Hamburg. Bedingungsloses Grundeinkommen: Jetzt startet das Volksbegehren in Hamburg. Was die Befürworter genau durchsetzen wollen.
- Am 10. September beginnt die Unterschriftensammlung
- Bedingungsloses Grundeinkommen soll in Hamburg ausprobiert werden
- Mindestens 67.000 brauchen sind für erfolgreiches Volksbegehren erforderlich
Jeden Monat ein Gehalt vom Staat, das alle Kosten deckt – ohne dafür arbeiten zu müssen. Und das für jeden Staatsbürger von Geburt an bis zu seinem Tod. Das verspricht das bedingungslose Grundeinkommen, das in der Vergangenheit bereits viel diskutiert wurde. Befürworter sehen darin eine Chance, wirtschaftlichen Krisen und Armut zu begegnen. Gegner bezweifeln, dass ein solches Einkommen nachhaltige Veränderungen für den Einzelnen mit sich bringt. Sie befürchten eher: Niemand geht mehr freiwillig arbeiten, und das belastet die Wirtschaft.
Die Initiative „Hamburg testet Grundeinkommen“ möchte Antworten finden. Dafür plant sie ein Pilotprojekt in Hamburg. Drei Jahre lang sollen 2000 Hamburger ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten. Der Modellversuch wird wissenschaftlich begleitet und im Nachhinein ausgewertet. So könnten in naher Zukunft Aussagen darüber getroffen werden, wie effektiv und realistisch ein solches Grundeinkommen für alle wäre.
Per Volksbegehren in drei Schritten zum Grundeinkommen
So weit, so einfach. Der Weg zum Grundeinkommen ist dann aber doch ein bisschen steiniger. Per Volksbegehren möchte die Hamburger Initiative den Gesetzesentwurf für das Pilotprojekt durchsetzen. Dafür sammelte sie zunächst mehr als 16.000 Unterschriften, um den Entwurf bei der Bürgerschaft vorlegen zu können. Das gelang der Initiative erst im zweiten Anlauf. Beim ersten Mal wurde der Entwurf zurückgewiesen. Er sei zu kompliziert gewesen, nicht jeder hätte ihn verstehen können. Erst die überarbeitete Fassung wurde angenommen.
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Nun versucht die Initiative, die zweite Stufe der Volksgesetzgebung zu erklimmen. „Unser aktuelles Ziel ist es, 100.000 Unterschriften zu sammeln, damit es parallel zur Bundestagswahl 2025 zu einem Volksentscheid kommt“, sagt die Pressesprecherin und Mitbegründerin der Initiative „Hamburg testet Grundeinkommen“, Laura Brämswig.
Herausforderung: Zehntausende Unterschriften in drei Wochen
Seit dem 20. August kann man bereits Unterschriften per Briefwahl abgeben. Das haben Laura Brämswig zufolge bereits mehr als 10.000 Menschen getan. Ab dem 10. September versuchen dann 600 ehrenamtliche Helfer, die übrigen Unterschriften zu sammeln. Mindestens 67.000 brauchen sie für ein erfolgreiches Volksbegehren. Dafür haben sie drei Wochen Zeit.
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Wer die Helfer nicht auf der Straße antrifft, kann die Unterschriftenlisten auch in Cafés und Restaurants finden oder seine eigene ausdrucken. „Das ist eine große Herausforderung, so viele Unterschriften in dieser kurzen Zeit zu sammeln.“ Trotzdem zeigt sich Laura Brämswig optimistisch. „Wir hatten in den letzten Wochen viel Zulauf. Das Volksbegehren ist nur erfolgreich, wenn ganz viele Menschen mithelfen.“
Grundeinkommen: Initiative plant schon seit 2020
Die Hamburger Initiative „Hamburg testet Grundeinkommen“ gründete sich bereits 2020 und begann kurz darauf mit der ersten Unterschriftenaktion. Ein kleines Team aus Hauptamtlichen führt das Projekt an, etwa 50 Ehrenamtliche unterstützen regelmäßig bei der Planung und Umsetzung.
