Hamburg. SPD fast gleichauf mit der CDU. Mit Svenja Hahn (FDP) und Fabio De Masi (BSW) ziehen zwei Hamburger sicher ins Europaparlament ein.

Um 19.44 Uhr hatte das bange Warten für die Hamburger Landespolitiker ein Ende: Mit der Veröffentlichung der Hochrechnung des Landeswahlamts für das Hamburger Europawahlergebnis war klar, dass sich SPD und Grüne vom desaströsen Negativtrend auf Bundesebene abkoppeln können, während die CDU stabil ist, aber schwächer als im Bund.

Die Hochrechnung stabilisierte sich schnell, als im Laufe des Abends immer mehr Ergebnisse aus den Wahllokalen einliefen. In Hamburg bleiben die Grünen nach Auszählung von 1797 von 1921 Wahllokalen bei den Europawahlen stärkste Kraft mit 21,1 Prozent (minus zehn Punkte gegenüber 2019). Die SPD liegt mit 18,8 Prozent (minus eins) fast gleichauf mit der CDU, die auf 18,5 Prozent (plus 0,8) kommt. Die AfD erreicht 8 Prozent (plus 1,5), gefolgt von der FDP mit 7 Prozent (plus 1,5). Die Linke rutscht um 1,8 Punkte auf 5,2 Prozent ab, währen die konkurrierende Abspaltung Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) aus dem Stand 4,9 Prozent erreicht. Die Volt-Partei kommt sogar auf 5,9 Prozent (plus 4,7 Punkte).

Europawahl in Hamburg: Die Grünen liegen vorn – trotz Verlusten

Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wollte in einer ersten Reaktion „die Dinge nicht ins Positive drehen“, es mache aber Mut, dass die AfD in Hamburg keinen Rückenwind habe. „Wäre das bundesweite Ergebnis so gewesen, wie in Hamburg, dann wäre Laura Frick Abgeordnete im Europaparlament.“ Wichtig sei die Beurteilung im Bundestrend, sagte Tschentscher. „In einer Situation, in der die Ampelparteien so unter Druck stehen, können wir keine Wunder erwarten.“

Ein Wechselbad der Gefühle durchlebte die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne), die die bundesweiten Europawahl-Hochrechnungen, bei den die Grünen auf zwölf Prozent kamen, als „sehr ernüchternd, sehr enttäuschend“ empfand. Fegebank sagte: „Mich macht das total traurig.“ Mit dem ersten Stimmungsbild aus Hamburg hellte sich ihre Laune dennoch deutlich auf. „Wenn sich das so bestätigt, was wir jetzt als Andeutung bekommen haben, dann ist das ein sehr, sehr gutes Ergebnis für uns.“ In Hamburg stärkste Kraft für die Europawahl werden zu können, erleichtere sie. Das wie bereits 2019 außerordentlich gute Ergebnis für die Grünen in Hamburg erklärt Fegebank sich mit Stadt-Land-Unterschieden, „aber auch mit einer sehr Europa-freundlichen Haltung in Hamburg. Davon profitieren Grüne.“

Fabio De Masi vom BSW: „Wir haben ein kleines Politikwunder vollbracht“

Einer, der sich schon früh am Abend freuen konnte, war der Hamburger BSW-Spitzenkandidat Fabio De Masi, der zuvor für die Linke im Bundestag saß. „Wir haben ein kleines Politikwunder vollbracht und sind aus dem Stand über die fünf Prozent gesprungen – und dies, obwohl wir erst im Januar gegründet wurden und unsere Wählerinnen und Wähler ein unterdurchschnittliches Interesse an der Europawahl hatten“, sagte De Masi. Er sieht „Stimmen für Diplomatie statt Aufrüstung, öffentliche Investitionen, eine vernünftige Wirtschaftspolitik und soziale Gerechtigkeit gestärkt“. De Masi, der für den Berliner BSW-Landesverband antritt, ist als Spitzenkandidat sicher in das Europaparlament eingezogen.

Da bis auf die CDU alle anderen Parteien einheitliche Bundeslisten ihrer Kandidatinnen und Kandidaten aufgestellt hatten und somit das Bundesergebnis entscheidend war, war die Frage, wer Hamburg künftig in Brüssel und Straßburg vertritt, sehr schnell geklärt. Svenja Hahn, auf Platz zwei der FDP-Liste, zieht sicher in das Europaparlament ein. „Ich freue mich, Hamburg weiter in Brüssel und Straßburg vertreten zu dürfen. Jetzt gilt es, die Wirtschaftswende und mehr Freihandelsabkommen in Europa durchzusetzen“, sagte Hahn. „Offenbar sind wir mit unseren Themen Sicherheit, Wirtschaft und Außenpolitik gut durchgedrungen.“

