Hamburg. Nach Erfolg im Osten: Können die Hamburger im März ihr Kreuz für das Bündnis Sahra Wagenknecht machen? Was die Linke davon hält.
Aus dem Stand ein zweistelliges Wahlergebnis erreicht und noch dazu alle drei Ampelparteien überholt – für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) waren die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ein voller Erfolg. Womöglich stellt die junge Partei schon bald ihre ersten Landesministerinnen und -minister. Denn beim Koalieren dürften die anderen Parteien in den beiden ostdeutschen Bundesländern kaum am BSW vorbeikommen.
In Hamburg spielt die Partei hingegen kaum eine Rolle. Noch nicht? Theoretisch könnte das BSW bereits bei der Bürgerschaftswahl im März 2025 auf dem Wahlzettel stehen. Wie wahrscheinlich das ist und was die Linke zur neuen Konkurrenz sagt.
So will der „Goldene Reiter“ das BSW in die Bürgerschaft bringen
Hamburgs engagiertestes Mitglied des BSW dürfte Żaklin Nastić sein, Bundestagsabgeordnete, ehemalige Linken-Politikerin und BSW-Landeskoordinatorin für die Hansestadt. Ihr zufolge gibt es den Wunsch, dass das BSW bei der Bürgerschaftswahl antritt. Allerdings müsste dazu schon bald ein Landesverband gegründet werden. „Unser Ziel ist es, im Oktober oder November einen Landesverband zu gründen“, sagt sie dem Abendblatt. Anschließend könne die finale Entscheidung zur Teilnahme an der Wahl fallen.
Rein formal kann sich das BSW für die Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 recht spontan anmelden. Die Einreichungsfrist für den Wahlvorschlag läuft erst am 24. Dezember um 16 Uhr ab, informiert der Landeswahlleiter Oliver Rudolf. Formalien wie eine sogenannte Beteiligungsanzeige und den Nachweis von 1000 Unterstützerunterschriften kann sich die Partei sparen. Das ist nicht mehr notwendig, da das BSW nun schon in Landtagen in Deutschland vertreten ist, sagt Rudolf.
Bündnis Sahra Wagenknecht fehlt der Landesverband in Hamburg
Sollte das BSW tatsächlich Kandidaten für die Bürgerschaftswahl im März stellen wollen, ist bis dahin aber einiges zu tun. Gibt es erst einen Landesverband, sind Aufstellungsversammlungen notwendig, bei der die Mitglieder ihre Kandidierenden für die Wahl bestimmen, erklärt der Landeswahlleiter. Außerdem müsste sich die Partei entscheiden, ob sie Kandidaten je Wahlkreis stellen will oder die Wähler per Landesliste für das BSW abstimmen sollen.
Da das BSW in Hamburg bislang nur wenige Mitglieder hat, ist es unwahrscheinlich, dass es in jedem der 17 Wahlkreise eine Mitgliederversammlung durchführen und einen Kandidaten aufstellen kann. Auch BSW-Landeskoordinatorin Nastić lässt durchschimmern, dass die Partei nicht in den einzelnen Wahlkreisen antritt. Sie sagt: „Auf jeden Fall würde es eine Landesliste mit guten Leuten geben, es bewerben sich viele tolle Menschen bei uns.“
Wagenknecht-Partei BSW hat in Hamburg derzeit 20 Mitglieder
Nicht zu vergessen: Wahlkampf bedeutet auch Plakate kleben, Infostände betreuen, Veranstaltungen durchführen. Hat die junge Partei den dafür nötigen personellen Unterbau? „In Hamburg gibt es derzeit 20 Mitglieder des BSW, dazu kommen rund 800 Unterstützer, von denen 170 auch einen Antrag auf Aufnahme in die Partei gestellt haben“, so Nastić.
Zu den bisher wenigen Mitgliedern des BSW in Hamburg zählten die frühere Fraktionschefin der Linken in Hamburg Nord, Angelika Traversin, dazu Maik Sprenger, Intensivpfleger und einer der Sprecher der Krankenhausbewegung, der langjährige Friedensaktivist Christian Kruse und Konstantin zu Eulenburg, früher einer der Hamburger Sprecher der gescheiterten Wagenknecht-Bewegung „Aufstehen“. Auch der frühere Linken-Bürgerschaftsabgeordnete Metin Kaya ist jetzt beim BSW.
BSW: Früher bekannter Sänger, heute Mitglied der Partei von Sahra Wagenknecht
Prominentestes Mitglied der neuen Partei in Hamburg ist wohl der Sänger Joachim Witt, der während der Neuen Deutschen Welle 1980 große Bekanntheit mit seinem Hit „Der goldene Reiter“ erlangte, sowie der prominente lutherische Theologe Horst Gorski, früher Vizepräsident im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „In den nächsten Wochen wird es weitere, auch prominente Eintritte in Hamburg geben“, sagte Nastić. Über Aufnahmen werde dabei aber grundsätzlich zentral im Bundesvorstand entschieden.“
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BSW will bei Bürgerschaftswahlen fünf Prozent der Stimmen erreichen
„Was unser Wahlziel in Hamburg angeht, so wäre alles über fünf Prozent aus meiner Sicht gut. Bei der Europawahl hatten wir ja bereits 4,9 Prozent“, sagt Nastić. Als wichtigste Themen im Hamburger Wahlkampf macht sie soziale Sicherheit, Armut, aber auch der Hafen und Wirtschaftsthemen aus. Eigentlich klassisches Gebiet der Linken, denen Nastić neben vielen anderen BSW-Mitgliedern und -Sympathisanten in Hamburg und anderswo bis vor Kurzem angehörte.
Die Linke beobachtet ihre neue Konkurrenz selbstverständlich ganz genau. „Natürlich nehmen wir das BSW ernst. Sollte es zu den Bürgerschaftswahlen antreten, werden wir uns mit dieser Partei auseinandersetzen müssen, wie wir es mit jeder anderen Partei auch machen“, sagt Thomas Iwan, Co-Landessprecher der Hamburger Linken.
Er mutmaßt: „Wenn das BSW antritt, wird das in Hamburg auch uns Stimmen kosten.“ Die Linken-Bürgerschaftsfraktion sei aber nicht in Gefahr. „Die Linke ist in der Stadt fest verankert und in den Bezirken. Wir sind vor Ort, wir sind in den Parlamenten, auf der Straße und an den Haustüren. In Hamburg kennt man uns“, so Iwan.