Hamburg. Autoposer machen für Aufmerksamkeit verrückte Dinge und riskieren hohe Strafen. Wie sie ihre Sportwagen finanzieren.

Seit ihrer Gründung im September 2017 haben Beamte der Kon­trollgruppe Autoposer 13.234 Fahrzeuge überprüft. Die Polizisten haben ein Auge für manipulierte Fahrzeuge und ein Ohr für lärmende Auspuffanlagen. Jedes vierte Fahrzeug, dass die Polizisten kontrollierten, wurde anschließend aus dem Verkehr gezogen: weil so starke Veränderungen vorgenommen worden waren, dass die Betriebserlaubnis erlosch. 1310 Fahrzeuge landeten auf dem zentralen Verwahrplatz der Polizei an der Halskestraße in Billbrook, um dort von einem Sachverständigen unter die Lupe genommen zu werden.

Bei den Protagonisten der Autoposer-Szene handelt es sich in vielen Fällen um Menschen mit Migrationshintergrund. Das bestätigt sich häufig dann, wenn ein Mercedes – gern auf AMG getrimmt –, ein BMW oder ein Porsche gestoppt werden. Und diesen Zusammenhang gab es auch beim „Gold-Lambo“, einem gold folierten, mehr als 370.000 Euro teuren Lamborghini, den die Polizei 2019 auf dem Jungfernstieg sicherstellte, weil die Beamten in der Glitzerfolie eine Blendgefahr für andere Verkehrsteilnehmer erkannten.

Autoposer: Auf welche Fahrzeuge die Szene steht

Deutsche Autofahrer, die es mit der Kontrollgruppe Autoposer zu tun bekommen, sitzen eher in einem Ford Mustang oder anderen Muscle Cars, wie einem Camaro, einem Baracuda oder Pontiac Firebird. Wieso ist das so?

„Jede kulturelle Gruppe hat ihre Statussymbole“, sagt der Kriminologe Wolf-Reinhard Kemper von der Leuphana Universität in Lüneburg. Besonders gern würden diese Symbole genutzt und zur Schau gestellt, wenn der Besitzer ansonsten das Gefühlt habe, dass er nicht so wahrgenommen wird, wie es ihm seiner Ansicht nach zusteht. „Das trifft vor allem zu, wenn die betreffende Person zusätzlich nicht die Normen der Gesellschaft, wie Bildung oder Beruf, erfüllt. Dann werden andere Mittel gesucht, die entsprechende Aufmerksamkeit zu bekommen.“

Wie die Krachmacher-Taste zu Aufmerksamkeit verhilft

Das erklärt auch ein Stück weit, wie man überhaupt auf die Idee kommt, an einem Porsche ein Stück vom Auspuff herauszusägen, damit er ordentlich Krach macht, oder einer eher schlappen Maschine unter der Motorhaube per im Auto verbauten Lautsprecher – Soundmodul genannt – das „richtige“ Motorgeräusch zu verpassen. Der Clou: Solche Soundgeneratoren lassen sich per App über das Handy steuern. Ist die Polizei in der Nähe, wird auf Normallautstärke runtergefahren.

Gilt es hingegen Aufmerksamkeit zu erregen, kann der Fahrer auf die „Krachmachertaste“ drücken, und dann klingt es, als würde ein Formel 1-Rennwagen um die Ecke rasen. Die Polizei muss sich anstrengen, um auf der Höhe der Technik zu bleiben. „Die Beamten der Kon­trollgruppe bilden sich ständig in diesen Bereichen in einschlägigen Foren und durch Austausch mit amtlich anerkannten Sachverständigen fort, sodass diese Manipulationen und somit das Erlöschen der Betriebserlaubnis erkannt werden können“, so Polizeisprecher Florian Abbenseth.

Umgebung spielt neben dem Auto eine wichtige Rolle

Neben dem Auto spielt auch die Umgebung eine wichtige Rolle, in der es präsentiert wird. Es gebe, so der Kriminologe Kemper, ganz bestimmte Orte, an denen man „sich zeigen müsse“. Selbst eine Kontrolle durch die Polizei könne an einem solchen Ort von einem Autoposer als persönliche Aufwertung wahrgenommen werden. „Damit zeigt der Poser, dass er sich nicht den Normen der Gesellschaft unterordnet“, so der Lüneburger Kriminologe.

Dabei muss es nicht immer das eigene Auto sein. Gut situierte Autoposer, wie der Besitzer des „Gold-Lambos“ vom Jungfernstieg, die sich tatsächlich auch das Fahrzeug leisten können, das sie fahren, sind nicht die Regel. Immer wieder entpuppt sich ein blitzender Mercedes AMG als relativ gewöhnliches Serienmodell, oft älterer Bauart, dessen frischer Lack die rostige Blässe verdeckt. Gern legen auch Familien zusammen, damit der Sohn ein statusgerechtes Auto fahren kann. Man setzt Prioritäten und verzichtet eben in anderen Bereichen.

Wagen geht reihum – Carsharing auf Autoposer-Art

Üblich ist es auch, mit mehreren Personen einen Wagen über eine mehr oder weniger dubiose Firma zu leasen. Das ist dann Carsharing auf Autoposer-Art. Der Wagen geht reihum. Jeder hat seinen festen Tag, an dem er ihn fahren darf. Ärger ist in dem Fall programmiert, wenn der Wagen von der Polizei zur Begutachtung sichergestellt wird. Denn ein sichergestelltes Auto ist für den Betroffenen eine teure Angelegenheit. Per Abschlepper wird der Wagen zum zentralen Verwahrplatz der Polizei an der Halskestraße gebracht.

Dort erscheint ein Gutachter, der das Fahrzeug auf die vermuteten Manipulationen hin überprüft. Das kostet um die 850 Euro. Werden die Mängel festgestellt, müssen sie vom Fahrzeugbesitzer beseitigt werden. Allerdings darf der Halter den Wagen in dem Zustand nicht auf öffentlichen Straßen fahren und muss ihn per Abschlepper in eine Werkstatt bringen lassen.

Kosten für den Rückbau der Manipulationen variieren stark

Die Kosten für den dort vorgenommenen Rückbau zur Beseitigung der Manipulationen variieren stark. Es können einige Tausend Euro sein. Anschließend muss das Fahrzeug nach der Behebung der Mängel wieder bei der Polizei vorgeführt werden. Dazu gibt es ein Bußgeld über 80 Euro und einen Punkt in Flensburg. Findet der Sachverständige keine Manipulation und haben sich die Beamten, beispielsweise bei der Lautstärke des überprüften Fahrzeugs „verhört“, muss die Polizei die Kosten übernehmen.

Aber das kam bislang so gut wie nie vor.