Hamburg. Wählen - können die das schon? Zwei Hamburger Erstwähler über Europa und den Einfluss von Social Media auf ihre Wahlentscheidung.

  • Jugendliche erhoffen sich von der Wahl ein „stärkeres Europa“.
  • Junge Menschen haben hohe Bereitschaft, wählen zu gehen, wollen aber besser informiert werden.
  • Die 17-jährigen Hamburger sehen Instagram und TikTok als große Informationsquelle, aber auch als Gefahr.

Die dürfen schon wählen? Am 9. Juni ist Europawahl, erstmals können Jugendliche ab 16 Jahren in Deutschland dabei ihre Stimme abgeben. In Hamburg sind fast 30.000 Jugendliche wahlberechtigt. Viele wollen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, fühlen sich aber nicht ausreichend informiert. Zwei Hamburger Schüler über ihre Wünsche an die Politik, ihre Motivation zu wählen und den Einfluss von Social Media auf ihre Wahlentscheidung.

„Ich glaube, es ist besonders wichtig, in unserem Alter schon wählen zu gehen, weil die Zukunft des Landes und Europas in den Händen der jüngeren Leute liegt“, sagt Cooper Nannen. Der 17-jährige Hamburger besucht die elfte Klasse des Wilhelm Gymnasiums und wird in diesem Jahr zum ersten Mal überhaupt seine Stimme abgeben. Von der Wahl erhofft er sich vor allem ein stärkeres Europa. „Besonders in Bereichen wie Migration und Asylpolitik halte ich es für wichtig, dass man als ein Europa auftritt.“

Hamburger Schüler: Europa steht China und Russland alleine gegenüber

„Besonders in der heutigen Zeit ist es wichtig, auch auf europäischer Ebene zu wählen. Die Demokratie ist aus meiner Sicht in Gefahr“, sagt Cooper. „Deutschland ist einer der größten Partner in der EU, da ist es besonders wichtig, seine Meinung kundzutun. Europa steht Russland und China allein gegenüber, man sollte gemeinsam auftreten und nicht nur die einzelnen Staaten für sich.“

2022 wurde das Mindestalter für die Europawahl in Deutschland von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt, gegen die Stimmen von CDU/CSU und AfD. Der 17-Jährige hat Verständnis für die Kritik. Viele in seinem Alter hätten eben noch keine komplett ausgereifte Meinung über politische Themen. „Aber gerade bei den Leuten, die nicht so viel Ahnung von Politik haben, ist es doch besser, wenn ihnen geholfen wird, sich selbst eine Meinung zu bilden. Anstatt sie vom Wahlprozess auszuschließen, sollte man sie an die Hand nehmen.“

Nur knapp jeder fünfte junge Mensche fühlt sich über das Europaparlament informiert

Dass es dabei noch Luft nach oben gibt, zeigte zuletzt eine Umfrage unter 1000 Menschen im Alter von 16 bis 23 Jahren, die die F&P Marketingforschung GmbH im Auftrag von Greenpeace durchführte. Nur 18 Prozent erklärten, sich gut oder sehr gut über die Aufgaben und Zuständigkeiten des Europaparlamentes informiert zu fühlen. Dagegen gaben 67 Prozent der Befragten an, wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich am 9. Juni wählen zu gehen. „Die rund fünf Millionen Erstwählenden in Deutschland sind hoch motiviert, aber sie wollen besser rund um das EU-Parlament informiert werden“, sagt Greenpeace-Bildungsarbeiter Dietmar Kress.

Um sich zu informieren, hat Cooper sich vor allem Videos auf YouTube angesehen, die Parteiprogramme zusammenfassen. Außerdem hört er Podcasts, ab und zu guckt er auch die Tagesschau oder lese Zeitung. „Social Media hilft mir auf jeden Fall, Politik in den Alltag zu integrieren und immer auf dem neuesten Stand zu sein.“

17-jähriger Hamburger: Schüler wissen, wie sie sich vorbereiten und recherchieren

Wen er wählen wird, sei ihm nicht sofort klar gewesen. „Ich habe natürlich mal die Meinung meiner Eltern oder meiner Geschwister gehört. Ich will auch nicht behaupten, dass ich davon komplett unbeeinflusst bin, aber mir ist es schon wichtig, einen objektiven Blick darauf zu haben“. Briefwahl komme für Cooper nicht infrage. Er habe sich schon mit einem Freund dazu verabredet, am 9. Juni gemeinsam zur Wahlkabine zu gehen.

