, 2024
Der Schüler wurde durch Polizeikräfte angetroffen und festgenommen. Die Fahndungsmaßnahmen sind somit beendet.
Ob es sich um jene Waffe handelt, die der Schüler bei der Eskalation an der Stadtteilschule im Hosenbund getragen haben soll, ist damit allerdings nicht gesagt. Der Junge sei inzwischen aus dem polizeilichen Gewahrsam entlassen worden, da keine Haftgründe vorliegen, so Marxsen. Die weiteren Ermittlungen führt das Dezernat für Jugendkriminalität in Altona.
Für Hamburgs Schulen war es nicht nur deshalb ein schwarzer Montag. Schon vor dem Amok-Alarm sorgte eine ominöse E-Mail dafür, dass der Unterricht an mehreren Schulen nicht wie geplant beginnen konnte.
Sechs Schulen in Hamburg mit Sprengstoffanschlag bedroht
Die Nachricht war nach Angaben der Polizei und der Schulbehörde am Sonntagabend an sechs Schulen versandt worden. Darin sei in gleichem Wortlaut ein Sprengstoffanschlag angedroht worden. Die Schulen hätten sich daraufhin an die Polizei gewandt.
Die E-Mail war bereits am Sonntag zwischen 17 und 23 Uhr bei den Schulen eingegangen. Schon der Wortlaut habe, so hieß es vonseiten der Polizei, an der Ernsthaftigkeit zweifeln lassen.
Betroffen war unter anderem das Johanneum: Die Schülerinnen und Schüler von Hamburgs ältestem Gymnasium wurden am Morgen per E-Mail aufgefordert, zu Hause zu bleiben und sich auch nicht in der Nähe des Gebäudes an der Maria-Louisen-Straße (Winterhude) aufzuhalten. In einer Mail an die Eltern war von polizeilichen Maßnahmen an der Schule die Rede.
An der Ida-Ehre-Stadtteilschule mit ihren Standorten an der Bogenstraße (Harvestehude) und am Lehmweg (Hoheluft-Ost) wurden die Schülerinnen und Schüler am Morgen nach Hause geschickt und sollten der Schule bis 9 Uhr fernbleiben. Eltern wurde erklärt, es gebe eine „unklare Sicherheitslage“.
Unklare Bedrohungslage – Polizei Hamburg überprüft mehrere Schulen
Laut Schulbehördensprecher Peter Albrecht hatten zudem die Katharinenschule in der HafenCity, die Heinrich-Hertz-Schule in Winterhude, die Schule Rellinger Straße in Eimsbüttel und die Theodor-Haubach-Schule in Altona-Nord eine Droh-E-Mail erhalten.
Nach Angaben der Polizei seien alle betroffenen Schulen überprüft und keine Bedrohung festgestellt worden. Der Schulbetrieb könne somit weitergehen.
An der Ida-Ehre-Schule wurde der Unterricht am Vormittag wieder aufgenommen. Anders am Johanneum: Aus organisatorischen Gründen sollten die Schüler am Montag zu Hause bleiben, hieß es in einer E-Mail.
Auch Schulen in Brandenburg von Bedrohungen betroffen
Offenbar waren am Montag nicht nur Schulen in Hamburg von Bedrohungen betroffen. Mehrere Schulen in Brandenburg an der Havel und Potsdam haben in der Nacht Bombendrohungen erhalten. Aktuell gehe man von Drohungen per Mail im zweistelligen Bereich aus, allerdings nicht von einer ernsthaften Bedrohungslage, sagte die Polizei in Brandenburg.
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Im November vergangenen Jahres war es an zwei Hamburger Schulen wegen einer Bedrohungslage zu einem Großeinsatz der Polizei gekommen. An der Stadtteilschule Blankenese bedrohten zwei Minderjährige eine Lehrerin mit einer Art Schusswaffe, die sich später als Spielzeug herausstellte. Später am Tage tauchten diese und weitere Kinder und Jugendliche an der Grundschule Mendelssohnstraße in Bahrenfeld auf und bedrohten auch dort eine Lehrkraft.
Die Ida-Ehre-Schule war 2019 von einer rechtsextremistischen Bombendrohung betroffen. Die entsprechende Mail wurde von der Polizei später als „nicht ernst zu nehmend“ eingestuft.