Hamburg. Hamburger Polizei deckt Drogentaxi-Netzwerk auf: Festnahme nach verdeckter Beobachtung. Ein Angeklagter erklärt das Liefersystem.

Marihuana, MDMA und die synthetische Droge 2C-B ganz einfach übers Smartphone bestellen? In Hamburg soll das Rauschgift über sogenannte Drogentaxis an Kunden ausgeliefert worden sein. Einer der Fahrer dieses speziellen Lieferservice muss sich nun vor dem Hamburger Landgericht wegen bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verantworten.

Der Prozessauftakt (29. August) dauerte lediglich 25 Minuten – aufgrund eines richterlichen Fehlers. Am zweiten Verhandlungstag an diesem Donnerstag sprechen zwei Beamte der Hamburger Polizei über ihren anfänglichen Verdacht eines Drogenkurierdienstes und die Festnahme des Angeklagten M. Der 39-Jährige äußert sich selbst zu den Tatvorwürfen – größtenteils geständig.

Hamburg: Beschuldigter äußert sich zur Anklage der Staatsanwaltschaft

Der Angeklagte ließ seine Schilderungen im sogenannten „Drogentaxi-Prozess“ von seinem Anwalt verlesen. M. erklärte, dass er Anfang Februar 2024 nach Deutschland eingereist sei, um eine Arbeit als Dachdecker anzutreten. Da er die versprochene Stelle nicht bekommen habe, sei ihm nach zwei Wochen das Geld ausgegangen. Auf der Suche nach einer neuen Einkommensquelle habe er schließlich das Angebot eines Mannes, der ebenfalls aus Serbien stammen soll, angenommen, als Kurierfahrer zu arbeiten und ein Zimmer zu mieten. Erst später habe er erfahren, dass er Drogen ausliefern sollte.

Zum allgemeinen Vorgehen des Liefer-Netzwerkes sagt M.: „Die Absprache war, dass ich ein Fahrzeug und eine Menge Marihuana zur Verfügung gestellt bekommen habe, die ich dann ausfahren sollte. Dafür gab es eine Chatgruppe, in der die Lieferadressen mitgeteilt wurden.“ Pro verkauftem Tütchen Marihuana, das etwa fünf Gramm enthielt, soll der 39-Jährige sieben Euro erhalten haben. An einem durchschnittlichen Arbeitstag habe er zwischen 150 und 200 Euro Umsatz gemacht – nach Abzug von Miet- und Benzinkosten jedoch nur 50 bis 70 Euro ausgezahlt bekommen.

Dem Angeklagten wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, im Rahmen dieses Geschäftsmodells nicht nur die Betäubungsmittel per Drogentaxi ausgeliefert zu haben, sondern auch für die Abrechnung und Buchhaltung sowie die Ausstattung der Fahrer verantwortlich gewesen zu sein. M. betonte, dass er nur Anweisungen entgegengenommen und weder an der Organisation noch an der Planung beteiligt gewesen sei.

Mutmaßlicher Drogenkurierfahrer wollte aussteigen – „Druck und Angst“

Weiter wird ihm zur Last gelegt, in der Beckstraße im Hamburger Schanzenviertel einem Kunden knapp fünf Gramm Marihuana „gewinnbringend, aber zu unbekanntem Preis“ verkauft zu haben. Am zweiten Prozesstag beschrieb er mehrere Auslieferungsfahrten, an denen er größere Mengen Marihuana verkauft und die Einnahmen an seine Kontaktperson übergeben habe.

„Ich verspürte einen gewissen Druck und Angst und habe deshalb weitergemacht.“

Angeklagter M. im Drogentaxi-Prozess

Entgegen der Absprache soll M. an einem anderem Tag eine größere Menge Cannabis erhalten haben, die er an weitere Fahrer verteilen sollte. Auch habe er die Umsätze der anderen Lieferanten eingesammelt. „Insgesamt hatte ich 4300 Euro bei mir, neben meinem eigenen Umsatz noch den von zwei bis drei weiteren“, so M., der danach seiner Kontaktperson mitgeteilt habe, dass er aussteigen wolle. „Ich verspürte einen gewissen Druck und Angst, und habe deshalb weitergemacht.“

Drogentaxi-Fahrer wollte nur Marihuana ausliefern

M. gab an, dass er nicht, wie ihm vorgeworfen wird, am Verkauf von MDMA oder anderen Drogen beteiligt gewesen sei und sich bewusst aus einer zweiten Chatgruppe, die „Party“ genannt wurde, herausgehalten habe. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters, warum er nur Cannabis verkaufen wollte, antwortete M., dass er diese anderen Drogen für viel gefährlicher halte und Angst gehabt habe, diese zu verkaufen.

Sein Anwalt betont am Ende der Einlassung: „Grundsätzlich zeigt sich mein Mandant geständig. Er war aber nicht Organisator oder Figur des Systems, sondern Teil des Systems.“

Polizei Hamburg entdeckt Drogentaxi durch nervös wirkenden Käufer

Doch wie flog dieses System überhaupt auf? Polizist G. nahm den mutmaßlichen Drogenkurierfahrer im März fest. Der Beamte in Zivil war damals bei einer „Oberflächenfahndung“ in der Schanze im Einsatz, wie er erläutert. Kollegen beobachteten ein Fahrzeug, in das eine Person zugestiegen war, die zuvor mit Handy in der Hand an der Straße stand, jedes Auto taxierte und nervös wirkte. Ein Hinweis auf möglichen Drogenverkauf, so G. Während die Kollegen den mutmaßlichen Käufer kontrollierten, folgte G. dem Fahrzeug verdeckt.

Die Beamten hielten das Fahrzeug an. M. stellte den Motor ab und stieg aus, woraufhin G. ihn fesselte und belehrte. Der Verdächtige stimmte einer Durchsuchung des Fahrzeugs zu. Beweismittel wurden gesichert und das Auto auf dem Seitenstreifen abgestellt, der Schlüssel zur Wache gebracht.

Drogentaxi Hamburg: In Kurierauto fanden Ermittler Drogen, Bargeld und ein Handy

Laut Strafanzeige wurden in dem Audi A3 16 Marihuana-Beutel und sechs Gripbeutel unter dem Sitz gefunden sowie Bargeld. Zum Verhalten des Verdächtigen erklärte G., dass dieser nicht sonderlich überrascht wirkte. Es gab keine Anzeichen für Aggression oder Fluchtversuche.

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Auf dem beschlagnahmten Handy habe die Kriminalbeamten verschiedene Chats in der Messenger-App Signal gefunden. In einer Gruppe habe es eine Person gegeben, die als „Zentrale“ fungiert habe. So soll S. Lieferadressen, Cannabis-Menge und -Sorte gepostet haben, sagte eine Polizistin vor Gericht. Es soll auch über Ecstasy-Tabletten und 2C-B gesprochen worden sein. M. soll zwar in den Chat geschrieben haben, aber nicht auf die Aufträge von S. reagiert haben.

Noch ist die Beweisaufnahme in dem Verfahren um Hamburger Drogentaxis nicht abgeschlossen. Die Verhandlung wird am 11. September fortgesetzt.