Hamburg. Auf der Problemmeile in der Hamburger City ist es ruhig. Weniger Gewalttaten und Aufenthaltsverbote. Polizei zeigt weiter hohe Präsenz.
Anfang des Jahres hatte es noch so ausgesehen, als würden der Jungfernstieg und der Bereich vor der Europapassage weiterhin Brennpunkt der Jugendkriminalität durch Problemgruppen bleiben. Doch mittlerweile ist es ruhig, trotz des guten Wetters. Innerhalb der Polizei wird dieses auch auf die verstärkten Maßnahmen der Sicherheitskräfte zurückgeführt, die eine Mischung von Strafverfolgung und „Auf-den-Füßen-Stehen“ sind. Denn eines haben die Beamten auch festgestellt: Die Jugendlichen und Heranwachsenden, die die Problem-Klientel ausmachen, sind weiter dort präsent.
Im Februar hatte die Soko „Alster“, die gezielt gegen Straftäter aus der Szene am Jungfernstieg ermittelt, die Winterpause vorzeitig abgebrochen. Hintergrund waren Straftaten, darunter eine Messerstecherei, bei der ein 17-Jähriger verletzt wurde, sowie das milde Wetter. Dieses begünstigte, dass der Anleger an der Binnenalster wieder zum Treffpunkt der Gruppen wurde, die auch schon in den Jahren zuvor für Probleme gesorgt hatten.
Soko „Alster“ hat die Rädelsführer im Visier
„Die Ermittlungsgruppe ,Alster‘ hat die Aufgabe, die Jugendszene im Bereich des Jungfernstiegs, an der Binnenalster und Umgebung zu erhellen“, so Polizeisprecher Florian Abbenseth. „Ziel ist es, die vermeintlichen Hauptprotagonisten aus diesen Gruppierungen zu identifizieren und täterorientiert Maßnahmen gegen diese Personen im Rahmen der zur Verfügung stehenden strafprozessualen als auch polizeirechtlichen Möglichkeiten zu ergreifen.“
Tatsächlich wurden in diesem Jahr bislang 15 längerfristige Aufenthaltsverbote, jeweils gültig für drei Monate, erteilt. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Jahr gab es 18 solcher Aufenthaltsverbote, mit denen die „Problematischen der Problematischen“ von dem zentralen Treffpunkt der Szene ferngehalten werden.
Polizei bemerkt seit Frühjahr eine Beruhigung der Lage
Allerdings hat die Polizei bereits seit März eine Entspannung der Situation und insbesondere auch ab April einen Rückgang der Gewalttaten bemerkt. „Aus Sicht der Polizei hat sich die aktuelle Lage im Bereich der Binnenalster und dem Jungfernstieg im Gegensatz zum Jahr 2023 deutlich entspannt“, so Abbenseth. Das lässt sich auch an Zahlen festmachen. Aktuell besteht ein Aufenthaltsverbot gegen nur einen Jugendlichen. Im vergangenen Jahr waren es zum gleichen Zeitpunkt elf gewesen.
„Wir beobachten, dass sich die Szene dort weiter aufhält“, sagt ein Beamter. „Sie machen aber nichts. Offensichtlich haben sie keine Lust, dauern mit uns zu tun zu haben.“ Kurz gesagt: Die Szene ist „genervt“ von der Polizeipräsenz.
Schon in den 1990er-Jahren gab es die Soko „Kosta“
Das Konzept ist nicht neu. Mitte der 1990er-Jahre wurde „Kosta“ gegründet. Eine Truppe, die permanent als kriminell geltende Albaner kontrollierte und Treffpunkte überprüfte. Auslöser waren Bandenkämpfe unter konkurrierenden Tätergruppen. Innerhalb von nicht mal einem halben Jahr rechnete die Polizei diesen Gruppen vier vollendete und sechs versuchte Tötungsdelikte zu, die in aller Öffentlichkeit stattfanden und bei denen auch Unbeteiligte getötet wurden.
Der Tod eine Kaufmanns zwang schon 1994 die Polizei zu neuen Konzepten
Als am 12. Dezember 1994 in der Großen Bergstraße in Altona der Kaufmann Bernd H. erschossen wurde, war das Maß voll. Der Ladenbesitzer hatte nach einer Auseinandersetzung zwischen Albanern flüchtende Beteiligte für Ladendiebe gehalten und einen festgehalten. Ein Komplize hatte Bernd H. daraufhin kaltblütig erschossen.
Es folgten permanente Razzien und Überprüfungen. Die Polizei stellte viele Pistolen, Revolver und Messer bei der damals schwer bewaffneten kriminellen Albaner-Szene sicher. Irgendwann hatten die Kriminellen genug. Das Problem reduzierte sich deutlich.
Auch beim Kampf gegen Billig-Bordelle wirkten Razzien und Überprüfungen
Später wurde das Konzept in abgewandelter Form bei der Bekämpfung von Billig-Bordellen an der Paul-Roosen-Straße auf St. Pauli angewandt. Die Polizei und vor allem das Bezirksamt überzogen die Läden mit Kontrollen und Auflagen: So wurde beispielsweise verboten, die Fenster mit Vorhängen zu verhüllen. So hatte man von außen einen Blick auf die Freier, die sich drinnen aufhielten.
Die Maßnahmen zeigten Wirkung. Innerhalb kurzer Zeit sank die Zahl der dortigen Bordelle von 16 auf sieben. Schon lange spielen solche Läden im Bereich der Paul-Roosen-Straße keine Rolle mehr, stattdessen öffneten Restaurants und Kneipen. Und selbst im Kampf gegen Autoposer funktioniert das Konzept. Ständige Kontrollen verunsichern die Szene, die sich gern zu illegalen Autorennen oder nicht zugelassenen Umbauten an ihren Fahrzeugen hinreißen lässt, nachhaltig.
Polizei Hamburg will den Druck am Jungfernstieg aufrechterhalten
Am Jungfernstieg will man an dem Konzept festhalten. Man weiß, dass alte Gewohnheiten und Regelverstöße schnell zurückkehren, wenn der Druck nachlässt. Der Jungfernstieg wird weiter ein viel frequentierter Treffpunkt für die problematische Klientel bleiben, die sich teilweise zu Gruppen mit Namen wie „315er“ oder „1920er“ zusammengeschlossen hat. Es sind überwiegend junge Leute mit Migrationshintergrund, die oft in beengten Wohnungen und Unterkünften leben. Sie erreichen den Jungfernstieg aus allen Teilen der Stadt, teilweise auch aus dem Umland, schnell per öffentlichen Verkehrsmitteln.
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Dass die Polizei hier weiter Druck machen wird, bestätigt deren Sprecher Abbenseth: „Trotz einer derzeit unauffälligen Lage an der Binnenalster strebt die Polizei an, die Maßnahmen an der Binnenalster, in Abhängigkeit der Kräfteverfügbarkeit, in hoher Intensität aufrechtzuerhalten, um die positive Lageentwicklung nachhaltig voranzutreiben.“