Hamburg. Mildes Wetter lässt problematische Jugendgruppen früher zurückkehren. Raub und Messerstecherei lösten umfangreiche Ermittlungen aus.
Ein Raub bei einer Auseinandersetzung zwischen Jugendgruppen. Eine Messerstecherei, bei der ein 17-Jähriger verletzt wurde. Das sind zwei bereits in diesem Jahr bekannt gewordene Straftaten, die sich im Bereich Jungfernstieg ereignet haben.
Die Polizei Hamburg hat reagiert. Anfang Februar hat die Soko „Alster“ ihre Winterpause abgebrochen. Die Ermittlungsgruppe war im vergangenen Sommer gegründet worden, um gegen junge Täter vorzugehen, die an Hamburgs Flaniermeile herumlungern und sich zu lockeren Banden zusammengeschlossen haben.
Jungfernstieg Hamburg: Nach Gewalttaten kommt Soko „Alster“ früher aus Winterpause
Der milde Winter sorgt dafür, dass sich im Bereich des Jungfernstiegs schon jetzt vermehrt Jugendgruppen aufhalten, die als problematisch angesehen werden. Sie nennen sich 315, in Anlehnung an einen Parkplatz in einem Parkhaus in Jenfeld, der mal ihr Treffpunkt war, und 1920er. Und: Sie sind Rivalen.
Bereits am 23. Januar kam es am Jungfernstieg zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen. Die Bilanz: Ein 14-Jähriger erlitt einen Armbruch. Die Polizei ermittelte zunächst wegen gefährlicher Körperverletzung, dann auch wegen Raubes. Befragungen hatte ergeben, dass das Opfer gestoppt und zur Herausgabe einer Tasche gezwungen worden war. Mitte Februar durchsuchte die Polizei eine Wohnung in Buxtehude. Dort wohnt der Hauptverdächtige, ein 18 Jahre alter Russe.
Ein Messerstich verletzte einen 17-Jährigen am Jungfernstieg
Erst vor wenigen Tagen kam es zu einer Messerstecherei, bei der drei alkoholisierte junge Männer drei 16 bis 18 Jahre alte Jugendliche angriffen. Ein 17-Jähriger erlitt dabei eine Messerstichverletzung in der Schulter.
Bei den Ermittlungen in den neueren Fällen soll die Polizei teils auf bereits der Problemszene zugeordnete Jugendliche gestoßen sein. Im Fall der Messerstecherei soll Auslöser ein Streit um ein Mädchen gewesen sein.
Die Soko „Alster“, bestehend aus fünf Beamten, ermittelt gezielt gegen Jugendliche und Heranwachsende dieser Szene. Das Ziel sind „qualifizierte Festnahmen“ – es geht darum, so viel und „wasserdichtes“ Beweismaterial zusammenzubekommen, dass herausragende Täter „von der Straße genommen werden“, wie es ein Beamter ausdrückt. Im Klartext: Die Ermittler wollen auch Haftbefehle erwirken. Damit erhofft man sich auch eine klare Signalwirkung in die Szene hinein.
Ermittlungen gegen Jugendliche und Heranwachsende haben hohe Hürden
Die Ermittlungen selbst sind schwierig. Bei Jugendlichen und Heranwachsenden besteht im Zusammenhang mit Verbrechenstatbeständen eine „notwendige Verteidigung“. Das bedeutet, dass Vernehmungen ohne Beisein eines Rechtsanwalts nicht möglich sind. In der Praxis finden Vernehmungen der Beschuldigten durch die Kripo nicht mehr statt. Die Beamten können nur auf Videoaufnahmen, andere Spuren wie DNA oder Zeugenaussagen zurückgreifen.
Die Szene, das sind männliche Jugendliche, 14 bis 20 Jahre alt. Fast alle haben einen Migrationshintergrund. Dominierend waren im vergangenen Jahr Afghanen, Iraner, Pakistani, auch Syrer. Im Laufe des Jahres wurde festgestellt, dass auch vermehrt Ukrainer und Russen in den lockeren Gruppen anzutreffen waren.
Was viele der Jugendlichen und Heranwachsenden eint: Oft leben sie in Folgeunterkünften für Flüchtlinge. Die Wohnverhältnisse sind häufig prekär. Den Jungfernstieg sehen sie als ihr „Wohnzimmer“. Fast nie ist der Bezirk Mitte auch Wohnort der Problemklientel, das sich am Jungfernstieg trifft. Die Attraktivität der Gegend und die gute Anbindung an den Nahverkehr dürften dafür gesorgt haben, dass sich der zentrale Treffpunkt etabliert hat. Das gilt vor allem im Sommer, wenn es warm ist.
In Hamburgs Einkaufspassagen hilft den Betreibern das Hausrecht
Deshalb hatte die Soko „Alster“ auch eine „Winterpause“ eingelegt. Dann ist es für die Jugendlichen zu ungemütlich, um lange am Jungfernstieg auszuharren. In den warmen Einkaufspassagen können sich die Problemgruppen nicht festsetzen. Dort haben die Betreiber das Hausrecht und können Hausverbote aussprechen, die notfalls von der Polizei durchgesetzt werden.
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Im öffentlichen Raum ist das anders. Zwar arbeitet die Polizei dort auch mit Platzverweisen und sogar Aufenthaltsverboten. Die sind aber zeitlich begrenzt und schwer durchzusetzen, wie sich bei einem Schwerpunkteinsatz im August vergangenen Jahres zeigte. Damals wurden im Rahmen der Aktion zwei Jugendliche erkannt, die wegen eines solchen Verbots sich dort nicht hätten aufhalten dürfen.
Dass das eigentliche Ziel, nämlich herausragende Täter in Haft zu bringen, noch schwieriger ist, zeigt der Fall aus dem Januar. Zwar wurde der Verdächtige, der den Raub begangen und dem 14-Jährigen den Arm gebrochen haben soll, ermittelt. Haftgründe lagen jedoch nicht vor.