Ein anderer Erstwähler hat zunächst gezweifelt, ob es die richtige Entscheidung ist, 16-Jährige zur Wahlurne zu schicken. „Ich dachte, denen kann man noch was vormachen und sie haben noch nicht das Gespür dafür, was für eine große Macht sie haben“, sagt der 17-Jährige, der nicht namentlich genannt werden möchte. Mittlerweile habe er seine Meinung jedoch geändert und glaubt, dass jüngere Menschen sich sogar mehr Gedanken über ihre Wahlentscheidung machen. „Ich glaube, dass Menschen gerade im Schulalter wissen, wie sie sich auf Klausuren und Präsentationen vorbereiten und viel mehr recherchieren als andere.“

Der 17-jährige Hamburger sieht soziale Medien als Plattformen, auf denen vor allem populistische Parteien wie die AfD eine sehr große Reichweite haben.
Der 17-jährige Hamburger sieht soziale Medien als Plattformen, auf denen vor allem populistische Parteien wie die AfD eine sehr große Reichweite haben. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Von der Wahl erhofft auch er sich ein gestärktes Europa, das als großer „Player“ auf der Weltbühne auftritt und unsere Interessen vertritt. „Dass es innere Unruhen gibt, ist klar, und das sollte auch so sein, sonst geht es nicht weiter.“ Allerdings würde er sich weniger zerstörerische und mehr Innovations- und Reformkraft wünschen. In seinem Freundeskreis sei die Europawahl gar kein großes Thema gewesen. „Aber es schien so, als sei es selbstverständlich, wählen zu gehen und dass viele Lust haben, es mal auszuprobieren.“

Hamburger Erstwähler: Benutze weder Instagram noch TikTok

Anders als Cooper habe er vor der Wahl eine klare Vorstellung davon gehabt, welche Partei er wählen werde. „Erst, wenn man sich tatsächlich mit dem Wahlprogramm auseinandersetzt, schwindet dieses Bild ganz schnell.“ Die Parteiprogramme habe er sich nicht komplett durchgelesen, sondern sich durch Zusammenfassungen in öffentlich-rechtlichen Medien informiert.

„Ich glaube, dass gerade für die jüngere Generation Social Media eine wichtige Informationsquelle ist.“ Ihm falle auf, dass populistische Parteien wie die AfD eine extrem hohe Reichweite haben, die anderen Parteien würden hinterherhinken. Er selbst ist dagegen immun: „Weil ich weder Instagram noch TikTok benutze, spielen soziale Medien bei meiner Wahlentscheidung keine Rolle“, sagt der Hamburger.

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Laut einer Studie des Schleswig-Holsteinischen Europaministeriums wollen junge Menschen auf verschiedenen Informationskanälen angesprochen werden. Mehr als 3500 Schülerinnen und Schüler ab der zehnten Klasse haben an der Online-Umfrage teilgenommen. Das Ergebnis: Soziale Medien wie Instagram und TikTok sind zwar wichtige Kanäle, aber auch klassische Diskussionsformate mit Politikern, Videos, Freunde, Familie und die Schule sind bedeutende Informationsquellen.

Schüler über die Europawahl: „Man ist jetzt Teil des großen Ganzen“

Seine erste Wahl werde für ihn vielleicht von seinem Schreibtisch aus stattfinden. „Es kann sein, dass ich am 9. Juni nicht in Hamburg bin, aber ich werde auf jeden Fall wählen“, dann in Form von Briefwahl, sagt er. Der Moment, in dem er die Wahlbenachrichtigung bekommen hat, sei für ihn ein ganz besonderer gewesen. „Man freut sich natürlich, wenn der eigene Name draufsteht – dann merkt man, man ist jetzt Teil des großen Ganzen.“