Hamburger SPD-Spitzenkandidatin schafft es nicht ins Europaparlament

Nicht gereicht hat es dagegen für die Hamburger SPD-Europakandidatin Laura Frick, die auf Platz 19 der SPD-Liste stand. „Angesichts der letzten Umfragen hätte es schon eines kleinen Wunders bedurft, um den Einzug ins Parlament zu schaffen. Es hat leider nicht gereicht. Das Ergebnis der Europawahl zeigt auch, dass auf uns Demokratinnen und Demokraten viel Arbeit zukommt: Mehr denn je ist es unsere Aufgabe, unsere Freiheit gegenüber Extremisten zu verteidigen. Ich werde mich weiter einsetzen und für ein soziales und freies Europa kämpfen“, sagte Frick. Das gleiche Schicksal hat auch Hamburgs Grünen-Spitzenkandidatin Rosa Domm getroffen. Der Einzug ins Europaparlament war für sie, die auf Listenplatz 21 stand, in unerreichbare Ferne gerückt. „Ich rechne schon seit Anfang des Jahres nicht mehr damit, dass ich einziehe“, sagte sie. „Ich habe natürlich trotzdem alles gegeben.“

Ob die Hamburger CDU-Spitzenkandidaten Freya von Kerssenbrock in das EU-Parlament einziehen wird, entscheidet sich voraussichtlich erst am frühen Montagmorgen. Entscheidend ist das Stimmverhältnis und die Wahlbeteiligung der CDU im Vergleich der 15 Länder.

CDU-Chef Thering sieht Union als „Bollwerk gegen extremistische Parteien“

Als um 18 Uhr nach Schließung der Wahllokale die ersten Prognosen zum Ausgang veröffentlicht wurden, war das Ausmaß der Wahlklatsche für SPD und Grüne und das gute Abschneiden der Union offensichtlich. Als einer der ersten meldete sich der CDU-Landesvorsitzende Dennis Thering zu Wort. „CDU und CSU haben die Europawahl deutschlandweit mit einem guten Ergebnis klar gewonnen. Die Ampel ist regelrecht abgestürzt. Die Union ist und bleibt das Bollwerk gegen extremistische Parteien“, sagte Thering. Zum Hamburger Ergebnis für die CDU sagte Thering, dieses sei „erwartungsgemäß“ ausgefallen. „Wir haben analog zum Bundestrend zugelegt, sind in Wandsbek und Bergedorf stärkste Kraft und liegen hamburgweit gleichauf mit der SPD.“

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„Es liegen anstrengende Wochen hinter uns“, sagte Melanie Leonhard, Hamburgs SPD-Landesvorsitzende. „Wir hatten denkbar anspruchsvolle Voraussetzungen.“ An diesem Abend müsse man Tapferkeit beweisen, „davon gehen wir aus“, fügte Leonhard hinzu. „Es ist ein ganz bitteres Ergebnis für die SPD, da gibt es überhaupt nichts dran zu rütteln“, sagte Leonhard, als die Prognosen veröffentlicht waren. „Im Europawahlergebnis spiegelt sich auch ganz viel Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Lage im Bund wider. Ich kann nur hoffen, dass sich das alle Ampel-Parteien zu Herzen nehmen, dass es einer zukunftsbejahenden Kommunikation bedarf.“

Hamburger AfD spricht von einem „bärenstarken Ergbnis“

„Das ist ein bärenstarkes Ergebnis. Wir bedanken uns bei unseren Wählern und Wahlkämpfern für das Vertrauen und die Standhaftigkeit. Die AfD wird in Brüssel Dampf machen und Akzente setzen für ein sicheres und zukunftsfähiges Europa – gegen den Bürokratiewahn, gegen Massenmigration und Ökosozialismus“, kommentierte der AfD-Landesvorsitzende Dirk Nockemann das Wahlergebnis.

„Es ist ein schlechtes Wahlergebnis“, erklärt Landesvorsitzende der Linken Sabine Ritter. Die eher dürftigen Ergebnisse der Linken führt sie darauf zurück, dass sich viel mit der Spaltung der Partei befasst wurde und nicht mit den eigentlichen Themen. Man sei mit sozialen Themen wie Mieten nicht wirklich zu den Wählerinnen und Wählern durchgedrungen.

Europa- und Bezirkswahlen: Wahlbeteilung in Hamburg wohl höher als 2019

In Hamburg fällt die Beteiligung an der Europa- und Bezirksversammlungswahl wahrscheinlich höher aus als vor fünf Jahren: Nach Auszählung von 1759 der 1921 Wahllokale hatten 65,7 Prozent der Wahlberechtigten gewählt. Bei der Europawahl 2019 betrug die Wahlbeteiligung für Hamburg insgesamt nach dem amtlichen Endergebnis 61,9 Prozent. An den Bezirksversammlungswahlen in der Hansestadt beteiligten sich vor fünf Jahren 58 Prozent der Stimmberechtigten.