Zusammen mit der Vielzahl an weiteren Helfern werden sie in den kommenden Wochen an öffentlichen Plätzen nach Unterstützern ihrer Idee suchen. Im Modellversuch sollen bis zu 2000 Teilnehmenden in zusammenhängenden Hamburger Versuchsgebieten für 36 Monate Varianten eines Modell-Grundeinkommens gewährt werden.
2000 Menschen erhalten bedingungsloses Grundeinkommen
Wenn die Initiative es schafft, die erforderliche Anzahl an Unterschriften zu sammeln, und die Mehrheit der Hamburger im Folgejahr für den Gesetzesentwurf stimmt, dann kann die detaillierte Planung der Studie beginnen.
Ein Team von Wissenschaftlern wird das exakte Studiendesign entwerfen. 2000 Menschen sollen für drei Jahre monatlich ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgezahlt bekommen. Die Idee: „Damit es nicht wie ein Lottogewinn ist, möchten wir, dass ganze Straßenzüge an der Studie teilnehmen“, erklärt Laura Brämswig. Wer möchte, könnte das Grundeinkommen beziehen. Wichtig sei, dass ein Querschnitt der Bevölkerung abgebildet ist: vom Azubi bis zum Rentner, sowohl Obdachlose als auch solche Bürger, die nicht direkt von einem finanziellen Zuschuss profitieren würden.
Studie soll Auswirkung des Geldes auf Verhalten und Zufriedenheit testen
Die Studie soll vor allem untersuchen, welche Auswirkungen das Grundeinkommen auf das Verhalten, auf die Gesundheit, die Lebenszufriedenheit und die soziale und wirtschaftliche Situation der Teilnehmer hat. So steht es im Gesetzesentwurf. Dabei gibt es nicht das eine bedingungslose Grundeinkommen. Vielmehr existieren unterschiedlichste Modelle, die getestet werden können. „Man könnte beispielsweise andere Steuersysteme simulieren“, schlägt Laura Brämswig vor. Auch eine Variation in der Höhe des zusätzlichen Einkommens wäre möglich.
Wie die Studie letzten Endes genau aussieht, entscheiden aber die Wissenschaftler. Die Initiative um Laura Brämswig ist in erster Linie für den Gesetzesentwurf und das Volksbegehren verantwortlich. Falls der Volksentscheid erfolgreich ist, würden sie das Projekt nur noch beratend begleiten.
Erste deutschlandweite Langzeitstudie bereits abgeschlossen
In Hamburg wäre es die erste groß angelegte Studie zum bedingungslosen Grundeinkommen. Aber es ist deutschlandweit nicht der erste Versuch, verlässliche Daten zu erheben und Fragen zu beantworten. Das „Pilotprojekt Grundeinkommen“ des gemeinnützigen Vereins „Mein Grundeinkommen“, der seinen Sitz in Berlin hat, begann im Juni 2021 mit der Auszahlung von finanziellen Zuschüssen. Drei Jahre erhielten 122 Menschen das bedingungslose Grundeinkommen, das durch Spenden finanziert wurde. Inzwischen wird das Projekt ausgewertet, die Ergebnisse erscheinen voraussichtlich Anfang 2025.
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Das Hamburger Pilotprojekt soll im besten Fall von diesen Erkenntnissen profitieren, sagt Laura Brämswig von „Hamburg testet Grundeinkommen“. Zeitlich würde es sehr gut passen. Allerdings sind die Unterschiede zwischen beiden Studien sehr groß. In der deutschlandweiten Langzeitstudie des Berliner Vereins ist die Stichprobe gezielt ausgewählt worden: Singles mit mittlerem Einkommen. Man wollte herausfinden, welchen Effekt das Grundeinkommen für Menschen hat, die nicht darauf angewiesen wären, erklärt Brämswig.
Bedingungsloses Grundeinkommen: Staat soll Studie finanzieren
Anders in Hamburg. „Die Studie in Hamburg soll die ganze Gesellschaft abbilden, man will mehrere Modelle testen und hat mehr Möglichkeiten, weil die Studie staatlich finanziert sein wird“, so Brämswig.
Ob es überhaupt so weit kommt, könnte sich schon bald entscheiden. Bis zum 30. September hat „Hamburg testet Grundeinkommen“ nun Zeit, Unterschriften zu sammeln. Am 1. Oktober um 12 Uhr sollen sie im Rathaus übergeben werden.