Hamburg. Der Bundeskanzler kündigt nach dem Mord nach Mannheim Konsequenzen an. Schon in Hamburg hat der SPD-Politiker eine strikte Linie gezeigt.

Politik ist manchmal ein seltsames Geschäft. Und der Wähler bekommt mitunter das Gegenteil von dem geliefert, was die Parteien zuvor versprachen. Kanzler Gerhard Schröder etwa wurde zum mutigsten Wirtschaftsreformer der vergangenen fünf Jahrzehnte und setzte die Agenda 2010 des Forderns und Förderns um – als Sozialdemokrat. Die Union unter Angela Merkel versprach 2005 weit größeren Reformeifer, um dann nach der Wahl in den Verwaltungsmodus umzuschalten.

In der Migrationspolitik stellte die Union 2015 angesichts des Syrien-Krieges ihr Parteiprogramm kurzerhand auf dem Kopf – Angela Merkel ließ die Grenzen auch dann noch offen, als Millionen Flüchtlinge nach Deutschland strebten.

Die Zweifel am „Wir schaffen das“ wachsen

Nun könnte es an der SPD sein, diese Politik endgültig einzukassieren. Denn so gut die Grenzöffnung und die Politik des „Wir schaffen das“ auch gemeint war: Die Migration hat Deutschland unter massiven Stress gesetzt. Seit 2015 ist die Zahl der Einwohner in der Bundesrepublik um mehr als drei Millionen auf fast 85 Millionen gestiegen. Die Folgen werden für die Menschen immer deutlicher – bei den Kosten, am Wohnungsmarkt, bei der Infrastruktur, in den Schulen, bei der Kriminalität.

Die tödliche Attacke von Mannheim ist nicht die erste Untat eines Menschen, dem Deutschland Asyl gewährte. Und doch ist es eine Attacke, die etwas verändert hat: Sie besitzt eine politische Dimension, galt sie doch einem Anti-Islamisten-Aktivisten. Am Ende traf sie einen Polizisten, der dort die Demokratie schützen wollte. So wurde die Tat zu einem Angriff auf uns alle. Es mag die öffentliche Empörung zusätzlich schüren, dass am Sonntag das Europäische Parlament gewählt wird. Es könnte aber auch der viel zitierte Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Bei der Migration treten die negativen Folgen offener zutage

Deutschland hat ein Problem mit einer kleinen Zahl von Migranten – meist sind es Geflüchtete, die sich in ihrem Aufnahmeland nicht zurechtfinden. Um die muss man sich kümmern – mit Hilfen zur Inte­gration, aber auch mit klaren Ansagen. Und zur Not mit Härte. Sowohl die Genfer Flüchtlingskonvention als auch die Europäische Menschenrechtskonvention definieren, dass man das Recht auf Asyl verwirken kann.

Abschiebungen sind oftmals wegen der Lage in den Heimatländern schwierig. Das bedeutet aber nicht, dass sie unmöglich sind. Schon vor mehr als einem Jahr hat Dänemark die Abschiebung nach Syrien erlaubt, andere Staaten schieben nach Afghanistan ab. Es ist auch niemandem zu vermitteln, dass ein Islamist aus Afghanistan nach Deutschland flieht und dann wegen der Herrschaft der Taliban nicht mehr dorthin zurückkehren darf.

Um die Akzeptanz des Asylrechts zu erhalten, bedarf es der Abschiebung

Bei der Frage nach Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern geht es um die Akzeptanz des Asylrechts insgesamt. Die leicht anarchische Auslegung des letzten Jahrzehnts hat dieses Vertrauen erschüttert. Die SPD könnte es jetzt wiederherstellen, wenn es wirklich gelänge, Pro­blemfälle außer Landes zu bringen.

Hamburgs Innensenator Andy Grote hatte den Vorstoß gewagt, nun zieht der Kanzler nach. Keiner sollte sich täuschen, dass Olaf Scholz auch streng kann: Als die „Lampedusa-Flüchtlinge“ 2013 als Gruppe ein dauerhaftes Bleiberecht verlangten, hielt der von Scholz geführte SPD-Senat nach den rechtsstaatlichen Vorgaben dagegen und forderte Einzelfallprüfungen oder die Rückkehr nach Italien.

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Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Hamburger Einsatz für geordnete Zuwanderung dann von einer CDU-Kanzlerin konterkariert wurde. Nun könnte Scholz diese Politik korrigieren helfen.