Hamburg. Zugänge im März fallen auf niedrigsten Stand seit Corona. Unterbringung bleibt schwierig. Grote: „Wir sind noch lange nicht am Ziel.“

Offenbar beginnen die Verschärfungen in der Zuwanderungspolitik zu wirken: Im März sind in Hamburg die Registrierungen von Asyl- und Schutzsuchenden auf den niedrigsten Stand seit Ende der Pandemie gesunken. Insgesamt registrierte die Hansestadt im vergangenen Monat 1329 Flüchtlinge – das ist ein Rückgang um knapp ein Drittel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Ähnlich fällt das Minus aus, wenn man das gesamte erste Quartal betrachtet. Mit 521 Personen kamen die meisten Flüchtlinge im März aus der Ukraine.

Für die Stadt entscheidender ist die Zahl der Schutzsuchenden, die nicht auf andere Bundesländer verteilt wurden und damit in Hamburg bleiben. Auch hier gab es deutliche Rückgänge: Lag die Zahl vor einem Jahr im März noch bei 1520 Menschen, sank sie nun auf 869 (minus 43 Prozent). Rechnet man die Ukrainer heraus, gingen die Zugänge in Hamburg auf 485 (minus 31 Prozent) im März beziehungsweise 1613 (minus 24 Prozent) im ersten Quartal zurück.

Innensenator Grote: „Wir sind noch lange nicht am Ziel“

In den Zahlen spiegelt sich der leicht nachlassende Druck auf das deutsche Asylsystem: Bundesweit sank die Zahl der Asylanträge im März um ein Drittel, im Quartal immerhin um rund 20 Prozent. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass die im vergangenen Jahr eingeführten Grenzkontrollen wirken.

Hamburgs Innensenator Andy Grote zeigte sich im Gespräch mit dem Abendblatt vorsichtig optimistisch. „Wir haben etwas erreicht. Unsere steuernden Maßnahmen zeigen erste Erfolge“, sagt der SPD-Politiker und lobt die Kompromisse der Ampel wie die jüngst verabschiedete EU-Asylreform. „Es ist schwer, Grenzen zu sichern, aber es ist möglich“, so der Politiker weiter. „Wir sind aber noch lange nicht am Ziel. Wir müssen die Maßnahmen konsequent fortsetzen, die Grenzen an den Fluchtrouten noch besser sichern und Migrationsabkommen mit Herkunftsländern schließen.“

Zahl der Asylbewerber sinkt deutschlandweit um 20 Prozent

Zudem haben sich die Schutzsuchenden etwas besser über Europa verteilt: So ist der deutsche Anteil aller europäischen Asylanträge, der vor einem Jahr noch 34,5 Prozent betrug, auf 28,8 Prozent gesunken. Ob die Einführung der Bezahlkarte die Magnetwirkung der Bundesrepublik abschwächt, ist unter Experten umstritten.

Gleichwohl ergibt sich mit 65.419 Erstanträgen auf Asyl auf das Jahr hochgerechnet eine Zuwanderung nach Deutschland in einer Größenordnung der Stadt Aachen. Und in diesen Zahlen sind die Ukraine-Flüchtlinge nicht einmal enthalten.

Flüchtlinge in Hamburg: Unterbringung bleibt schwierig

Die jüngsten Zahlen signalisieren eine Entspannung der Lage in der Stadt, für eine Entwarnung ist es indes zu früh. Die Zahl der ankommenden Menschen mit Unterbringungsbedarf reduzierte sich im März um mehr als 36 Prozent auf 663; im ersten Quartal musste Hamburg insgesamt 2198 Neuankömmlinge mit einem Dach über dem Kopf versorgen (minus 28 Prozent). Noch immer sind die Flüchtlinge aus der Ukraine ein Treiber der Entwicklung, wenngleich weniger kommen. Im Vergleich zum Vorjahr halbierte sich die Zahl der verbleibenden Ukrainer im ersten Quartal auf 1292, im März kamen 384 hinzu – vor einem Jahr waren es indes mit 817 noch doppelt so viele.

Andy Grote, der Senator für Inneres und Sport, sieht eine Entspannung der Flüchtlingslage, aber kann noch keine Entwarnung geben.
Andy Grote, der Senator für Inneres und Sport, sieht eine Entspannung der Flüchtlingslage, aber kann noch keine Entwarnung geben. © MARCELO HERNANDEZ / FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Die Unterbringung stellt die Behörden vor immer größere Probleme, da viele Einrichtungen seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine überfüllt sind. Gewerbeflächen wurden zu Flüchtlingsunterkünften umgewidmet, Hotels angemietet, auch Zelte in Parks und auf Festplätzen schließt die Sozialbehörde nicht mehr aus. Zugleich wächst in der Stadt der Widerstand gegen neue Einrichtungen wie etwa am Botanischen Garten in Klein Flottbek.

Zahl der Plätze zu rund 98 Prozent belegt

Der Spielraum wird enger, wie die Zahlen der Innenbehörde zeigen: Von 48.243 Plätzen gelten inzwischen 47.256 als belegt. Ob in der Erstaufnahme, der öffentlich-rechtlichen Unterbringung, vorübergehenden Standorten oder Notunterbringungen, überall sind die Kapazitäten fast erschöpft. Die Innenbehörde spricht von einer Auslastung von 97,9 Prozent.

„Der Senat setzt daher weiterhin alles daran, die Menschen gut unterzubringen. Doch das wird angesichts knapper Flächen und einer hohen Belastung in den Stadtteilen immer schwieriger – auch, weil es Zeit braucht, die soziale Infrastruktur entsprechend zu entwickeln“, sagt Daniel Schaefer, der Sprecher der Innenbehörde. Derzeit würden fortlaufend alle Möglichkeiten geprüft, Unterkünfte und Unterkunftsplätze neu zu errichten oder zu erhalten.

Immer mehr Menschen müssen lange in den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben

Die prekäre Entwicklung spiegelt sich auch in der Zahl der sogenannten Überresidenten. Inzwischen leben 2623 Menschen länger als ein halbes Jahr in einer Erstaufnahmeeinrichtung, obwohl sie Anspruch auf eine Folgeunterkunft haben. Das sind doppelt so viele wie vor einem halben Jahr, ist aber entfernt weit von den Zuständen während der Flüchtlingskrise 2015/16, als zeitweise mehr als 6000 Überresidenten in der Stadt lebten.

Interessant ist die Datenanalyse: Da Hamburg eine sehr große afghanische Community hat, ziehen viele Schutzsuchende von dort direkt an Elbe und Alster. Bundesweit ist der Anteil der Syrer mit rund 30 Prozent doppelt so hoch wie der Afghanen. In Hamburg ist die Verteilung umgekehrt – hier liegt das Land mit einem Anteil von 23,2 Prozent der Asylbewerber weit vor Syrien. Im laufenden Jahr kamen 374 Flüchtlinge vom Hindukusch. Mit der Zuwanderung aus Afghanistan hat auch eine weitere Herausforderung für die Stadt zu tun: Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Ausländer ist binnen Jahresfrist um ein Drittel auf 747 gestiegen.

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Auffällig sind nach den Behördendaten Verschiebungen auf den Fluchtrouten: So hat sich die Zahl der Gesamtankünfte über die östliche Mittelmeerroute via Griechenland im März auf 2568 verdoppelt, die westliche Mittelmeerroute über Spanien wuchs mit einem Plus von 95 Prozent auf 2271 fast genauso stark. Hingegen haben sich die Zugänge über Italien auf 6496 halbiert, einen ähnlich großen Rückgang gibt es auf der Balkanroute auf 1938.