Neugraben-Fischbek. Besonders zwei Wohnquartiere im Harburger Westen geben den Ausschlag. Was sie auszeichnet und wer hier seine politische Heimat hat.

Ihre größten Erfolge mit jeweils über 30 Prozent fährt die AfD bei der Europawahl im Bezirk Harburg sowie bei der Wahl zur Bezirksversammlung ganz im Westen ein: Die drei Wahlbezirke mit dem höchsten AfD-Stimmenanteil liegen in Neugraben-Fischbek. Dort sind es die beiden Wahlbezirke in der Schule Ohrnsweg, welche die Sandbek-Siedlung abdecken und der Wahlbezirk in der Michaelis-Kirche, wo die Bewohner der Petershof-Siedlung wählen gehen. In einem der zwei Wahllokale am Ohrnsweg erreichte die AfD bei der Bezirkswahl 40 Prozent!

Beide Saga-Großsiedlungen haben in ihrer Bevölkerung einen großen Anteil an Russlanddeutschen. Es ist die politische Heimat der untergetauchten AfD-Kandidatin Olga Petersen. Auffällig auch: In den Wahllokalen mit hohem AfD-Stimmenanteil war die Wahlbeteiligung besonders niedrig.

AfD-Hochburg Neugraben-Fischbek: Großsiedlungen sind politische Heimat von Olga Petersen

Lange Zeit waren die Aussiedler und Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion sowie aus Polen und Rumänien zuverlässige CDU-Wähler. Das hat auch mit ihren Einwanderungsumständen zu tun und dass es der CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl war, der die Rahmenbedingungen für ihre Aus- und Einreise schuf. Rund 2,5 Millionen kamen seit den 1990er-Jahren nach Deutschland. Gern wird behauptet, die Aussiedler hätten Kohl die Wiederwahl 1994 gesichert. Das stimmt nicht ganz, aber ihr Beitrag zum Vorsprung vor der SPD war groß.

Seit Mitte der 2010er Jahre bröckelt die Unterstützung der Russlanddeutschen für die CDU. Rechte Parteien erkannten das und begannen, gezielt in der Community zu werben – mit Erfolg. Nach den ersten starken Erfolgen der AfD in russlanddeutsch geprägten Kommunen bei Landtags- und Kommunalwahlen wird das Phänomen auch wissenschaftlich untersucht. Gerade die jüngeren Russlanddeutschen sind enttäuscht, heißt es in einer der Studien.

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Die Menschen bekamen etwas, worauf sie in der UdSSR hätten lange warten müssen

Wären die älteren Aussiedler noch froh und dankbar gewesen, überhaupt im Westen angekommen zu sein und dann auch noch etwas zu bekommen, auf das sie in der Sowjetunion lange hätten warten müssen – etwa eine Zweizimmerwohnung im Plattenbau – zögen ihre Kinder eher den Vergleich zu ihren deutschen Mitbürgern oder zu anderen Einwanderern. Glaubenssätze wie der, dass „Flüchtlinge alles bekommen“, während sich niemand um die Russlanddeutschen kümmere, verfangen bei ihnen besonders gut, heißt es in einer Studie aus dem Jahr 2017.

Der Petershof und die Sandbek-Siedlung sind die politische Basis der umstrittenen, in Omsk geborenen Bezirks- und Bürgerschaftsabgeordneten Olga Petersen. Die besonders Putin- und Höcke-freundliche Frau ist zumindest in Hamburg selbst der AfD zu rechtsgerichtet.

Gegen sie läuft nach den Fraktionsausschlüssen in Bürgerschaft und Bezirk auch ein Parteiausschlussverfahren. Dennoch ist sie im Wahlkreis 7 (Hausbruch) die Hauptkandidatin für die Bezirksversammlung. Dass derzeit niemand weiß, wo sie sich aufhält, fällt anscheinend nicht ins Gewicht. Auch in der vergangenen Wahlperiode hatte Petersen ihr Bezirksversammlungsmandat nicht allzu regelmäßig wahrgenommen.